Verschub statt Verkehrschaos

Wie standardisierte Brückenmodelle die Infrastrukturkrise entschärfen

Deutschlands Fundamente altern: Während zahlreiche Menschen der geburten­starken Jahrgänge in den wohlverdienten Ruhestand gehen und der Druck auf den Arbeitsmarkt und soziale Sicherungssysteme steigt, erreichen gleichzeitig viele Bauwerke ein kritisches Alter – mit Folgen für unsere Verkehrsinfrastruktur.

Laut einer Studie des Organisationsbündnisses Transport & Environment (T&E) wurden mehr als 40% der Brücken im Autobahn- und Bundesstraßennetz zwischen 1960 und 1980 gebaut, die nun alle gleichzeitig baufällig werden. Demnach sind allein in dieser Kategorie etwa 16.000 Bauwerke von insgesamt 40.000 Brücken in unterschiedlichen Graden sanierungsbedürftig. „Wenn man schnell viele neue Brücken bauen will, muss man neue Wege gehen“, betont daher Dipl.-Ing. Eckhard Schreiner, Technischer Leiter und Prokurist im Ingenieurbau von Leonhard Weiss. „Das im März vom Bundestag beschlossene Sondervermögen allein wird den drohenden Verkehrskollaps nicht abwenden können. Es braucht vor allem effizientere Abläufe – im öffentlichen Beschaffungsrecht ebenso wie im Planungsprozess“, stellt der Experte klar.

Innovative Lösung für ein drängendes Problem

Leonhard Weiss hat sich daher auf ein besonders zeit- und kostensparendes Verfahren spezialisiert: den Brückenverschub. Der Generalunternehmer für Ingenieur- und Schlüsselfertigbau, Gleisinfrastrukturbau sowie Straßen- und Netzbau setzt auf eine schnell umsetzbare „Schubladenlösung“, wie Schreiner erklärt: „Auf Basis von bereits konzipierten Rahmenbauwerken können wir zeitnah eine qualifizierte Aussage gegenüber dem Kunden treffen, ob sein Projekt mit unserem Anforderungscluster umsetzbar ist. Die Pläne liegen bereits fertig vor.“ 

Schnell, präzise, normgerecht: Diese Vorteile

sprechen für den Brückenverschub

Sind die Voraussetzungen erfüllt, folgt der weitere Ablauf in einem bewährten Schema. Das zu ersetzende Brückenbauwerk wird unmittelbar neben seinem späteren Zielort errichtet und nach Fertigstellung in die Endlage verschoben. Da die Vorgehensweise herkömmlichen Projekten entspricht, wo ebenfalls vor Ort gebaut wird, werden dieselben Qualitätsstandards erfüllt. Gleichzeitig verkürzt sich die Bauzeit allerdings deutlich: „Liegen keine besonderen räumlichen Bedingungen vor und sind auch keine vorausgehenden Abbrucharbeiten erforderlich, lässt sich ein solches Projekt innerhalb von drei Monaten durchführen. Der eigentliche Brückenverschub erfolgt dann innerhalb von 72 Stunden“, berichtet Schreiner und fügt hinzu: „Kunden können sich zudem darauf verlassen, dass sämtliche heute geltenden Regeln der Technik gemäß EBA, ZTV-ING, RiL etc. eingehalten werden. Damit vermeiden wir etwaige Probleme mit schleppenden Normungsverfahren, die nicht selten den subjektiven Zeitvorteil anderer Fertigteilsysteme wieder zunichtemachen.“

Vom Standardmodell bis hin zum Mammutprojekt:

Die Skalier­barkeit des Verschubverfahrens

Angeboten werden sechs standardisierte Ausführungsvarianten, darunter drei Widerlagertypen mit unterschiedlicher Flügelausrichtung. Bis zu einer lichten Weite von 14,50 Metern und einer lichten Höhe von bis zu 7,50 Meter kann das System als Standard­lösung eingesetzt werden. Darüber hinaus sind individuelle Planungen möglich, die sich ebenfalls mit der Verschub­technologie kombinieren lassen.

„Wir können mehr!“, lässt Eckhard Schreiner durchblicken und verweist als Referenz auf den Einbau eines Kreuzungsbauwerks in Nürnberg, der im Rahmen des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit 8 (VDE8) durchgeführt wurde. Innerhalb von sechs Monaten entstand eine über 8 Meter hohe, 12 Meter breite und 35 Meter lange Stahlbetonbrücke mit einem Gewicht von mehr als 3.200 Tonnen, die innerhalb einer Woche Streckensperrung in Endlage transportiert wurde. Der Verschub selbst erfolgte durch Hydraulikpressen mit einer Traglast von je 250 Tonnen. In eigens angelegten Verschub­bahnen erreichte das Bauwerk so in gerade einmal eineinhalb Stunden seinen Bestimmungsort.

„Diese Leistung ist nur mit erfahrenen und aufeinander eingespielten Teams möglich“, stellt Schreiner klar.

CO2-Ersparnis macht Brückenverschub auch für

den Straßenbau attraktiv

Bislang wurde das zeitsparende Verfahren hauptsächlich im Bahnbau genutzt, da hier keine Umfahrungen möglich sind und längere Sperrpausen mit großen logistischen Problemen einhergehen. 2025 plant Leonhard Weiss allein in diesem Segment mehr als zehn Bauwerke zu verschieben.

Für Schreiner ist allerdings der Zeitpunkt gekommen, den Brückenverschub auch verstärkt im Straßenbau einzusetzen, um die volkswirtschaftlichen Auswirkungen bauzeitlicher Verkehrsbeeinträchtigungen zu verringern. Untersuchungen der Fachhochschule Kiel zu CO2-Bilanzierungen von Infrastrukturprojekten im Brückenbau zeigen etwa, dass die infolge längerer Verkehrsbeeinträchtigungen produzierten Treibhausgase deutlich mehr ins Gewicht fallen als die Emissionen beim Bau selbst [1]. Schreiner führt aus: „Staus führen zu Umweltbelastungen, Verzögerungen im Transportwesen und erfordern überdies kostenintensive Verkehrssicherungsmaßnahmen. Wir können nicht nur bei der Ausführung, sondern bereits in der Akquise-Phase die Abläufe beschleunigen, da wir für unsere Standardlösungen schnell einen Preis nennen können. Die Bauindustrie hält innovative Lösungen bereit – es liegt nun an den öffentlichen Auftraggebern, dieses Know-how zu nutzen und neue Wege zu gehen.“

Leonhard Weiss GmbH & Co. KG www.leonhard-weiss.de

S. Görtz, E. K. Bardenhewer, T. Volkenhoff, T. K. D. Pham, 2025. CO2-Emissionen von Infrastrukturprojekten im Straßenbau/CO2 balancing of infrastructure projects in road construction. Bauingenieur. 100. 62-72. 10.37544/0005-6650-2025-03-56

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