INTERVIEW

„Dauerhaft, modern und hochstabil !“

Am Standort in Ötigheim bei Rastatt betreibt Hauraton ein hochmodernes neues Werk und Logistikzentrum. tHIS traf sich hier mit Dr.-Ing. Bernd Schiller, Leiter Forschung und Entwicklung bei Hauraton.

tHIS: Die neue Faserfix Big SLG ist seit Oktober 2013 auf dem Markt.  Warum eine neue Schwerlastrinne?

Dr. Bernd Schiller: Die zunehmende Globalisierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte führt zu einem ständig wachsenden Personen- und Warenverkehr. Die Abläufe, z.B. auf großen Flughäfen, sowie auf modernen Umschlagplätzen und Logistik­zentren müssen heute zuverlässig funktionieren. Störungen im alltäglichen Betriebsablauf, insbesondere durch nicht planbare Instandhaltungsarbeiten im Bereich der Verkehrsflächen werden nicht geduldet. Daher verwendet man für Flächen mit Schwerlastverkehr-Belastung hochmoderne Betone, die nicht nur gegen physikalische Einwirkungen ausreichend Widerstand bieten, sondern auch den zunehmenden Umwelteinwirkungen trotzen; hier ist besonders die Beständigkeit gegen Alkaliangriff, verschiedene Taumittel und gegen Frostangriff zu beachten.

Entwässerungsrinnen im Schwerlastbereich sind besonders gefährdet, da durch diese Systeme die ansonsten geschlossene Verkehrsfläche durch das wasserabführende Profil unterbrochen wird. Da bieten  überstehende Ecken und Kanten, die bei geringem Höhenversatz durch kleine Einbaufehler oder Setzungen entstehen können, gewaltige Angriffspunkte. Die Faserfix Big SLG ist aufgrund der optimierten Betonrezeptur und aufgrund  ihres massiven Gussläufers  deutlich robuster als alle anderen Schwerlast- Rinnensysteme!

tHIS: Warum ist gerade der Gussläufer hier so entscheidend?

Dr. Bernd Schiller: Das Entwässerungssystem ist Bestandteil der Verkehrsfläche. Die Rinnen werden nicht nur von Schwerlastfahrzeugen überfahren, sondern es finden auch Brems- und Drehvorgänge statt. Hierbei treten enorme Schubkräfte auf. Bei diesen Vorgängen bieten Bauproduktsysteme mit Verbundwerkstoffkombinationen erhebliche Vorteile. Speziell bei der SLG wird eine hohe  Punktbelastung über den massiven,  KTL-beschichteten Gussläufer auf den gesamten Rinnenmantel verteilt und damit praktisch entschärft. Dies setzt natürlich eine innige Verzahnung mit dem darunter liegenden hochfesten Betonmantel voraus. Das ist uns konstruktiv und werkstofftechnisch gelungen. Ein weiterer Aspekt ist die sehr hohe Schlagfestigkeit des Systems. Beim groben Absetzen schwerer, metallischer Gegenstände (z.B. Seecontainer) gibt es trotz extremer Schlagbelas­tung keine Abplatzungen auf dem Rinnenläufer. Für Verkehrsflächen mit besonderer Belastung bieten wir mit der SLG eine praxistaugliche, langlebige Lösung an. Der Gussläufer ist übrigens auch bei feuchten Witterungsverhältnissen rutschsicher. Dafür sorgt die die Profilierung der Gussteile.

tHIS: Für welche Belastungsklassen ist die Rinne ausgelegt?

Dr. Bernd Schiller: Die Faserfix Big SLG steht nach der DIN EN 1433 für die Belastungsklassen  D 400 bis F 900 zur Verfügung. Diese Rinne ist also auch flughafentauglich. Die Nennweiten reichen von 100 mm bis 300 mm. Damit können wir ein weites hydraulisches Spektrum abdecken.

tHIS: Was ist bei solchen Entwicklungen entscheidend?

Dr. Bernd Schiller: Nun, zunächst einmal geht es darum, Kundenanforderungen zu erfüllen. Dazu sind die unterschiedlichen Anwendungsfälle zu definieren. Auf Flächen mit Schwerlastverkehr möchte man natürlich vor allem dauerhafte Komponenten einsetzen. Häufige Sanierungsmaßnahmen stören den Betriebsablauf erheblich. Insbesondere bei der SLG sind die Dauerhaftigkeit und die Robustheit der Rinnenkonstruktion die wohl wichtigsten und herausragenden Produkteigenschaften.

Wir bemerken in den letzten Jahren aber auch einen sozioökologischen Wandel. Moderne Produkte müssen heute umweltfreundlich und nachhaltig sein. Und das nicht nur bei der Herstellung, sondern über die gesamte Produktlebensdauer. Konkret heißt das: 1. Bei der Herstellung der Produkte sind vor allem der nicht erneuerbare Primärenergieverbrauch und das freigesetzte Treibhauspotential, ausgedrückt durch das CO2-Äquivalent, möglichst niedrig zu halten. Das Motto lautet: Soviel wie nötig, so wenig wie möglich! 2. Die Produkte müssen auch unter extremen Beanspruchungen sehr langlebig sein! Und 3. Am Ende der Nutzungsphase muss ein vollständiges Recycling der Produkte möglich sein. Eine einfache thermische Verwertung oder eine alleinige Verwertung als Verfüllmaterial reichen für moderne Produkte nicht mehr aus. In diesem Zusammenhang ist die Verwertungsfähigkeit eines Produktes nicht mit der Recyclingfähigkeit gleichzusetzten! Wir substituieren z.B. einen Teil des Portlandzementklinkers durch Hüttensand, indem wir einen modernen CEM II-Zement einsetzen. Außerdem setzen wir andere hochwertige Industriereststoffe ein und schonen damit nicht nur die natürlichen Sandvorkommen, sondern verbessern gleichzeitig auch die physikalischen Eigenschaften der Produkte. Am Ende der Nutzungsphase ist ein komplettes Recycling der Betonrinnen (gemäß der europäischen Abfallhierarchie) möglich. Unter dem Entsorgungsschlüssel AVV 17 01 01 ist eine spätere Aufbereitung der Rinnenkörper für die Herstellung von RC-Beton möglich, da der Fremdstoffanteil, insbesondere organische Bestandteile, < 0,2 % ist.

tHIS: Haben solche Modifikationen auch Einfluss auf eine längere Haltbarkeit des Produkts?

Dr. Bernd Schiller: Ja, auf jeden Fall. Hüttenzemente entwickeln deutlich weniger Hydratationswärme als CEM I –Zemente. Die Rissanfälligkeit ist dadurch geringer, da der Temperaturgradient bei der Erstarrung des Betons geringer ist. Durch den Einsatz von Flugasche und Mikrosilika erreicht man zudem einen sehr hohen Verdichtungszustand. Die Rinnen sind damit unempfindlicher bei Frost–Tausalz–Wechseln. Durch die Verwendung neuartiger fibrillierter Fasern erreichen wir, trotz minimaler Zugabe, eine hervorragende Verzahnung der Betonmatrix. Bei sachgerechtem Einbau halten diese Rinnen außerordentlich lange!

tHIS: Über welche  Druckfestigkeiten verfügt der Beton?

Dr. Bernd Schiller: Die DIN EN 1433 schreibt für Rinnen aus Beton die Mindestfestigkeitsklasse C35/45 vor. Wir liegen weit über dieser Forderung indem wir den Beton auf C50/60 standardmäßig einstellen. Die Druckfestigkeit ist aber nicht das entscheidende Kriterium. Die Duktilität und der Schenkelbruchwiderstand spielen eine entscheidende Rolle, insbesondere bei den im Schwerlastverkehr vorkommenden Schubkräften. Daher zeichnet sich die SLG vor allem durch ihre stabilen Seitenwände aus. Der Vorteil; die schweren Rinnen gehen sowohl während der Bauphase als auch später während der Nutzungsphase  nicht zu Bruch, da sie sehr hohe Querkräfte aufnehmen können.

tHIS: Aber ist die Faserfix Big SLG nicht eher ein hoch

spezialisiertes Nischenprodukt? Wie wichtig sind solche Produkte für Hauraton?

Dr. Bernd Schiller: Produkte wie die SLG werden vor allem im Objektgeschäft gefordert. Natürlich liegen hier zahlenmäßig weniger Aufträge vor als bei den üblichen Standardrinnen. Zieleinsatz der SLG sind vor allem Großprojekte sowie anspruchsvolle Industrieanwendungen. Diese Projekte sind für uns von hoher strategischer Bedeutung. Also ich würde nicht unbedingt von einem Nischenprodukt sprechen; die SLG ist zur Vervollständigung unseres Sortimentes sehr wichtig. In den letzten Jahren haben wir uns in diesem Bereich ohnehin sehr gut positioniert. Ein weiteres Beispiel hierfür ist unsere Filtersubstratrinne Drainfix Clean. Wir beschreiten hier einen sehr innovativen Weg zur dezentralen Regenwasserbehandlung und Versickerung. Wir haben in diesem Umfeld ein enormes Know-how, nicht zuletzt  durch unsere aufwendigen Praxisuntersuchungen an der Versuchsanlage in Augsburg, aufbauen können, so dass zahlreiche Hochschulen und renommierte Institute die Zusammenarbeit mit uns suchen. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf diesem Gebiet weltweit der Innovationsführer sind.

tHIS: Was sind derzeit die größten Herausforderungen und was erwarten Sie von den Werkstoffen der Zukunft?

Dr. Bernd Schiller: Komplettlösungen, „rund-um“-Serviceleistungen und Qualität werden weiter an Bedeutung gewinnen. Auch eine hohe Beratungskompetenz wird in der Zukunft eine größere Rolle spielen. Neben der Dauerhaftigkeit und der Recyclingfähigkeit der Produkte werden die Themen Material- und Energieeffizienz weiter an Bedeutung zunehmen.

Als ich vor 28 Jahren meine Tätigkeit in der Zementforschung aufnahm fragten mich viele Bekannte: „Was will man denn bei Zement noch erforschen?“. Nun, seit diesem Zeitpunkt wurden die CEM II und CEM III Zemente weiter entwickelt. Hochfeste Betone erreichen heute Druckfestigkeiten bis 200 N/mm². Es gibt säurefeste Betone. Sekundärbrennstoffe und Sekundärrohstoffe haben Zugang gefunden. Die Energieverbräuche und die Emissionen wurden eindrucksvoll gesenkt.

Ich denke, dass Betone in 20 Jahren so stabil herstellbar sind, dass sie eine Dauerhaftigkeit von über 100 Jahren schaffen werden. Auch werden die Rezepturen bewirken, dass Betone vollkommen säurefest sind. Dazu gibt es ja heute schon Ansätze mit reinem Hüttensand. Also hier wird sich noch sehr viel tun!

Aber auch die Fertigungsverfahren werden sich weiter entwickeln. Parallel dazu müssen fertigungsgerechte Geometrien adaptiert werden. Produktentwicklung der Zukunft  findet damit  im Dreiklang statt zwischen Werkstofftechnik, Fertigungsverfahren und Konstruktion. Zum Glück gibt es im Bereich Zement, Beton und auch Guss starke Partner, mit denen wir bei diesen Fragen zusammenarbeiten können. Eine wesentliche Voraussetzung jedweder neuen Entwicklung ist es aber, ein hochkompetentes Team zu haben, mit dem ehrgeizige Zielsetzungen auch umzusetzen sind. Und da bin ich dankbar, dass ich mit einem besonders starken Team zusammenarbeiten kann.

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