„Es geht um Fairness und Zuverlässigkeit!“

Abwasserkanäle und Leitungen sind dicht, wenn sie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik gebaut und geprüft werden. Mit Unterstützung der DWA (damals ATV) wurde im Jahr 1988 eine wettbewerbsrechtlich neutrale, fundiert arbeitende Organisation, die Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau e.V., gegründet. Ziel war, die Qualität im Kanalbau dauerhaft zu verbessern. tis sprach mit Dr.-Ing. Helmuth Friede, Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau.

tis: Herr Dr. Friede, was sind die wesentlichen Zielsetzungen der Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau?

Dr. Helmuth Friede: Beteiligt an der Herstellung von Abwasserleitungen und Kanälen sind naturgemäß Auftraggeber, Planer und ausführende Firmen. Die Zielsetzung der Gütegemeinschaft ist in der Vereinssatzung fixiert. Die Zielsetzung lautet, die Umweltverträglichkeit von Abwasserleitungen und -kanälen zu verbessern und den Verunreinigungen von Grundwasser und Boden entgegenzuwirken.

tis: Es geht also darum, eine intakte unterirdische Infrastruktur herzustellen,
um potentiellen Gefährdungen von Mensch und Natur entgegenzuwirken?

Dr. Helmuth Friede: Dies ist die Folge sachgemäßen Handelns. Wenn wir die Umweltverträglichkeit von Abwasserleitungen und -kanälen verbessern, schützen wir damit auch den Bürger. Die Ursachen der Gefährdungen sind zu beseitigen. Ursachen sind unpräzise Anforderungen in Ausschreibungen, Aufträge an nicht ausreichend qualifizierte Unternehmen und fehlende Bauüberwachungen. Im Ergebnis führt dies zu fehlerhafen Bauleistungen. In dieser Ursache-Wirkungskette hat der Auftraggeber eine ganz besondere Verantwortung.

tis: Wie kann der Auftraggeber dieser Verantwortung nachkommen?

Dr. Helmuth Friede: Auftraggeber sind für die Planung verantwortlich. Aufgrund dieser Planungen formuliert der Auftraggeber eindeutige Anforderungen. Auftraggeber teilen in der Ausschreibung diese Anforderungen mit. Dann prüfen Auftraggeber, ob Bieter in der Lage sind, diese Anforderungen zu erfüllen. Erfüllen Bieter diese Anforderungen nicht, werden diese von der Auftragsvergabe ausgeschlossen. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend. Nur unter Berücksichtigung dieser Sachverhalte ist eine zuverlässige Instandhaltung der Abwasserkanäle möglich. Die vom Auftraggeber gestellten Anforderungen müssen aber im wesentlichen den Gegebenheiten des Bauvorhabens entsprechen. Dazu ein Beispiel, welches verdeutlicht, wie wichtig es ist, neutralen Wettbewerb zu gewährleisten. Handelt es sich z.B. um die Vergabe einer Baumaßnahme im charakteristischem Ausführungsbereich DN<300 und Tiefenlage bis etwa 3 m (AK 3), ist es Wettbewerbs behindernd, ausschließlich Firmen beauftragen zu wollen, die für den Ausführungsbereich DN>300 und Tiefenlage > 3 m (AK 2) qualifiziert sind.

tis: Kann der Auftraggeber durch dieses Vorgehen unsachgemäßes Arbeiten in seinem Verantwortungsbereich sicher ausschließen?

Dr. Helmuth Friede: Ja. Wenn die Bevölkerung vor den Folgen unsachgemäßen Arbeitens geschützt werden soll, dann hat es in erster Linie darum zu gehen, unsachgemäße Arbeiten von vorneherein zu vermeiden. Voraussetzung ist eine korrekte Ausschreibung und Wertung der Angebote. Dies führt zum Einsatz ausschließlich qualifizierter Firmen. Dieser Gedanke ist keineswegs neu. Auch die VOB vertritt diesen Grundsatz und verlangt, nur geeignete Bieter zu beauftragen. Es gilt nicht nur, Anforderungen an Einbau und Prüfung zu formulieren, wie es in den technischen Regelwerken geschieht, sondern gleichermaßen Anforderungen zu nennen zur Qualifikation eines Bieters. Dies wurde in der Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961 getan.

tis: Wie sehen solche Anforderungen
an den Bieter aus?

Dr. Helmuth Friede: Es sind Anforderungen an Personal, Geräte, Aus- und Weiterbildung, Eigenüberwachung der Bauleistung, unabhängige Kontrolle der Eigenüberwachung und den Einsatz von Nachunternehmern. Einzelheiten regelt die Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961. Ob diese Anforderungen vom Bieter zuverlässig erfüllt werden, prüft der öffentliche und private Auftraggeber gemäß DIN EN 1610, Abschnitt 15, „Qualifikationen“ möglichst vor Auftragsvergabe. Zumindest ist dies
seine Verpflichtung. Folgende Faktoren sind dabei zu berücksichtigen:

n entsprechend ausgebildetes und erfahrenes Personal wird zur Überwachung und Ausführung des Bauvorhabens eingesetzt;

n durch den Auftraggeber eingesetzte Auftragnehmer haben die erforderlichen Qualifikationen, die zur Ausführung der Arbeit notwendig sind;

n Auftraggeber versichern sich, dass die Auftragnehmer die erforderlichen Qualifikationen besitzen.

DIN EN 1610 und das Arbeitsblatt DWA-A 139, Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen, Dezember 2009, enthält noch folgenden Hinweis: „Der Auftraggeber kann sich eines „Systems zur Prüfung von Lieferanten oder Unternehmen“ gemäß EG- Richtlinie vom 17.09.1990 bedienen (Anhang C der DIN EN 1610). Die Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961 ist ein solches System.“

tis: Was genau ist die Aufgabe der Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau vor dem Hintergrund dessen, was sie gerade skizziert haben?

Dr. Helmuth Friede: Aufgabe ist die stetige Auseinandersetzung mit der Realität der Vergabepraxis. Zu oft wird von Unternehmen der Vorwurf erhoben, dass allein der niedrigste Preis Vergabekriterium sei, obwohl es in der VOB A, DIN 1960,§ 25 3.(3) heißt: „Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend.“ Aufgabe der Gütegemeinschaft ist es, möglichst viele Auftraggeber zu überzeugen, die Anforderun-gen von RAL-GZ 961 zur Grundlage ihrer Qualifikationsprüfung zu machen. Gütesicherung ist Selbstverpflichtung der Auftraggeber. Im Sinne von DIN EN 1610 und DWA A 139 werden Aufträge ausschließlich an solche Unternehmen vergeben, welche die erforderlichen Qualifikationen gemäß RAL-GZ 961 besitzen.

tis: Doch wie kann sich der Auftraggeber dieser Qualifikationen des Bieters vergewissern?

Dr. Helmuth Friede: Indem er selbst die notwendigen Nachweise von den Bietern fordert und prüft oder der Güteausschuss der Gütegemeinschaft die erforderlichen Nachweise fordert und prüft. Im Internet sehen Auftraggeber, ob Bieter über die von ihnen geforderten Qualifikationen verfügen (www.kanalbau.com). Firmen können ihre Qualifikation kennzeichnen durch das Gütezeichen Kanalbau mit Angabe der Aus-führungsbereiche AK1, AK2, AK3, VP, VM, VD, VO, VOD, S.., I, R, D und/oder G.

Der Güteausschuss prüft Qualifikationsanträge und leitet die Verleihung und den Entzug der Qualifikation ein. Er schlägt dem Vorstand der Gütegemeinschaft Ahndungsmaßnahmen bei Verstößen vor. Die

Verleihungen werden im Internet (www.kanalbau.com) veröffentlicht. Erfahrungen des Unternehmens und des eingesetzten Personals gelten als nachgewiesen durch Belege über entsprechende Tätigkeiten. Zuverlässigkeit des Unternehmens gilt als nachgewiesen durch Vorlage eines Organisationsmanagements, die Zuverlässigkeit des eingesetzten Personals durch Vorlage entsprechender Referenzen (z.B. Abnahmeprotokolle).

tis: Und wie lässt sich dieser Anforderungskatalog in der Praxis anwenden?

Dr. Helmuth Friede: Auftraggeber formulieren in ihren Ausschreibungen oder Bekanntmachungstexten: „Mit dem Angebot verlangte Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bieters: Bewerber für Maßnahmen zur Herstellung und Sanierung von Kanälen müssen die Anforderungen der RAL-Gütesicherung GZ 961 des Deutschen Institutes für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. (RAL), St. Augustin erfüllen und dies nachweisen.

Oft wird gefragt, ob eine solche Formulierung zulässig ist. Zahlreiche Stellungnah-men haben dies wiederholt bestätigt. RAL-Gütesicherungssysteme sind grundsätzlich so aufgebaut, dass sie den Bedingungen der Objektivität und Wettbewerbsneutralität genügen. Wie in jedem System kommt es auch hier verschiedentlich zu Mängeln in der Gütesicherung. Auftraggeber wenden sich dann an den Güteausschuss der Gütegemeinschaft, der über Ahndungen und Sanktionen berät. In den Güteausschuss benennt die DWA alle zwei Jahre einen Vertreter der öffentlichen Auftraggeber und einen Vertreter der in der DWA organisierten Ingenieurbüros. Der Vertreter der öffentlichen Auftraggeber ist gleichzeitig Obmann des Güteausschusses. In der Mitgliederversammlung der Gütegemeinschaft werden alle zwei Jahre noch fünf weitere Mitglieder in den Güteausschuss gewählt. Hierbei handelt es sich um Fachleute, die das Vertrauen der öffentlichen Auftraggeber genießen.

Die RAL-Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau ist die einzige Organisation, die über solch wettbewerbsneutrale Voraussetzungen verfügt. Auftraggeber haben dieses System 1988 eingerichtet und betreiben es seitdem zusammen mit Auftragnehmern. Gemeinsam werden so die Aufgaben gelöst. Die Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau ist eine der wenigen Organisationen, in denen Auftraggeber und Auftragnehmer gemeinsam Mitglied sind. Und diese Strategie, die ausschließlich auf Selbstverpflichtung, klaren Regeln und Wettbewerbsneutralität aufgebaut ist, hat letztendlich zu dem Vertrauen bei Auftraggebern geführt und dazu, dass sich Auftraggeber in immer größerer Zahl dieses Systems bedienen. Auftraggeber und Auftragnehmer sehen Gütesicherung als gemeinsames System.

tis: Die Gütesicherung Kanalbau schafft also die Voraussetzung für ein faires Agieren von Auftragnehmern und Auftraggebern am Markt?

Dr. Helmuth Friede: Genau das ist der Punkt und nun komme ich noch einmal auf Ihre Frage nach der Anwendung des Anforderungskatalogs zurück. Ein Unternehmen weist seine Erfahrung und Zuverlässigkeit durch Belege über entsprechende Tätigkeiten und Besuchsberichte eines vom Güteausschuss beauftragten Prüfingenieurs nach. Dazu gehört auch der Nachweis eines Organisationssystems. Vom Auftraggeber wird kein umfangreiches zertifiziertes QM-System gefordert, aber es wird der Nachweis verlangt, ob das Unternehmen über eine geeignete Führungs- und Organisationskultur verfügt. Auftraggeber überlassen dem Güteausschuss die Bewertung der jeweiligen Qualifikation. Wir haben es also mit klaren, einfachen Strukturen zu tun. Das System der RAL-Gütesicherung ist effizient und hilft in hohem Maß Verwaltungskosten als auch Kosten für Nacharbeiten einzusparen. Auch Instandhaltungskosten verringern sich deutlich. Es geht um Fairness: Jeder Einzelne fühlt sich verpflichtet, Transparenz und einfache Strukturen zu unterstützen. Bisher mit großem Erfolg.

tis: Die Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau bietet auch Fortbildungsseminare an. Tragen diese Seminare dazu bei, ein faires Miteinander zu befördern?

Dr. Helmuth Friede: Firmenseminare sind ein wichtiges Glied in der Kette. Hier findet ein individueller Dialog mit den Unternehmen statt. Auf Grundlage dieses Dialoges werden individuelle Fortbildungsmaßnahmen erarbeitet. Der zuständige Prüfingenieur, wird zum Partneringenieur, der den Firmen und Auftraggebern unterstützend zur Seite steht. Es geht um die Bestätigung von Fairness und Zuverlässigkeit durch den Güteausschuss. Es geht um Partnerschaft, um Beratung und Dialog. Das ist überwiegend die gemeinsame Auffassung von Auftraggebern und Auftragnehmern. Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961 als Strategie, um die eingangs genannten Ziele zu erreichen. Ich möchte es auf den Punkt bringen: Güteschutz Kanalbau ist eine gemeinnützige Vertriebsorganisation. Was vertreiben wir? Den Gedanken zur Selbstverpflichtung mit dem Ziel einer fairen Auftragsvergabe und einer fairen Abwicklung des Auftrags. Die Selbstverpflichtung auf Firmen- und Auftraggeberseite ist entscheidend. Was könnte nun die Folge eines solchen Handelns sein? Vielleicht, dass bei einer Umfrage der DWA zum Zustand der Kanalisation herauskommt, dass das Kanalisationsnetz besser geworden ist.n

tis: Herr Dr. Friede, ich bedanke mich sehr herzlich für dieses Gespräch!
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