Durchdachte Wasserbewirtschaftung

Speziallösung mit Hydrotec Standardprodukten

Die nordrhein-westfälische Stadt Kamp-Lintfort zeigt, wie eine zukunftsorientierte Stadt- und Siedlungsentwicklung unter Berücksichtigung einer wassersensiblen Straßenraumgestaltung mit oberflächennaher Entwässerung aussehen kann.

Die Zunahme versiegelter Flächen in den letzten Jahren hat signifikante Auswirkungen auf den Wasserhaushalt von Städten und Gemeinden. Konsequenzen wie die Verringerung der Grundwasserneubildung, ein verändertes Lokalklima durch fehlende Verdunstung infolge des Oberflächenabflusses und die Gefahren von Hochwasserspitzen stellen die Verkehrsplaner vor neue Aufgaben. Begünstigt werden diese Nachwirkungen der bereits vorhandenen Versiegelungen durch den stetigen Ausbau der Straßenverkehrsflächen, einem wachsenden Bedarf an Siedlungsflächen und dem prognostizierten, wenn nicht bereits existenten Klimawandel.

Wie eine zukunftsorientierte Stadt- und Siedlungsentwicklung unter Berücksichtigung einer wassersensiblen Straßenraumgestaltung mit oberflächennaher Entwässerung aussehen kann, zeigt die Bauleitplanung der nordrhein-westfälischen Stadt Kamp-
Lintfort.

„Wohnen am Volkspark“

Zur Ergänzung des Wohnraumangebots in Kamp-Lintfort wurden bereits 2011 erste Konzepte zur Bebauung eines ungenutzten Grünareals am Volkspark entwickelt. Mit dem seit Anfang 2015 rechtskräftigen Bebauungsplan LIN 153 entstand auf dem ca. 5,4 ha großen Areal im Verlauf der letzten Jahre ein attraktives Wohnquartier, das dem Stadtentwicklungsplan Kamp-Lintfort 2020 Rechnung trägt. Definiert wurden die Ansprüche der Stadtplaner bei der Realisierung des Projekts mit der Integration des neuen Wohngebiets in die umgebende Bestandsituation der Altsiedlung, einem eigenständigen Charakter und individuellen Wohnbereichen, gepaart mit großzügigen Grünbereichen und einer soliden, verträglichen Verkehrsinfrastruktur.

Heute, fast zehn Jahre nach den ersten städteplanerischen Entwürfen, können die Kamp-Lintforter stolz auf das attraktive Wohngebiet mit guter Verkehrsanbindung und einem weitreichendem Freiraumangebot sein. Auf Basis eines Gestaltungskonzepts, das Architektur, Straßenraum und Grün genauso wie die Integration der historischen Bestandsbauten festsetzte, entstanden auf den ca. 70 Grundstücken, in Zusammenarbeit mit den Bauherren, Architekten und Investoren, Eigenheime mit einem in sich stimmigen Erscheinungsbild bei größtmöglicher Individualität.

Mit entscheidend für den heutigen Charakter des Wohngebietes waren neben dem Gestaltungskonzept, das gestalterische Regelungen für Dächer, Fassaden, Begrünung, Garagen etc. vorsieht, auch die Straßenraumgestaltung und die Entwässerungsplanung für die Baugrundstücke mit einer dezentralen naturnahen Regenwasser-Bewirtschaftung.

Grundlagen schaffen, mit Bedacht planen

Noch bevor der Bebauungsplan in Kraft trat, wurde für die ungenutzte Grünfläche „Volkspark“ in Kamp-Lintfort ein Gutachten über die Versickerungsfähigkeit des Untergrundes in Auftrag gegeben. Dieses sollte Informationen zum Baugrund, zur möglichen Versickerungsart und zur Bauausführung der Versickerungseinrichtungen liefern. Mehrere Rammkernsondierungsbohrungen bis in jeweils 4,0 m Tiefe gaben Aufschluss über den Durchlässigkeitsbeiwert des Baugrundes.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Grundwasser bis zu den Endteufen von maximal 4,0 m unter Gelände nicht vorhanden war. Das Ergebnis der Untersuchungen zeigte Baugrundverhältnisse auf, die eine Versickerung des Niederschlagswassers über Rohrrigolen oder Muldenrigolen nach DWA-Arbeitsblatt A 138 („Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser“) in den durchlässigen, lehmfreien Sanden zulassen. Somit stand der Planung und Umsetzung einer dezentralen Versickerung des anfallenden Niederschlagswassers auf den Grundstücken gemäß § 51a Landeswassergesetz NRW (Stand 2009) nichts im Wege.

Trennen spart nicht nur Geld, es schont auch die Umwelt

Wie viele Städte und Gemeinden verfügt auch Kamp-Lintfort über ein Trennsystem mit getrennten Leitungs- und Kanalsystemen für die Ableitung von Schmutz- und Regenwasser. Die Stadt erhebt getrennte Abwassergebühren für die Beseitigung von Schmutz- und Niederschlagswasser (Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln). Während sich die Schmutzwassergebühr nach dem Frischwassermaßstab bemisst, wird die Niederschlagswassergebühr auf Grundlage der Quadratmeter der bebauten und/oder versiegelten Fläche auf den angeschlossenen Grundstücken, von denen Niederschlagswasser abflusswirksam in die gemeindliche Abwasseranlage gelangen kann, bemessen.

Jedoch ist nach § 51a Landeswassergesetz (LWG NRW) Niederschlagswasser von Grundstücken, die erstmals bebaut werden, zu versickern, zu verrieseln oder ortsnah einem Vorfluter zuzuführen, sofern dies ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit möglich ist. Somit bestand auch für die Eigentümer der Grundstücke im Neubaugebiet „Wohnen im Volkspark“ die Verpflichtung, geeignete Maßnahmen zu planen und zu realisieren. Mit der Niederschlagswasserbeseitigung vor Ort, also auf dem Grundstück, entfallen einerseits die Niederschlagswassergebühren, andererseits leistet jeder Eigentümer einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Umwelt. Denn durch das Einsickern des Regenwassers in den Boden wird der Oberflächenabfluss erheblich verzögert und gleichzeitig werden die Grundwasserneubildung und die Verdunstung erhöht, was wiederum zur Verbesserung des Kleinklimas beiträgt.

Regenwasserbewirtschaftung in urbanen und ländlichen Bereichen

Die wesentlichen Unterschiede zwischen der Regenwasserbewirtschaftung in urbanen und ländlichen Bereichen ergeben sich aus den zur Verfügung stehenden und benötigten Flächen für Kanalnetze und den Möglichkeiten für gebäude- oder grundstücksbezogene dezentrale Maßnahmen. Während man meinen könnte, dass in ländlichen Bereichen genügend Flächen für ein Kanalnetz zur Verfügung stünden, ist dies sicher durch entsprechende Eigentumsverhältnisse – wie auch im urbanen Bereich – eingeschränkt. Gegebenenfalls können sich kurze Leitungslängen zum Vorfluter im außerstädtischen Bereich positiv auswirken.

Ob im Stadtgebiet oder auf dem Land, dezentrale Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung entlasten die Abwasserentsorgung, verbessern die Gewässerqualität, das Klima und die Lebensqualität. Dabei können Gründächer, Versickerungsmulden, Teiche, wasserdurchlässige Flächenbefestigungen sowie Stauräume auch im Straßenbereich einen wesentlichen Beitrag leisten.

Grundwasser-Neubildung und Reduzierung von Abflussspitzen

Ohne Frage ist das Neubaugebiet in Kamp-Lintfort ein positives Beispiel zur Reduzierung der Regenwasserableitung. Hier wurden unter Beachtung der Kenntnisse zur Hydrogeologie und zur Bodenqualität bereits in der Bau- und Erschließungsphase geeignete Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung berücksichtigt, so dass sich sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht eine Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Situation ergab.

Die hier genutzten Möglichkeiten, wie die Versickerung über Mulden und Rigolen, tragen direkt zur Grundwasserneubildung und zur Reduzierung der Abflussspitzen bei. Während das anfallende Regenwasser von Dächern und befestigten Flächen der Grundstücke in Rigolen mit einem Volumen von ca. 5,4 m³ (bei 200 m² angeschlossener Fläche) auf den Grundstücken versickert, wird das Oberflächenwasser der Verkehrsflächen in eine zentrale Mulde am Rande des Baugebiets, die auch als Freizeitfläche genutzt werden kann, geleitet. Bei der Rigolenversickerung wird das Regenwasser in einen unterirdisch angelegten Speicherkörper geleitet, dort zwischengespeichert und entsprechend der Durchlässigkeit des Bodens zeitverzögert in den Untergrund versickert. Bei der angelegten Mulde hingegen wird das Regenwasser von den versiegelten Flächen der Straßen, Wege und Plätze in eine flache, mit Gras bewachsene Bodenvertiefung geleitet, kurzfristig gespeichert und in den anstehenden Boden versickert.

Dem Wasser den richtigen Weg aufzeigen

Regenwasserbewirtschaftung im urbanen Bereich stellt hohe planerische Anforderungen an die Kommunen. Gleichzeitig bieten sich jedoch umfangreiche Möglichkeiten der Stadt- und Freiraumgestaltung und der Reduzierung von Überflutungsgefahren in Gebäuden und der Infrastruktur (Hochwasservorsorge). Wurde in den letzten Jahrzehnten versucht das anfallende Niederschlagswasser schnellstmöglich der Kanalisation bzw. einem Vorfluter zuzuführen, ist heute die Versickerung auf dem Grundstück bzw. in öffentlichen Bereichen und die Schaffung von Retentionsflächen oberstes Ziel. Um zu verhindern, dass das Oberflächenwasser sich dahin eigene Wege sucht, sind Konstruktionen notwendig, die eine zielgerichtete, schnelle Ableitung gewährleisten. Dies können Bordrinnen, Muldenrinnen, Pendelrinnen, Kastenrinnen oder Schlitzrinnen sein, die das Wasser von der Straße fernhalten und sicher abführen.

Sicher und schnell entwässern, auch bei stark belasteten Flächen

Im Zuge der Entwässerungsplanung für die Verkehrsflächen im Baugebiet „Wohnen am Volkspark“ wurde eine in Kamp-Lintfort bewährte Straßenrandentwässerung vorgesehen. Zur Ausführung kam das Linienentwässerungssystem MAXI des Herstellers Hydrotec aus Wildeshausen. Abhängig von den hydraulischen Leistungsanforderungen wurden Rinnenelemente mit vier verschiedenen Nennweiten (NW 100 bis 300) installiert.

Setzte man in Kamp-Lintfort bislang auf Entwässerungsrinnen mit verschraubten Abdeckrosten, konnte die Kastenrinne mit schraubloser Arretierung Planer, Bauausführende und Anwohner überzeugen. Die aus faserverstärktem Beton C35/45 hergestellten Rinnenkörper können aufgrund eines 5 mm starken Kantenschutzes und der robusten Abdeckungen aus duktilem Gusseisen für Fahrbahnen von Straßen, Industrieflächen mit Schwertransport und auch Flugbetriebsflächen und Häfen mit hohen Radlasten (250 kN bis 900 kN Prüflast nach DIN EN 1433) eingesetzt werden. Durch acht Schubsicherheitspunkte pro lfm werden z.B. Bremskräfte in Längsrichtung aufgenommen und abgetragen. Verankerungsrippen gegen „Aufschwimmen“ sowie Vorformungen für senkrechte Abläufe DN 100/150 komplettieren die vorteilhaften Eigenschaften des Entwässerungssystems MAXI.

Die installierte Straßenrandentwässerung übernimmt im Neubaugebiet „Wohnen am Volkspark“ auch die Aufgabe von Straßenabläufen, über die bei konventioneller Anwendung das Oberflächenwasser aufgenommen wird. Über die Rinnenelemente mit Nennweite 300 gelangt das Wasser über einen Sinkkasten in die kurze Kanalleitung, die in der Mulde mündet.

Gut aufgestellt, mit Standard- und

Individuallösungen

Seit mehr als 50 Jahren ist das Kerngeschäft von Hydrotec die Produktion und der Vertrieb von Kanalgussartikeln und Entwässerungstechnik. Die Produktpalette umfasst neben Entwässerungsrinnen, Schachtabdeckungen und Straßenkappen auch Produkte für den GaLaBau. Das weltweit agierende Unternehmen bietet Standardlösungen, sieht jedoch in der Entwicklung von Individuallösungen eine ihrer wichtigsten Aufgaben.

„Eine Standardlösung hat unter Beweis gestellt, dass sie funktioniert und die gestellten Anforderungen erfüllt. Die Entwicklung ist abgeschlossen und die Produktionskosten sind ermittelt. Es gibt also kaum mehr Planungsunsicherheiten, ob beim Hersteller, Planer oder Verarbeiter. Eine Standardlösung kann aber nicht immer auf jedes Projekt zugeschnitten sein“, sagt Hydrotec-Gebietsleiter Matthias Schröer, der das Bauvorhaben „Wohnen am Volkspark“ von Beginn an begleitet hat. „Dieser Herausforderung stellten wir uns auch in Kamp-Lintfort, wo Produkte projektspezifisch modifiziert bzw. ergänzt werden mussten. Wir sehen in der Flexibilität unserer Entwicklungs- und Produktionsabteilungen wesentliche Vorzüge für die am Bau Beteiligten, aber auch für uns im Hinblick auf Wettbewerbsvorteile. Die Entwicklung von Individuallösungen, gerade im Bereich der Regenwasserbewirtschaftung, kann aber nur dann funktionieren, wenn eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Stadtplanern, Fachplanern, Bauausführenden und der Industrie gegeben ist. Das Projekt „Wohnen am Volkspark“ macht deutlich, dass aus konstruktiven Gesprächen, klar definierten Anforderungen und den daraus entwickelten Lösungen die Zufriedenheit aller Beteiligten wächst. Wir verstehen uns bei derartigen Aufgaben auch als Dienstleister, der in der Lage ist, von der Vorplanung bis hin zur Lieferung, Beratung und Betreuung auf der Baustelle tätig zu werden“, resümiert Matthias Schröer.

Hydrotec Technologies AG

www.hydrotec.com

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