Digitalisierung von Lieferprozessen

„Mit dieser Komplettlösung können wir alles abdecken“

Mit der Integration von Vestigas profitieren Kunden der HTI-Gruppe von einer durchgängigen Digitalisierung ihrer Lieferprozesse. Die Lösung ermöglicht den DSGVO-konformen Austausch strukturierter Lieferdaten in Echtzeit, ersetzt vollständig klassische Papier- und PDF-Lieferscheine und automatisiert die oft zeitaufwändige Rechnungsprüfung.

Johann Lohwieser, HTI Gienger KG, Maximilian Kaun, Projektingenieur des Baukonzerns Strabag, Julian Blum, Co-Founder und Geschäftsführer von Vestigas sowie Tobias Bräutigam, Vestigas-Projektmanager bei der HTI-Gruppe waren im Gespräch über zukunftsweisende Abläufe.

Herr Blum, Sie haben Vestigas unter dem Motto „Willkommen in einer Welt ohne Lieferscheine“ gegründet. Was sind die Stärken des digitalen Lieferscheins?

Julian Blum, Co-Founder und Geschäftsführer
von Vestigas (links)
© Vestigas

Julian Blum, Co-Founder und Geschäftsführer
von Vestigas (links)
© Vestigas
Julian Blum: Wir verbinden die gesamte Lieferkette in der Branche, also vom Lieferanten über den Spediteur bis zum Warenempfänger. Jeder in dieser Kette profitiert. Für das Bauunternehmen, also den Warenempfänger, wird die Kette transparent, er sieht, welche Lieferungen ankommen, kann seine Baustellen besser planen und die Masse an Materialien individuell zuordnen. Er weiß, wer was entgegengenommen hat. Über den Blick auf die Baustelle hinaus automatisiert Vestigas die Dokumentationspflicht, was bis zu einem Betoniertagebuch reicht.

Wie unterstützt Vestigas im kaufmännischen Bereich?

Julian Blum: Der Warenempfänger bekommt eine Rechnung vom Händler oder Hersteller und soll die später begleichen. Bevor gezahlt wird, erfolgt eine Rechnungsprüfung – auch die können wir mit unserem Tool automatisieren bzw. stellen die Informationen zur Lieferung so bereit, dass ein automatischer Prozess beim Warenempfänger entsteht. Um diesen Prozess müssten bei einem Mittelständler sonst zwei bis drei Vollzeitkräfte kümmern, bei einem Konzern wie der Strabag noch viel mehr.  

Welche Tools lassen sich mit Vestigas verknüpfen?

Julian Blum: Alles, was wir machen, läuft im Hintergrund, damit eine fertig geprüfte Rechnung direkt beim Rechnungseingang des Bauunternehmens landet. Wir können uns mit jedem Tool verknüpfen, auf Wunsch auch mit konzerninternen wie bei Strabag, damit die Daten automatisch weiterverarbeitet werden.

Manche sprechen von einer bahnbrechenden Lösung für die Baubranche. Woran lässt sich das konkret festmachen?

Julian Blum: Wir können Prozesse mit Daten und Informationen automatisieren, die davor überhaupt noch nicht vorhanden waren. Vorher war alles papierbasiert und der Aufwand, diese Papierunterlagen zu digitalisieren, stand in keinem Verhältnis. Dadurch, dass wir schon bei den Händlern und Lieferanten ansetzen, also die gesamte Kette abdecken, haben wir diese Informationen und Daten, mit denen wir viele Folgeprozesse automatisieren.

Maximilian Kaun, Projektingenieur des Baukonzerns Strabag
© Strabag

Maximilian Kaun, Projektingenieur des Baukonzerns Strabag
© Strabag
Maximilian Kaun: Das hilft uns bei Strabag natürlich. Wir bewältigen bei der Vielzahl unserer Projekte eine enorme Papierflut auf den Baustellen. Insofern sind digitale Lösungen gefragt, die auch für unsere Mitarbeitenden auf den Baustellen schnell und einfach anzuwenden sind.

Welche Ziele verfolgen Sie?

Maximilian Kaun: Wir haben drei große Mehrwerte herausgearbeitet: Erstens wollen wir die Lieferschein-Prozesse durchgehend digitalisieren und damit die Datenverfügbarkeit und Datentransparenz erhöhen. So können alle in der Prozesskette effizienter arbeiten. Zweitens wollen wir die analogen und manuellen Arbeitsschritte reduzieren und schließlich Ressourcen schonen, indem wir den Papierverbrauch reduzieren, und so zu unserem Ziel der Klimaneutralität bis 2040 beitragen.

Was sparen Sie pro Auftrag ein?

Maximilian Kaun: Neben Ressourceneinsparungen, hat der Einsatz auch finanzielle Mehrwerte. Dieser bewegt sich nach unseren Erfahrungen bei mehreren Euro pro Lieferschein. Das Potenzial bei unserer Vielzahl an Baustellen, kann sich nun jede und jeder selbst vorstellen.

Julian Blum: In der Tat. Ein anderer Kunde hat die Einführung von Vestigas als Forschungsprojekt durchgeführt. Dieser Mittelständler mit etwa 100 Mitarbeitern kam sogar auf 7,22 Euro pro Lieferschein. In dieser Range bewegen wir uns also.

Herr Lohwieser, die Zusammenarbeit zwischen der HTI, Vestigas und Strabag geht unter anderem auf Ihre Initiative zurück. Wie kam es konkret zu dieser Kooperation?

Johann Lohwieser von der HTI Gienger KG (links)
© HTI Gienger

Johann Lohwieser von der HTI Gienger KG (links)
© HTI Gienger
Johann Lohwieser: Auf der BAU in München haben wir Vestigas vor ein paar Jahren das erste Mal getroffen. Wir waren sofort fasziniert von der Idee, weil wir die genannten Herausforderungen als Großhandel sehr gut kennen. Ist etwa ein Auftrag mit einem Kunden erledigt, kommt plötzlich der Anruf, dass sich weder im Büro noch auf der Baustelle ein Lieferschein finden lasse. Dann sind wir gefragt, den Lieferschein rauszusuchen, zu kopieren und erneut zu schicken. Manchmal ist der nicht unterschrieben, sodass ein weiterer zusätzlicher Aufwand entsteht. Auch Paletten und die Rücknahme von Gitterboxen können ein leidiges Thema nach der Belieferung sein. Die Idee Vestigas einzuführen, reifte also schnell, nicht zuletzt, weil auch Kunden auf uns zugekommen sind und das eingefordert haben.   

Eine klassische Win-Win-Situation. Wann begann die Zusammenarbeit?

Johann Lohwieser: Mitte 2023 begann unsere Testphase. Wir haben die ersten Prozesse als Großhandel begleitet und sofort gemerkt, dass die für uns komplett schmerzfrei laufen und unsere Kunden davon deutlich profitieren. Deshalb haben wir das Thema weiterverfolgt und in der HTI-Gruppe ausgerollt. Die Kooperation zeigt, dass wir alle – also sowohl unsere Kunden als auch wir – einen Mehrwert davon haben.

Es geht also auch um die Minimierung von Fehlerquellen?

Johann Lohwieser: Auf jeden Fall. Neben der Frage, wo der Lieferschein sei, kommt auch die, wo sich die die Ware befinde. Mit Vestigas haben wir die Möglichkeit ein Bild des Ablageorts zu machen und am Ende sicher zu sein, dass die Ware angekommen ist und unsere Lieferung auch bezahlt wird. Kunden zahlen jetzt deutlich mehr innerhalb der Skontofrist, was ja für beide Seiten Vorteile bietet. Ganz einfach dadurch, weil der Lieferschein beim Kunden nicht mehr durch die ganzen Abteilungen wandert.

Herr Kaun, womit punkten Sie im Unternehmen, Vestigas zu testen?

Maximilian Kaun: Vestigas erfüllte viele unserer Anforderungen und kristallisierte sich schnell als favorisiertes Tool heraus. Wichtiges Argument:  Es ist eine Branchenlösung, mit der auch andere Bauunternehmen arbeiten und so Lieferanten auf die Plattform holen. Das erzeugt wichtige Synergieeffekte. Zudem können wir mit dieser Komplettlösung alles abdecken. Wir arbeiten mit Datensätzen und können auf Positionsebene, also ganz konkret jeden einzelnen Artikel, inklusive Fotodokumentation, verarbeiten. Außerdem hat uns das Thema offene Schnittstellen überzeugt, gerade mit Blick auf die Weiterverarbeitung, sprich die Schnittstelle zu unserem internen Rechnungsverarbeitungsprogramm.

Das sind sehr konkrete Beispiele. Wie wurde Vestigas bei Ihnen ausgerollt?

Maximilian Kaun: Wir sind im Verkehrswegebau in Deutschland mit dem Pilotprojekt gestartet. Im Sommer 2024 erfolgte eine stufenweise Einführung. Vestigas hat recht schnell für Interesse auch in anderen Geschäftsbereichen gesorgt.

Die Argumente sprechen für sich. Herr Bräutigam, welche Rolle spielt Vestigas mit Blick auf die Digitalisierungsstrategie der HTI-Gruppe?

Tobias Bräutigam, Vestigas-Projektmanager bei der HTI-Gruppe
© HTI-Gruppe

Tobias Bräutigam, Vestigas-Projektmanager bei der HTI-Gruppe
© HTI-Gruppe
Tobias Bräutigam: Unser Ziel ist es, den Prozess von der Anfrage über GAEB-Formate, über die Bestellungen auf unseren Bestell- und Order-Tools bis zu Auslieferung digital und transparent abzubilden. Mit dem digitalen Lieferschein von Vestigas schließen wir eine Lücke und können unseren Kunden eine effizientere, fehlerfreiere und transparente Abwicklung bieten. Die Kombination aus innovativen Tools, einer starken Logistik und dem Know-how unserer Mitarbeitenden ist für uns als Fachgroßhandel entscheidend. So sind und bleiben wir technisch und fachlich ein starker Partner für unsere Kunden.

Nutzen das schon mehrere Kunden?

Tobias Bräutigam: Ja, die Zahl der Nutzer steigt stetig. Wir haben hierfür spezielle Schnittstellen eingerichtet, die eine nahtlose Anbindung von Bauunternehmen über Vestigas an unsere Systeme ermöglichen. Der Bauunternehmer klärt die vertraglichen Angelegenheiten direkt mit Vestigas, und alles Weitere erfolgt automatisch.

Herr Blum, mal ketzerisch gefragt: Wieso gibt es so eine Lösung erst jetzt?

Julian Blum: Es geht darum, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, ein Smartphone oder Tablet auf der Baustelle war vor fünf Jahren noch keine Selbstverständlichkeit. Dazu kommen die rechtlichen Aspekte. Ein Lieferschein ist ein Rechtsdokument, das sauber verarbeitet und revisionssicher gespeichert werden muss. Das ist technisch sehr komplex und auch erst seit wenigen Jahren implementierbar.

Wohin geht die Reise beim digitalen Lieferschein?

Julian Blum: Wir wollen den Prozess nach links und rechts ausbauen. Das beginnt bei den Bestellungen. Jeder Lieferant und Händler möchte, dass die Kunden deutlich strukturierter bestellen, weil dann der Folgeprozess sauberer laufen kann. Hintenraus geht es um Dokumentationspflichten, bei denen wir zum Beispiel die CO2-Bilanzierungen auf Knopfdruck mit allen Zahlen ermöglichen wollen. Zweitens wollen wir noch mehr Akteure in dieser Lieferkette aktiv in den Prozess bringen, beispielsweise Speditionen. Als dritte Säule wollen wir die Themen rund um KI verstärkt integrieren.

Herr Kaun, was empfehlen Sie anderen Unternehmen?

Maximilian Kaun: Ich würde mir wünschen, dass sich die Branche auf ein Tool einigt, um die Synergieeffekte für die Lieferdaten zu nutzen. Davon profitieren alle.

Julian Blum: Wichtig ist, als Unternehmen mit Schritt eins zu starten. Manche beginnen erst, wenn die 100 Prozent erreicht sind – bei unserem Tool sieht aber schon deutlich früher die Mehrwerte, bevor es vollständig in die Systemlandschaft integriert ist.

Ist das unabhängig von der Unternehmensgröße?

Julian Blum: Unser Standardkunde ist der Mittelstand. Wir sehen gerade bei kleineren Mittelständlern mit etwa 50 Mitarbeitern, dass die im Verhältnis hohe Aufwendungen pro Lieferschein haben, die 7,22 Euro beim 100-Mann-Unternehmen habe ich erwähnt. Bei einem 50-Mann-Unternehmen wären es noch höhere Aufwendungen und die Ersparnis noch größer. Ab zehn Mitarbeitern gibt es in Unternehmen die Prozesse, um unser System einzuführen.

Herr Lohwieser, wie viele HTI-Kunden werden Vestigas denn nutzen können?

Johann Lohwieser: Viele. Die größeren Unternehmen werden sich zuerst organisieren, weil dort die Herausforderungen am gravierendsten sind. Jeder wird und muss seine Prozesse optimieren. Nach der digitalen Rechnungsstellung ist der digitale Lieferschein nur der logische nächste Schritt. Das wird in den nächsten Jahren durch die Decke gehen.

 

Vestigas GmbH

www.vestigas.com

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