KOMMUNALE BRÜCKEN  UND STRASSEN

Instandhaltungs-Stau vorbeugen und auflösen

Ein großer Teil der deutschen Straßen und Brücken befindet sich in einem schlechten Zustand. Steigende Verkehrslasten und zunehmendes Alter der Bauwerke erfordern Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen. Den Kommunen fehlen meist die Mittel, um durch Neu- oder Ersatzbauten Abhilfe zu schaffen. tHIS sprach mit Dr.-Ing. Karsten P. Gruber, Geschäftsführer der Planungs- und Ingenieurgesellschaft Grontmij GmbH über mögliche Lösungen.

tHIS: Klamme Kassen und fehlende Finanzmittel, um in die marode Infra-
struktur zu investieren, denn Schuldenabbau geht oft vor. Welchen Ausweg gibt es Ihrer Erfahrung nach? Welche Ansatzpunkte haben Städte und
Gemeinden?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Sobald Verkehrsadern nicht mehr nutzbar sind, muss kurzfristig reagiert werden. Das hebelt oftmals die ursprüngliche
Budgetplanung für die Infrastruktur in den Kommunen aus. Immer mehr Geld fließt in unaufschiebbare, kurzfristige Reparaturarbeiten, während immer weniger langfristige Investitionen in Erhalt und Neubau möglich sind. Eine Spirale, die dazu führt, dass am Ende nur noch „Löcher gestopft“ werden – was die Kommunen unterm Strich teuer zu stehen kommt. Sich mit präventiver Langzeitplanung auseinanderzusetzen heißt, diese Spirale ‒ auch gedanklich – zu verlassen. Ein Perspektivwechsel hilft den Kommunen mittelfristig, den Trend zur ausschließlichen Reparatur zu unterbrechen und die wichtigsten Projekte frühzeitig anzugehen. Nutzbarkeit und Sicherheit sind dabei oberstes Gebot. Ein offener Blick auf die Infrastrukturaufgaben für Straßen, Brücken und Tunnel erlaubt der jeweiligen Gemeinde, sich einen Überblick über alle Notwendigkeiten zu verschaffen und diese in einer Investitionsstrategie zu berücksichtigen. So entsteht ein Fahrplan für Aufgaben und Ausgaben, der regelmäßig überprüft und angepasst werden kann. Auch bei knappen kommunalen Budgets kann auf diese Weise zielgerichtet ermittelt werden, wo Sanierung und Erneuerung am dringlichsten sind, und wo zumindest erhalten werden sollte, um deutlich höhere Folgekosten zu vermeiden.

tHIS: Kommunen sind unterschiedlich groß und haben unterschiedliche finanzielle und personelle Voraussetzungen. Welche Rolle spielt das?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Was in Bezug auf die finanzielle, technische sowie personelle Ausgangssituation jeweils sinnvoll und möglich ist, variiert von Region zu Region und von Kommune zu Kommune. In jedem Fall entsteht auf Basis der Analysen und Bewertungen eine tragfähige Entscheidungsgrundlage für alle Städte und Gemeinden.

tHIS: Schaden ist nicht gleich Schaden. Muss ein Schlagloch am Wegesrand oder bröckelnder Putz an einer Brücke direkt angegangen werden? Ab wann wird es kritisch? Ab wann lohnt sich das Eingreifen?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Der Trend zum kurzfristigen Reparieren ist sicherlich nicht von heute auf morgen umkehrbar; dennoch ist jeder verfügbare Euro besser vorausschauend in langfristige Erhaltung als in hastiges Flickwerk investiert. Oft fördert der kritische Blick auf spezifische Einzelheiten Überraschendes darüber zu Tage, was Kommunen im Zuge ihrer alltäglichen Aufgaben leisten können, um Nutzungsdauern auszuweiten, Schäden vorzubeugen und Gefahren abzuwenden. Das beginnt bei der Materialwahl und reicht über den betrieblichen Unterhalt bis hin zu baulichen Maßnahmen.

tHIS: Welche Eckpfeiler sollte eine optimale Planung

beinhalten?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Prävention bedeutet Kosten einzusparen durch die rechtzeitige Prüfung, wie viel Geld wann und wo benötigt wird. Dabei reicht der alleinige Blick auf den optimalen Eingriffszeitpunkt nicht aus, denn ausschlaggebend sind am Ende die verfügbaren Finanzmittel der Kommunen. Es gilt, Erhaltungszustände, Reparaturnotwendigkeiten und das vorhandene Budget gleichermaßen zu berücksichtigen, um trotz knapper Kassenstände vorausschauend und nachhaltig zu agieren. Schon deshalb erweist sich ein interdisziplinärer Blick auf die Herausforderungen vor Ort als sinnvoll.

tHIS: Wie kann eine Kommune alle Straßen im Blick behalten? Wie aufwendig ist die Erfassung des Straßennetzes?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Dank technischer Methoden lassen sich heute die Zustandsdaten des Straßennetzes exakt erfassen. Die Bestandsdaten lassen sich direkt in Geoinformationssysteme (GIS) übernehmen, so dass für das gesamte Gemeindegebiet ersichtlich wird, wo welche Arbeiten in welchem Zeitraum notwendig werden. Diese optische Darstellung in aktuellem Kartenmaterial ist eine hilfreiche Grundlage für Gremienbeschlüsse, da dies den geplanten Mitteleinsatz transparent macht. Bei Bedarf kann eine Straßendatenbank angelegt werden, oder vorhandene Daten werden fortgeschrieben. In Deutschland bietet die Grontmij solche Messungen an.

tHIS: Was gilt für Brücken und Tunnel?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Auch für Bauwerke führt Grontmij entsprechende Messungen durch und zeigt den Kommunen Alternativen auf, die den Zustand der Erhaltung, die notwendigen Reparaturen und die finanziellen Mittel gleichermaßen würdigen. Im Zusammenhang mit der Dringlichkeitsbewertung können Tragfähigkeitsmessungen erfolgen, das Infrastrukturvermögen bewertet und der Aufwand für den Unterhalt errechnet werden. Auf Basis dieser Messungen entsteht eine tragfähige Entscheidungsgrundlage für die Städte und Gemeinden.

tHIS: Wie sieht es mit den Entwässerungseinrichtungen aus?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Die Situation der Entwässerungseinrichtungen unter oder neben den Wegen ist mit denen der Straßen oder Bauwerke zu vergleichen – größtenteils jedoch leider unsichtbar unter der Erde. Auch hier wurde teilweise über einen langen Zeitraum „auf Verschleiß gefahren“. Die bereits beschriebenen Konzepte lassen sich 1:1 auf diese wichtigen Teile der Infrastrukturnetze übertragen. Grontmij verfügt auch hier über die notwendigen Erfahrungen und geschulten Fachleute.

tHIS: Wie lassen sich innerhalb eines engen
Kostenrahmens Infrastrukturmaßnahmen durchführen?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Der Trend zum ausschließlichen „Löcher stopfen“ muss gestoppt werden. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn es reicht nicht aus, den optimalen Eingriffszeitpunkt zu kennen. Am Ende bestimmen die verfügbaren Mittel der Gemeinden über das, was tatsächlich machbar ist.

Genau hier ist die Diagnose entscheidend: Wie setze ich das Geld am sinnvollsten ein? Wo setze ich Prioritäten? Was kann noch ohne Schaden warten? Wer trotz knapper Kassenstände nachhaltig agieren möchte, muss Erhaltungszustände, Reparaturnotwendigkeiten und Budgets zu gleichen Teilen berücksichtigen. Nur dann lassen sich deutlich höhere Folgekosten vermeiden.

tHIS: Oft reicht das vorhandene Budget nur für einen Teil der Sanierungen, während woanders die Infrastruktur weiter verfällt. Ist dieser Trend aufzuhalten?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Straßen- und Bauwerksprüfungen, die Grontmij für Kommunen vornimmt, beinhalten auch Konzepte zur Sanierung und Instandsetzung. Im Hinblick auf die Finanzlage der Kommunen lässt sich die Instandsetzung dabei auch etappenweise realisieren, ohne dass die Qualität darunter leidet. So werden beispielsweise bei einer Brücke mit Instandsetzungsbedarf im ersten Jahr nur die Randwegkappen der Gehwege erneuert, im Folgejahr dann weitere Elemente. Die Planung erfolgt in Gesamtpaketen, die sich in sinnvolle Einzeletappen untergliedern. So erhalten die Kommunen Planungssicherheit, während die Kosten über mehrere Jahre hinweg gestreckt und zugleich solide Instandsetzungen realisiert werden. Wer gleich für mehrere Straßen oder Ingenieurbauwerke gemeinsam solche Sanierungspakete schnürt, kann weitere Kosten sparen, da sich notwendige Arbeiten dann von vornherein bündeln und abstimmen lassen.

tHIS: Wie steht es um die Zukunft der Infrastruktur?

Dr.-Ing. Karsten P. Gruber: Nachhaltige Infrastrukturkonzepte berücksichtigen neben einer strukturierten Erhaltung und Erneuerung auch Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Bürger oder neuartige Vernetzungen ‒ z. B. von Rad(schnell)wegen und öffentlichem Nahverkehr. Das zukünftige Ziel ist es, den langfristigen Bedürfnissen aller Verkehrsteilnehmer bestmöglich gerecht zu werden, ohne den finanziellen Rahmen der Kommunen zu sprengen. Ein Umdenken eröffnet den Städten und Gemeinden hier Perspektiven.

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