Praktische Anwendung der DIN EN 124:2015

Auswirkungen auf Hersteller und Entwässerungsgegenstände

Die neue DIN EN 124:2015 regelt die Anforderungen an Aufsätze und Abdeckungen für Verkehrsflächen. Sie darf jedoch nicht als harmonisierte Norm angewandt werden. Saint-Gobain PAM hat daraufhin eine eigene Qualitätsoffensive entwickelt.

Mehr als 15 Jahre lang haben Experten der Industrie- und Anwenderseite sowie Prüfinstitute und weitere Fachleute aus ganz Europa an der Überarbeitung der EN 124 - „Aufsätze und Abdeckungen für Verkehrsflächen“ mitgewirkt. Diese wurde auf Grundlage der neuen Bauproduktenverordnung (BauPVO) als harmonisierte Norm mit Anhang ZA erarbeitet, von der Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Komitees für Normung (CEN) angenommen und von den CEN Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene veröffentlicht. Die EU-Kommission verweigerte allerdings ihre Zustimmung aus formalen Gründen. Dadurch ist eine offizielle Bekanntmachung weder im Amtsblatt der europäischen Union, noch in Deutschland im Bundesanzeiger erfolgt. Die EN 124 ist also eine in Europa gültige Norm, sie ist aber nicht harmonisiert. Die im Anhang ZA festgelegten Hersteller-Verpflichtungen, Überprüfung neuer Produkte und laufender Prüfung der Produktionsüberwachung durch eine unabhängige Fremdüberwachung haben keine Gültigkeit. Damit darf auch keine CE-Kennzeichnung erfolgen.

In Deutschland ist die EN 124 als DIN EN 124 mit Ausgabedatum September 2015 erschienen. Nach einer Übergangszeit von 2 Jahren (Koexistenzphase) hat sie die alte Fassung DIN EN 124, die 1996 erschien, abgelöst und ist seit März 2017 allein gültig. Was bedeutet dies für einen Hersteller?

Erweiterte Prüfkriterien

Bereits auf den ersten Blick unterscheidet sich die neue DIN EN 124 von der Ausgabe aus dem Jahr 1996: Ihr Umfang wuchs von 18 auf über 200 Seiten. Insbesondere fällt die Untergliederung in sechs Teile und damit die Ergänzung neuer Werkstoffe, die Aufnahme neuer Anforderungen und Prüfverfahren sowie die Konformitätsbewertung nach dem System 1 zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit (AVCP-System) auf, die im Anhang ZA festgelegt sind.

Teil 1 beschreibt die allgemeinen Baugrundsätze, Leistungsanforderungen und Prüfverfahren. Die Teile 2 bis 6 enthalten die Leistungsanforderungen an Abdeckungen und Aufsätze aus spezifischen Werkstoffen.

Neben den bekannten Prüfverfahren wie z.B. der Prüfung der bleibenden Verformung oder der Tragfähigkeit definiert die DIN EN 124-1:2015 neue, zusätzliche Prüfungen wie: „Prüfung zur Bestimmung des Griffigkeitsbeiwertes von unpolierten Schachtabdeckungen (USRV)“.

Erstmals wurde über die Anforderungen an die Oberflächenbeschaffenheit hinaus, auch ein Prüfverfahren zur Bestimmung der Rutschsicherheit normativ aufgenommen. Das Prüfverfahren kommt zur Anwendung, wenn die Deckeloberfläche weder aus Beton besteht, noch mit einem definiert erhabenen Muster strukturiert ist oder eine grob strukturierte Oberfläche aufweist.

„Prüfung des Kippverhaltens“

Das Kippverhalten eines Deckels/Rostes im Rahmen ist ein wichtiger Aspekt für die Betriebs- und Verkehrssicherheit von Schachtabdeckungen und Aufsätzen. Es geht darum, Anforderungen an die ruhige Lage und das sichere Verhalten im Rahmen zu definieren und anhand des Prüfverfahrens nachzuweisen.

„Prüfung der Sicherung von Deckeln/Rosten im Rahmen“

oder „Prüfung der Kindersicherheit“

Die Anforderung zur Sicherung bzw. die Festlegung verschiedener Methoden von Deckel/Rost im Rahmen gab es bereits in der ersten Auflage der EN 124. Neu ist jedoch die Prüfung selbst, bei der das Gewicht bzw. die Auszugskraft festgestellt wird und dann in der Leistungserklärung deklariert werden muss.

Die verkehrssichere Lage kann durch eine der folgenden Methoden erreicht werden:

a) eine Sicherungsvorrichtung (z.B. Verschraubung,

Verriegelung, ...)

b) eine flächenbezogene Masse (u.a. „Einheitsgewicht“)

c) andere Methode (z.B. Deckel mit Scharnier oder andere

Bauform)

Die Viatop Schachtabdeckungen von Saint-Gobain PAM sind nach Methode c) konstruiert, d.h. die verkehrssichere Lage wird weder durch eine Sicherungsvorrichtung noch eine flächenbezogene Masse („schwerer Deckel“) erreicht. Das Sicherheitsprinzip von Viatop Schachtabdeckungen beruht dabei auf einem optimierten Deckelgewicht in Verbindung mit einem freigelagerten Gelenk mit variablem Drehpunkt sowie einer dämpfenden Elastomereinlage. Zudem ermöglicht das Design der Einlage im geschlossenen Zustand eine vollständige Trennung von Deckel und Rahmen. Bei dynamischem Lasteintrag erfolgt eine Absenkung des Deckels mit einer Komprimierung der Einlage. Kräfte werden sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung abgeleitet.

Die Teile 2 bis 6 der EN 124 ergänzen den Teil 1 und definieren die jeweiligen werkstoffspezifischen Leistungsanforderungen. Die Ergänzung neuer Werkstoffe für Aufsätze und Abdeckungen neben Gusseisen, Stahl und Stahlbeton bieten neue Perspektiven und eine breitere Auswahl an Produkten.

Neu ist ebenfalls die Konformitätsbewertung von Schachtabdeckungen und Aufsätzen. Sie wird anhand eines „Verfahrens zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit“ (AVCP-Systeme) der EU-Bauproduktverordnung (BauPVO) durchgeführt. Dazu werden im Anhang ZA die Abschnitte der Norm festgelegt, die die Grundlage der CE-Konformitätserklärung darstellen. Mit einer CE-Konformitätserklärung bestätigt der Hersteller die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen, die in den Harmonisierungsrechtsvorschriften festgelegt sind. Darüber hinaus deklariert der Hersteller mit der Leistungserklärung (DoP), dass die Eigenschaften der gelieferten Produkte der erklärten Leistung entsprechen. Auf  Basis dieser Leistungserklärung muss der Hersteller eine CE-Kennzeichnung seiner Produkte vornehmen, damit das Bauprodukt in Verkehr gebracht werden darf.

Die EU-Kommission hat jedoch anders entschieden und die EN 124 aus formalen Gründen - hauptsächlich aufgrund der Klassifizierung von Schachtabdeckungen - im Amtsblatt der EU nicht bekannt gegeben. Damit ist die DIN EN 124-1 bis -6 zwar veröffentlicht, sie darf allerdings nicht als harmonisierte europäische Normen angewendet werden. Dies bedeutet insbesondere, dass der Anhang ZA nicht gültig ist. Produkte dürfen das CE-Kennzeichen nicht tragen. Derzeit besteht also für den Hersteller normativ keine Verpflichtung, die Herstellung seiner Produkte zu überwachen. Damit hat im Vergleich zur alten Fassung eine Absenkung des Qualitätsniveaus stattgefunden. Die Hersteller sind nun gefragt das Vertrauen des Kunden in ihre Produkte weiterhin zu erhalten und zu stärken.

Warum werden Schachtabdeckungen und Aufsätze

von Saint-Gobain PAM weiterhin zertifiziert?

Eine Zertifizierungsstelle ist eine unabhängige Organisation, die für die Zertifizierung von Produkten, Prozessen und/oder Dienstleistungen in bestimmten Bereichen und der dazugehörigen Vergabe von Zertifikaten zuständig ist. Regelmäßige Audits und die Ausstellung von Zertifikaten bestätigen, dass z.B. das geprüfte Produkt die Anforderungen eines bestimmten Regelwerkes und/oder einer Norm erfüllt. Weiterhin kann eine Zertifizierungsstelle zusätzliche Anforderungen in einem Zertifizierungsprogramm festlegen, die über die allgemeinen Anforderungen eines Regelwerkes und/oder Norm hinausgehen. Mithilfe einer Zertifizierungsstelle lässt z.B. ein Kanalgusshersteller seine Schachtabdeckungen und Aufsätze von einer Dritten unabhängigen Organisation oder Person nach einer bestimmten Norm bzw. einem bestimmten Zertifizierungsprogramm zertifizieren.

Dessen Grundlage ist zum einen die Prüfung und Bestätigung der Konformität der Produkte mit der DIN EN 124 und zum anderen die Erfüllung der Güte- bzw. Zertifizierungsrichtlinien. Neben Laborprüfungen werden zusätzliche, praxisgerechte Prüfungen, wie z.B. Straßentests, Funktionsprüfungen der Belastung von Deckel/Rosten durch Öffnungs- und Schließzyklen etc. durchgeführt.

Ziel der Straßentestes ist es, die Produkte vor Markteinführung einer praxisgerechten Bewährungsprüfung ihres dynamischen Verhaltens zu unterziehen. Die Schachtabdeckungen und Aufsätze der Klassen D400 bis F900 werden dafür in einer öffentlich befahrenen Versuchsstrecke eingebaut. Diese muss mindestens als Bundes- oder Landstraße mit einem entsprechenden Verkehrsaufkommen klassifiziert sein. Das Produkt muss auf der Strecke so platziert sein, dass es in einer Fahrspur eingebaut und ständig überfahren wird. Der Beobachtungszeitraum beträgt mindestens 3 Monate und kann je nach Bedarf verlängert werden. Der Versuchsablauf sowie die Prüfungen werden im Detail im Zertifizierungsprogramm der DIN Certco festgelegt. Über diese Prüfperiode hinweg müssen die Schachtabdeckungen und Aufsätze in einem regelmäßigen Rhythmus untersucht werden. Dabei werden z.B. die Stabilität, das Verhalten von Deckel/Rost im Rahmen, die Mörtelfuge, die Elastomereinlage sowie die Verkehrssicherheit der Schachtabdeckung überprüft. Zusätzlich werden noch ein „Bremstest“ und ein „Anfahrtest“ durchgeführt. Beim Bremstest wird ein LKW mit zul. Gesamtgewicht von mind. 10 t aus einer zul. Höchstgeschwindigkeit über dem zu prüfenden Kanalgussprodukt bis zum Stehen heruntergebremst. Darüber hinaus wird der LKW beim Anfahrtest auf dem Kanalgussprodukt stehend maximal möglich beschleunigt. Die Ergebnisse der Straßentests werden zusammen mit einem unabhängigen Fremdüberwacher dokumentiert.

Ziel einer Zertifizierung ist es, die Übereinstimmung mit festgelegten Anforderungen zu dokumentieren und dem Anwender die nötige Hilfestellung bei der Wahl eines Produktes zu geben. Das Zertifizierungsprogramm der DIN Certco  bestätigt zum einen die Konformität zur DIN EN 124 und steht zum anderen für weitere hohe technische Anforderungen an Schachtabdeckungen und Aufsätzen.

Welche herstellerspezifischen Anforderungen werden von Saint-Gobain PAM berücksichtigt?

Nicht erst vor der Markteinführung, sondern bereits in der Entwicklungsphase werden im Technologiezentrum von Saint-Gobain PAM neue Produkte einer Vielzahl von Prüfungen und Tests unterzogen. Dazu gehören beispielsweise intensive Prüfungen der Entwässerungsleistung von Aufsätzen oder ein Langzeit-Überfahrtest für Schachtabdeckungen („Karusselltest“).

Die Leistungsfähigkeit in Bezug auf das Schluckvermögen von Entwässerungsprodukten wird mit Hilfe eines physikalischen Versuchsmodells, einer sogenannten „Absorbtionsbank“ ermittelt. Diese simuliert einen rund 10 m langen Rinnenbereich einer Straße. Dabei kann nicht nur das Längs- und Quergefälle, sondern auch der Zufluss variabel eingestellt werden, sodass unterschiedliche Regenereignisse mit einer Wassermenge bis max. 180 m³/h simuliert werden können. Der Karusselltest ist eine Versuchsanordnung, bei der Produkte der Klasse D400 in einer Fahrbahn eingebaut und von einem LKW-Radsatz mit einer Radlast von 8 Tonnen und einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 60 km/h über einen gewissen Zeitraum überfahren werden. Dies entspricht etwa 6.000 Schwerlast-Überfahrten pro Tag. In der Entwicklungsphase werden alle Produkte mit diesem „beschleunigten Verschleißtest“ geprüft. Dabei werden die dämpfende Funktion sowie die Widerstandsfähigkeit der Einlage, die Griffigkeit und Rutschsicherheit der Oberfläche, die Funktion des Gelenkes/Scharniers (Öffnen und Schließen) sowie die Stabilität und Dauerhaftigkeit der Produkte geprüft.

Fazit

Die neue DIN EN 124:2015 regelt auch weiterhin die grundlegenden Anforderungen an Aufsätze und Abdeckungen für Verkehrsflächen. Sie darf jedoch nicht als harmonisierte Norm angewandt werden. Damit entfallen die im Anhang ZA beschriebene CE-Kennzeichnung in Verbindung mit der Leistungserklärung des Herstellers sowie zur Qualitätssicherung erforderliche Verfahrensweisen wie die Typprüfung von Produkten und die Fremdüberwachung der werksinternen Produktionskontrolle durch unabhängige Dritte.

Hier sind die Hersteller mehr denn je gefordert. Saint-Gobain PAM unterzieht seine Produkte eigenen intensiven und praxisgerechten Untersuchungen und lässt sie darüber hinaus von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle prüfen und bewerten. Mit dem Zertifizierungsprogramm der DIN Certco Gesellschaft für Konformitätsbewertung mbH bietet Saint-Gobain PAM Deutschland seinen Kunden ein DINplus zertifiziertes Produktprogramm, das für Qualität, Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit steht.

M. Sc. Stéphane Kremer,

Saint-Gobain PAM Deutschland GmbH, Saarbrücken

Tel.: 0681 / 8701 - 200, E-Mail:

www.pamline.de

Literatur
– EN124:2015 - Aufsätze und Abdeckungen für Verkehrsflächen -
Teil 1:
– Definitionen, Klassifizierung, allgemeine Baugrundsätze, Leistungsanforderungen und Prüfverfahren
– EN 124:2015 - Aufsätze und Abdeckungen für Verkehrsflächen -
Teil 2: Aufsätze und Abdeckungen aus Gusseisen
– DIN Certco Zertifizierungsprogramm  Kanalguss, Stand:
März 2017
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