Der dichte Hausanschluss!

Der dichte Hausanschluss – gerade in NRW ein kontrovers diskutiertes Thema. Hierzu Dipl.-Volkswirt Horst Zech, Geschäftsführer des RSV, im Gespräch mit Professor Dr.-Ing. Horst Görg von der Universität Siegen, Fachgebiet Abwasser- und Abfalltechnik.

Horst Zech: „Der Countdown läuft. Bis 2015 sollten ursprünglich alle privaten Grundstücksentwässerungsanlagen in Nordrhein-Westfalen auf Dichtheit geprüft sein. Ist das überhaupt noch möglich?“

Prof. Görg: „Strategien und deren Umsetzung benötigen Zeit und angepasste Planungen, insbesondere wenn unterschiedliche Interessengruppen beteiligt sind. Zudem ist die Thematik Grundstücksentwässerung überaus vielschichtig, es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man mit dem Problem umgehen kann. Nach dem Wasserhaushaltsgesetz (Bundesgesetz) ist der Grundstückseigentümer, also meist ein Privatmann, für den einwandfreien Betrieb seiner Abwasserleitung verantwortlich. NRW hat bundesweit eine Vorreiterrolle übernommen. Der Termin 2015 wird sich jedoch nicht überall einhalten lassen, die Verlängerung bis 2023 ist schon in Satzungen einiger Kommunen aufgenommen.“

Horst Zech: „Können Sie konkreter werden?

Welche Unterschiede meinen Sie?“

Prof. Görg: Es wird sich die Art und Weise unterscheiden, wie die Dichtheit nachgewiesen werden kann, wer prüfen darf, welche Sanierungsfristen einzuhalten sind, welche Schadensbilder sofortige, mittelfristige oder langfristige Maßnahmen erforderlich machen und letztendlich auch wie die Kommune ihrerseits ihre Verpflichtungen gegenüber den Bürgern trotz begrenzter Kapazitäten erfüllt. Über die Beantwortung dieser Fragen bestand lange Zeit Unklarheit. Dass für den Bürger Kosten entstehen, die er ggfs. nicht einsieht und die Gemeinde das Risiko läuft, in Rechtsstreitigkeiten zu geraten, sind zusätzliche Hemmnisse für eine zügige Umsetzung der Vorschriften des §61a.

Horst Zech: „Sind Ihrer Meinung nach Lösungen in Sicht?“

Prof. Görg: Ich denke schon. Durch die Politik sind nach den Erlassen des Umweltministers zumindest in NRW rahmensetzende Entscheidungen getroffen worden, die auch die Forderungen der Praxis berücksichtigen. Einige Kommunen sind mit sehr guten Informationskampagnen an ihre Bürger herangetreten, berücksichtigen auch Vorschläge von Bürgerinitiativen. Eine große Herausforderung liegt in der Überzeugung der Nicht-Fachleute von den negativen Auswirkungen undichter Kanäle und der daraus resultierenden Notwendigkeit von intakten Hausanschlüssen.

Horst Zech: „Welche Hilfestellungen können Sie den Hauseigentümern geben?“

Prof. Görg: Sich frühzeitig gestuft zu informieren (z.B. auf der Internetseite der Umweltministeriums http://www.buergerinfo-abwasser.de ). Bei konkreten Fragen sollten die Bürger nicht zögern, die Fachleute der Gemeinde anzusprechen! Für die Dichtheitsprüfung empfehle ich das Einholen von mehreren Vergleichsangeboten. Auch mit dem Nachbarn sollte über das Thema geredet werden: Wenn mehrere Grundstücke oder gar ganze Straßenzüge geprüft werden, sind Kosteneinsparungen sehr wahrscheinlich. Hilfe bei der Auswahl des richtigen Unternehmens dürfte auch die Liste der Sachkundigen nach §61a LWG NRW geben, die das Landesamt für Umweltschutz auf seiner Internetseite veröffentlicht hat.

Horst Zech: „Wer sollte nach Ihrer Meinung beraten?“

Prof. Görg: Hier sehe ich in erster Linie die Gemeinde als unabhängige, neutrale und glaubwürdige Stelle in der Pflicht. Zudem ist sie für die Koordination und die flächendeckende Nachhaltung verantwortlich. Nach LWG ist sie verpflichtet, über die Durchführung der Dichtheitsprüfung zu unterrichten und zu beraten. Die Gemeinde muss klare Regeln formulieren, die aber sowohl praktikabel als auch nachvollziehbar sein müssen. Auch wenn jede Grundstücksentwässerung spezielle Merkmale aufweist, ist aus kommunalrechtlicher Sicht eine größtmögliche Gleichbehandlung aller Fälle vorzunehmen. Die Einführung „getrennter Gebührenmaßstäbe“ hat doch gezeigt, wie wichtig die Beratung der Bürger ist. Selbstverständlich können Ingenieurbüros und Sachkundige hierbei eingebunden werden.

Horst Zech: „Sollte aus Ihrer Sicht derjenige der den Hausanschluss prüft auch gleich Sanieren?“

Prof. Görg: Angesichts der Erfahrungen mit den sog. Kanalhaien muss der Bürger vor Abzockern geschützt werden. Die Frage der Objektivität ist zu stellen, wenn Prüfung und Sanierung in einer Hand liegen. Grundsätzlich sollte das gleiche Prinzip wie bei der Dichtheitsprüfung gelten: Nichts überstürzen, denn viele Schäden ziehen keine sofortige Sanierungserfordernis nach sich. Das Einholen von Vergleichsangeboten ist hier noch wichtiger. Die Kosten einer Kanalsanierung sind ungleich höher als die der Dichtheitsüberprüfung. Die Kommune sollte auch bei der Auswahlentscheidung einbezogen werden und auch auf alternative Verfahren wie der grabenlosen Sanierung hinweisen.

Horst Zech: „Wie kann der Hauseigentümer sicher sein, die geforderte Qualität bei der Ausführung der Sanierung auch zu bekommen?“

Prof. Görg: Dadurch, dass nur Sachkundige die Grundstückskanäle prüfen dürfen, ist zumindest bei der Dichtheitsprüfung ein erster Schritt zur Qualitätssicherung unternommen. Bei der Sanierung sehe ich gute Chancen in der Zertifizierung der ausführenden Unternehmen, die der Rohrleitungssanierungsverband RSV gemeinsam mit dem Verband der Rohr- und Kanaltechnik Unternehmen VDRK vorantreibt.

Die zwei Verbände haben mit DIN CERTCO eine unabhängige Prüfstelle für fachgerechte Ausführung der Grundstücksentwässerungsanlagen eingerichtet. Fachbetriebe, die für unterschiedliche Leitungsgebiete ein entsprechendes Qualitätszeichen erwerben können, weisen ein festgelegtes Anforderungsniveau nach. So kann der Auftraggeber sicher sein, an kompetente Firmen zu gelangen. Bei der richtigen Ausführung versprechen die Verfahren und Materialien an sich eine hohe Lebensdauer. Die ausführenden Baufirmen sind an die gesetzlichen Gewährleitungspflichten gebunden. Der Bürger tut gut daran, nach erfolgter Sanierung im Rahmen einer Endabnahme einen Dichtheitsnachweis und eine TV-Befahrung sowie einen Lageplan der Kanalverläufe einzufordern. Dies ist bei der Verlegung öffentlicher Kanäle bereits seit Jahren Standard. Jeder sollte sich vergegenwärtigen, dass Dichtheitsprüfungen in Abständen von 20 Jahren zu wiederholen sind!

Horst Zech: „Eine abschließende Frage: Warum veranstalten Sie als Universität Siegen beim Symposium für grabenlose Leitungserneuerung einen Hausanschluss-Gipfel?“

Prof. Görg: „Aktualität, Innovation und zeitgemäße Weiterbildung gehören zum Selbstverständnis einer Universität und sind die Maxime des SgL- Symposiums. Die Thematik ist doch aktuell und beschäftigt gegenwärtig die Leitungsbaubranche sehr intensiv. Da, wie oben erwähnt, jede Kommune bei der detaillierten Umsetzung der Dichtheitsprüfungen anders verfährt, ist ein Erfahrungsaustausch besonders wichtig. Weitere Fragestellungen schließen sich unmittelbar an die Dichtheitsprüfung an, denn leider bleiben die Kosten für den Bürger häufig nicht bei den für Dichtheitsprüfung angesetzten 300 bis 500 €! Eine Kanalerneuerung kann die Kosten schnell in die Tausende schnellen lassen. Was viele Hausbesitzer allerdings nicht wissen: Grabenlose Verfahren stellen sich insbesondere bei schwierigen Bedingungen, z.B. im überbauten Grundstücksbereich und bei gestalteten Gärten, als kostengünstige Alternative dar, und darüber informiert Sie der Hausanschluss-Gipfel aktuell und umfassend!

Das 6. SgL-Symposium mit dem Hausanschlussgipfel findet am 06.10.2011 in der Universität Siegen statt. Organisator Professor Dr.-Ing. Horst Görg freut sich auf rege Teilnahme.

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