Wunder gibt es immer wieder

Europas größte Hub-Drehbrücke sorgt für Lückenschluss

Auf der Wunderline genannten Bahnstrecke zwischen dem niederländischen Groningen und Bremen bildet die Friesenbrücke ein zentrales Bauwerk. 2015 hat ein Frachtschiff die Brücke stark beschädigt – seit 2021 läuft der Brücken-Neubau.

D ie Strecke der niederländisch-deutschen Wunder­line wird in zwei Baustufen modernisiert und ausgebaut. So soll eine höhere mögliche Streckengeschwindigkeit die Reisezeiten verkürzen und durch mehr Züge auf der Strecke größere Kapazitäten geschaffen werden. Für die Umsetzung der Modernisierungs­maßnahmen kamen im Rahmen der Bahndammstabilisierung auf Teilabschnitten, sowohl westlich als auch östlich des Brückenneubaus, vorbeschichtete Spundwanddielen TKL 607 der Stahlgüte S 355 GP sowie unbeschichtete Spundwanddielen TKL 607 der Stahlgüte S 270 GP von Terra Infrastructure zum Einsatz.

 

Modernisierung der Strecke

Mit der Modernisierung der Wunderline soll die Bahnverbindung zwischen dem niederländischen Groningen und Bremen verbessert werden. Auf diese Weise wird die wichtige Verbindung zwischen den beiden Regionen aufgewertet, die seit der Havarie an der Friesenbrücke nicht mehr durchgängig befahrbar war. Die Modernisierung umfasst neben dem Neubau bzw. dem Ausbau einiger Ingenieurbauwerke auch die Gleiskörperanlage. Hierfür wurde die erste Baustufe, die den Bereich zwischen der niederländischen Grenze und Ihrhove betrifft, in mehrere Baulose aufgeteilt, wie Florian Henke, Wilhelm Becker GmbH & Co. KG, erläutert: „Neben dem Los zum Bau der Friesenbrücke gibt es noch die beiden Lose Wunderline Ost und Wunderline West, die jeweils die Abschnitte östlich und westlich der Friesenbrücke betreffen. Bei beiden Losen ist unser Bauunternehmen als Mitglied der Depenbrock Gruppe beteiligt. So errichten wir beispielsweise im östlichen Abschnitt den Ersatzneubau der Eisenbahnunterführung Hilkenborger Straße als Trogbauwerk aus Stahlbeton mit Tiefgründung und einem Stahlüberbau sowie eine rückverankerte Stahlspundwand mit einem Stahlbeton-Kopfbalken als Stützwand auf einer Länge von rund 160 Metern. Im westlichen Abschnitt erstellen wir ebenfalls einen Stahlbeton-Kopfbalken auf einer weiteren rückverankerten Stahlspundwand. Hier mit einer Länge von gut 310 Metern.“

 

Aufgabe der Spundwände

Notwendig werden die beiden rückverankerten Spundwände, da die zukünftige Streckengeschwindigkeit von 100 km/h auf 120 km/h erhöht werden soll. Dies bedeutet, dass der vorhandene Bahndamm in einigen Abschnitten verbreitert werden muss, was aufgrund der örtlichen Begebenheiten aber nicht überall möglich ist. In diesen Bereichen dienen die beiden rückverankerten Spundwände als Absicherung. Während der detaillierteren Planungen ergab sich für den östlichen Bauabschnitt noch eine besondere Herausforderung, wie Terra-Außendienstmitarbeiter Tim Bartels erklärt: „Die kürzere Spundwand östlich der Friesenbrücke grenzt an ein schützenswertes Biotop. Damit die Bauarbeiten in dem Bereich ausgeführt werden konnten, ohne das Biotop negativ zu beeinflussen, wurde eine zweite Spundwand parallel eingebracht und so eine temporäre Arbeitsebene erstellt. Anders wäre beispielsweise die Rückverankerung der eigentlichen Spundwand nicht möglich gewesen.“ Die Dielen für diese Behelfswand sind unbeschichtet und verbleiben nach Abschluss der Baumaßnahme im Bahnkörper und werden lediglich abgebrannt.

Partner für komplexe Bauvorhaben

„Die U-Bohlen werden als Doppelbohle von uns geliefert. Dabei werden zwei Einzelbohlen im Werk ineinander geführt und das Mittelschloss standardmäßig schubfest verpresst. Die Statik für dieses Projekt sah sieben Verpresspunkte pro Meter Spundwanddiele vor und damit mehr als doppelt so viele wie bei durchschnittlichen Projekten. Da kam bei Dielenlängen zwischen 9,50 Metern und 12,70 Metern schon einiges zusammen“, so Bartels. Hier profitierte die Wilhelm Becker GmbH von dem Know-how und der Schlagkraft von Terra Infrastructure. „Wir sehen uns als Projekt- und Lösungspartner, das heißt, bei uns bekommt der Kunde das Produkt oder die Lösung, welches er für sein Projekt benötigt“, resümiert Bartels. Ein Pluspunkt, den Henke in dem Projekt zu schätzen gelernt hat: „Die Behelfsspundwand war in den ursprünglichen Planungen nicht vorgesehen. Hier war Terra Infrastructure unterstützend tätig und hat sowohl die Statik als auch die Ausführungsplanung aus dem firmeninternen technischen Büro geliefert.“ Insgesamt lieferte Terra rund 1400 Tonnen Spundwanddielen TKL 607 der Stahlgüten S 355 GP und S 270 GP für das Projekt. Dabei hat die westliche Spundwand eine Länge von 310 Metern. Im östlichen Bauabschnitt sind beide Spundwände rund 160 Meter lang.

 

Beschichtung im Werk

Nachdem die Profile warm gewalzt und auf einer Einziehanlage zu Doppelbohlen hergestellt waren, wurden sie zur Vorbeschichtung zunächst ins Ruhrgebiet nach Dortmund geliefert. Die Beschichtung dient dem Korrosionsschutz und erhöht die Lebensdauer der Spundwand. „Die Entscheidung für eine werkseitige Vorbeschichtung ist hauptsächlich aus Umweltgründen gefallen“, erläutert Henke. Eine Beschichtung nach Einbau der Dielen auf der Baustelle wäre sehr aufwendig gewesen und die Spundwand hätte zum Strahlentrosten komplett mit einem Zelt eingehaust werden müssen. Zusätzlich wären erhebliche Entsorgungskosten des Strahlgutes entstanden. Sollten bei den werkseitig vorbeschichteten Doppelbohlen Einbauschäden durch den Einbau und/oder Transport entstehen, können diese nachträglich ausgebessert werden. „Hierfür sind dann aber keine Schutzmaßnahmen wie eine Einhausung erforderlich“, so Henke.

In einem ersten Schritt wurden die Doppelbohlen zunächst strahl­entrostet und Schmutz, Fett, Walzzunder und Rost entfernt. Die Beschichtung wurde in mehreren Beschichtungsstärken und Schritten gemäß den Vorgaben des Bauherrn aufgetragen und bestand aus der zinkhaltigen Grundierung (in grauer Farbe), zwei Zwischenbeschichtungen (grün) und einer weiteren Deckbeschichtung (grau). So konnte anhand der Beschichtungsfarbe direkt gesehen werden, in welchem Arbeitsschritt sich die Bohle gerade befand. „Wir haben von Terra Infrastructure die genauen Angaben erhalten, in welchen Bereichen und in welcher Stärke die einzelnen Dielen beschichtet werden sollten“, erklärt Frank Tapken, Geschäftsführer der in Dortmund ansässigen Walter Hartmann Industrie-Großanstriche, maschinelle Sandstrahlentrostung GmbH & Co. KG. Dabei wurden die Stellen, an denen die Ankerstühle für die Rückverankerung auf die Spundwand geschweißt werden, bei der Beschichtung zunächst ausgespart. Die Ankerstühle wurden für die Vorbeschichtung separat nach Dortmund geliefert. Tapken: „Die Ausbesserungsarbeiten der Vorbeschichtung nach Abschluss der Rückverankerung sowie die Deckbeschichtung der Spundwände und der Ankerstühle werden anschließend vor Ort durch unsere Mitarbeiter ausgeführt.“

Voraussichtlich im Sommer 2025 werden die Arbeiten an der ersten Baustufe abgeschlossen sein. Die zweite Baustufe sieht in den Bereichen zwischen der deutsch-niederländischen Grenze und Ihrhove sowie zwischen Stickhausen-Velde und Augustfehn einen zweispurigen Streckenausbau vor. Wenn diese ebenfalls baulich umgesetzt ist, wird zusammen mit der ersten Baustufe die Reisezeit zwischen Bremen und Groningen unter zwei Stunden und 15 Minuten betragen.

 

Terra Infrastructure GmbH

www.terra-infrastructure.com

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