BERLINER GROSSFLUGHAFEN: KATASTROPHE OHNE ENDE

Öffentliche Hand ist ein schlechter Bauherr

Die unendliche Pannenfolge des Flughafens Berlin-Brandenburg hat einen hohen Unterhaltungswert. Allerdings kostet sie die Bürger von zwei armen Bundesländern Milliarden. Das Desaster zeigt, dass bei großen Infrastrukturvorhaben der Staat oft versagt. Eine andere Baukultur muss her.

Die politischen Chefs von Berlin und Brandenburg mussten kleinlaut die dritte Verschiebung der Flughafeneröffnung, diesmal auf den 27.Oktober 2013, ankündigen. Jetzt sind sie ganz reumütig; vor fünf Jahren waren sie noch sehr stolz aufgetreten. Sie hatten den Bau des Terminals neu ausgeschrieben, weil die Angebote bei einer Milliarde Euro lagen, viel mehr als die 620 Millionen, die Bund, Berlin und Brandenburg zahlen wollten. Anfangs hatte Hochtief als Generalunternehmer geboten. Die Bauherren entschlossen sich in einem Anflug von Größenwahn, das Management selbst zu übernehmen. Nach dem Motto: Adieu, Generalunternehmer, das machen wir selbst. Die Gewerke wurden einzeln ausgeschrieben. Das kann bei öffentlichen Vorhaben funktionieren, wenn man wie die Deutsche Bahn über die nötige Projektmanagementkompetenz verfügt. Beim Berliner Flughafen war das aber nicht der Fall. Heute sagt der Sprecher der Flughafen-Geschäftsführung, dessen Entlassung die Berliner Wirtschaft fordert, die Mehrkosten des Terminals lägen bei 1,2 Mrd. Der neue Flughafen dürfte insgesamt mindestens 4,3 Mrd. kosten.

 

Schuster, bleib bei deinen Leisten

In der Baubranche löst das Berliner Spektakel nur Kopfschütteln aus. Bei der Bilanz-Pressekonferenz von Züblin im Mai sagte der Vorstandsvorsitzende Dr. Alexander Tesche, die Flughafengeschichte sei „ein Lehrbeispiel für das Versagen staatlicher Stellen“. Mit einem Generalunternehmer wäre das nicht passiert, sagte er. Er redet nicht von ungefähr, denn Züblin hat den Flugtower in der vorgesehenen Zeit gebaut. Beim Bau der Parkhäuser war Züblin in einer Arbeitsgemeinschaft dabei. Es gab Verzögerungen. Züblin habe deswegen Nachforderungen angemeldet. „Mit staatlichen Stellen gibt es immer Probleme, sagte Tesche, die Flughafengesellschaft verfügt über keinen technischen Apparat, sondern nur über zusammen gewürfelte Einheiten“. Beim Hauptbahnhofsprojekt Stuttgart 21 ist Züblin übrigens für mehrere große Lose Generalunternehmer. Warum beauftragen Politiker ungern Generalunternehmer, obwohl diese doch einen Festpreis garantieren und die Kosten viel genauer einschätzen? Die Antwort liegt auf der Hand. Politiker möchten nicht, dass anfangs ein realistischer, d.h. zu hoher Preis genannt wird. Außerdem kultivieren sie gern ihr übergroßes Ego. Spiegel-Online berichtet über die Forschungen von Werner Rothengatter, einem emeritierten Karlsruher Ökonomen. Mit Kollegen aus Großbritannien und Schweden hat er viele öffentliche Großprojekte weltweit untersucht. Fazit: Kostensteigerungen von 50 % und mehr waren der Normalfall. „Wer ein Projekt von Anfang an ehrlich schätzt, hat wenig Chancen, es auch zu verwirklichen“, so Rothengatter. Oft seien die Politiker nicht mehr im Amt, wenn die Kosten explodieren und außerdem hafteten sie nicht persönlich.

 

Auch ein Demokratie-Defizit

Hier gibt es zwei Schuldige: die Politiker, die zu feige sind, dem Volk den wahren Preis zu nennen, und das Volk, das offensichtlich betrogen werden will. Es gibt es ein Demokratie-Problem. In der Schweiz, der Mutter der direkten Demokratie, müssen große Infrastrukturvorhaben wie der Gotthard-Basistunnel per Plebiszit genehmigt werden. Die Eidgenossen haben dem teuren Basistunnel zugestimmt, der im Zeitplan und im Budget liegt.  Rothengatter kritisiert auch Politiker, die bereits an der Planung und der Ausschreibung sparen. Er empfiehlt das Vorgehen bei der Öresund-Querung. Hier haben drei unabhängige Consultingfirmen die Ausschreibung gemacht. Resultat: die feste Verbindung wurde früher als geplant fertig und blieb unter dem Kostenlimit. Außerdem gab es während des Baus keinen einzigen Rechtsstreit.

 

Hauptverband macht Verbesserungsvorschläge

Mit der gebotenen Diplomatie hat RA Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Bauindustrie, zur Kritik an den öffentlichen Projekten Stellung genommen. Beim Vorstellen der Broschüre „Großprojekte in der Kritik“, sagte er, ausufernde Bauzeiten und explodierende Baukosten seien „kein Schicksal“. Mit intensiverer Projektvorbereitung, besserer Abstimmung von Planen und Bauen und Verzicht auf nachträglichen Planungsänderungen könnten Auftraggeber „selbst dafür vorsorgen, dass Bauprojekte nicht aus dem Ruder laufen“. Der Broschüre, die derzeit im Bundestag verteilt wird, wünscht man eine weite Verbreitung, auch in den Staatskanzleien. Knipper monierte, dass Partnering und Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP), die adäquate Vertragsmodelle für eine Kooperation zwischen Bauherr, Planer und Bauunternehmen bieten, „nur zu selten angewendet würden“. In Deutschland müsse eine Kultur des „Gegeneinanders“ durch eine „Kultur des Vertrauens“ ersetzt werden. Andere Länder wie die USA, Norwegen oder Australien leben es schon vor.




Autor

Marcel Linden, Bonn,

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