Keine halben Sachen
Abwasserverband setzt auf KomplettlösungEin häufiges Problem von Abwassersystemen ist die Korrosion von Rohren und Schächten. Der Abwasserverband Kronach-Süd setzt bei der Erneuerung des Pumpwerks und des Regenüberlaufbeckens Schmölz I nun auf Bauteile aus korrosionsbeständigem, glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK).
Mit den durchgeführten Maßnahmen in der Marktgemeinde Küps nimmt der Abwasserverband Kronach-Süd gleich mehrere Probleme auf einmal in Angriff. Bauwerksinspektionen hatten gezeigt, dass nicht nur das Pumpwerk altersentsprechende Schäden aufwies. Auch das Regenüberlaufbecken aus Beton, das Mischwasser in den nahegelegenen Krebsbach entlastet, befand sich in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Zusätzlicher Handlungsbedarf stellte sich bei einer Begutachtung des Gewässers heraus: Im Bereich der Einleitstelle waren massive Ausspülungen feststellbar – ein eindeutiger Hinweis, dass die Entlastungsmengen aus dem Mischwasserbauwerk zu hoch waren. Hygieneartikel, die in das Gewässer ausgetragen worden waren, machten zudem auf den fehlenden Grobstoffrückhalt aufmerksam. All diese Schwachstellen so gut es geht zu beheben war das Ziel des mit der Planung beauftragten Büros SRP Schneider & Partner Ingenieur-Consult GmbH aus Nürnberg.
Die im Werk vorgefertigten GFK-Elemente wurden über Tieflader zur Baustelle transportiert
© SRP Bauüberwachung
Beste Lösung gesucht
Neben der klassischen Betonbauweise wurden auch alternative Baustoffe hinsichtlich ihres Transports zur Baustelle, der Einbaubedingungen und ihrer Wirtschaftlichkeit geprüft. Hierbei stellte sich heraus, dass der Einsatz von GFK-Elementen die materialtechnisch bessere Wahl ist, sowohl mit Blick auf die Bauausführung als auch in Bezug auf die Materiallebensdauer und die Investitionskosten.
Zum Einsatz kommt daher ein neuer GFK-Stauraumkanal mit einem Gesamtvolumen von 520 Kubikmetern als Regenüberlaufbecken, während das bisherige Regenüberlaufbecken aus Beton saniert und zum Regenrückhaltebecken mit einem Speichervolumen von 300 Kubikmetern umgebaut wird. Das neue Pumpwerk besteht aus horizontal bzw. vertikal verlegten GFK-Rohren DN 2600.
Gesamtansicht der Baustelle: Die ersten GFK-Rohre DN 2600 mit dem Verteilerschacht wurden platziert. Links im Bild zu sehen ist das freigelegte alte Regenüberlaufbecken, das bis zur Fertigstellung des neuen Regenrückhalte-beckens in Betrieb bleibt und anschließend zum offenen Regenrückhaltebecken umgebaut wird
© Amiblu
Amiscreen hält Grobstoffe im Regenüberlauf-becken zurück
Für den neuen Regenüberlauf werden drei GFK-Rohre der Nennweite DN 2600 parallel zueinander verlegt und durch ein Verteiler- und Vereinigungsbauwerk miteinander verbunden. Mit einer Länge von jeweils 24,75 Metern speichern die Rohre das Mischwasser bei Regenwetter. Damit keine Hygieneartikel mehr in den Krebsbach ausgetragen werden, sind die Rohre jeweils mit zwei 14 Meter langen Amiscreen-Elementen der Nennweite DN 600 ausgestattet. Diese perforierten Rohre sind direkt im Rohrspeicher des Stauraumkanals montiert und fungieren als Siebelemente zur Grobstoffrückhaltung. Hierfür sind sie an ihrem stauraumseitigen Ende verschlossen und münden offen in den oberen Teil des Entlastungsschachtes. Da dieser Schacht ebenfalls zum Stauraum hin geschlossen ist, kann Wasser lediglich durch die Siebelemente einfließen und ausschließlich über den dort integrierten Überfalltrog abfließen. Das Mischwasser wird somit durch die Sieboberfläche, anders als beim klassischen Rechen, nahezu druckfrei mechanisch gereinigt. Die Sieboberfläche besitzt durch die ringförmige Ausführung ein Vielfaches der Querschnittsfläche einer klassischen Grobstoffrückhaltung (z. B. Sieb- oder Rechenanlagen). Die Gefahr einer Verschmutzung oder Verstopfung der Sieboberfläche wird auf ein absolutes Minimum reduziert. Grobstoffe, die größer als 8 Millimeter sind, werden von der Sieboberfläche ohne Einsatz von Fremdenergie zurückgehalten. Sie sinken zur Sohle und werden mit dem Trockenwetterabfluss zur Kläranlage transportiert. „Da sich die Elemente im Stauraum befinden, kann eine äußerst große Siebfläche realisiert werden – ohne dass dabei Speichervolumen verloren geht“, betont Walter Brandner, Fachbereichsleiter Abwasser bei SRP Schneider & Partner Ingenieur-Consult GmbH.
Eine Herausforderung stellt die bindige, inhomogene Bodenbeschaffenheit dar. Dank eines Sondervorschlags der mit der Ausführung beauftragten Firma Karl Krumpholz Rohrbau GmbH kann der Aushub als Flüssigboden aufbereitet und wiederverwendet werden. Aufgrund der Größe der Baugrube ist eine Auftriebssicherung nicht notwendig
© Amiblu
Ein Festsetzen der Grobstoffe auf der Sieboberfläche muss nicht befürchtet werden. Amiblu Projektingenieur Marc Hirschmann fügt hinzu: „Das Amiscreen-System befindet sich im Stauraum in Höhe der Rohrachse. Steigt der Wasserspiegel infolge von zufließendem Mischwasser, fließt das Wasser langsam durch die Sieboberfläche und gelangt dann von Schwimmstoffen befreit in die GFK-Überlaufschächte. Durch die sehr geringe Durchflussgeschwindigkeit von 0,05 Metern pro Sekunde werden die Partikel nicht gegen die Perforationen gedrückt und verstopfen daher nicht die Sieboberfläche. Der Wartungsaufwand wird auf ein Minimum reduziert.“
Bestandsbauwerk wird integriert
Über die Spindelschieber können die Abwasserströme gesteuert werden. So kann das modifizierte Regenrückhalte-becken bei evtl. Revisionsarbeiten außer Betrieb genommen werden. Über die Spindelschieber wird dann die Umgehungsleitung aktiviert. Dadurch kann zum Beispiel das entlastete Mischwasser über den linken Spindelschieber durch einen GFK-Notumlauf Richtung Krebsbach gelangen
© Amiblu
Von den GFK-Überlaufschächten aus gelangt das Mischwasser über einen neuen GFK-Rohrstrang DN 1200 in das mit einer Abflussdrossel ausgestattete ehemalige Regenüberlaufbecken. „Wir wollten den Altbestand für die Abwasserrückhaltung nutzen, um angesichts immer häufiger werdender Starkregenereignisse mehr Rückhaltevolumen zu schaffen. Eigentlich sollte die Rückhaltekapazität laut Bedarfsplanung deutlich größer sein. Das war aber aus Platzgründen nicht realisierbar“, erklärt Brandner. Für die Zeit der Umbauarbeiten am Bestandsbauwerk wurde eine Umgehungsleitung, ebenfalls aus GFK der Nennweite DN 1200, errichtet. „Sie wird auch nach der Sanierung des runden Regenrückhaltebeckens bestehen bleiben und als Notumlauf dienen, wenn im Becken beispielsweise Revisionsarbeiten durchgeführt werden“, erklärt Amiblu-Vertriebsmitarbeiter Jochen Auer.
Sowohl bei dem Regenüberlaufbecken und Pumpwerk als auch bei den Schächten und Rohrsträngen – der Abwasserverband Kronach-Süd hat sich bei dieser Erneuerungsmaßnahme für eine Komplettlösung aus glasfaserverstärktem Kunststoff entschieden. Von den Eigenschaften des Werkstoffs ist Planer Brandner überzeugt. „Ich hatte schon viel Positives über GFK gehört und gelesen. Neben der kunststofftypischen Elastizität, die vor Rissen und Bruch schützt, und dem vergleichsweise geringen Gewicht ist für mich die hohe Korrosionsbeständigkeit das wesentlichste Argument für einen Einsatz in kommunalen Abwassersystemen. Im Abwasser enthaltene aggressive Chemikalien können dem Material nichts anhaben.“
Im Inneren der GFK-Rohre befindet sich das Amiscreen Grobstoffrückhaltesystem. Die Schwimmstoffe, die sich im Mischwasser befinden, werden über das „Rohrsieb“ zurückgehalten. Über die beiden Leitungen wird das von Schwimmstoffen gereinigte Mischwasser in das nachfolgende Regenrückhaltebecken geleitet
© SRP Bauüberwachung
Maßanfertigung und Zentimeterarbeit
Auch bei der mit der Ausführung beauftragten Baufirma Karl Krumpholz Rohrbau GmbH, Kronach, ist man mit der Entscheidung für GFK zufrieden. So können die Bauteile von Baggern bewegt werden, ohne dass ein Kran zum Einsatz kommen muss. Die Teile wurden bereits im Werk vorgefertigt und dann mit Tiefladern auf die Baustelle transportiert. Bauleiter Stefan Becker: „Wir müssen nichts mehr vor Ort anpassen. Umso wichtiger ist die sorgfältige Verlegung, da das gesamte GFK-Bauwerk bereits in sich passend hergestellt worden ist. Das ist Zentimeterarbeit. Aber da wir die Zielpunkte digital abgesteckt haben und die elek-tronische Baggersteuerung nutzen, ist dies kein Problem.“
Weniger CO2-Emissionen durch Aufbereitung
Das neue Pumpwerk besteht ebenfalls aus horizontal bzw. vertikal verlegten GFK-Rohren DN 2600. Eine Wendeltreppe führt vom ebenerdigen Zugang zu den beiden Abwasserpumpen im Untergeschoss
© Amiblu
Eine größere Herausforderung dagegen stellt die bindige, inhomogene Bodenbeschaffenheit dar. Aufgrund der schlechten Verdichtbarkeit hatte ein Gutachten den Boden für nicht wiederverwendbar erklärt. Hier zahlte sich ein Sondervorschlag der Firma Krumpholz für den insgesamt 5000 Kubikmeter umfassenden Aushub aus. „Unser Unternehmen besitzt ausgewiesene Expertise mit Blick auf zeitweise fließfähigen Verfüllstoff, auch als Flüssigboden bekannt. Wir haben das ‚Rezept‘ eigens für die Gegebenheiten vor Ort ausgearbeitet. Durch die Aufbereitung des Aushubs als Flüssigboden waren deutlich weniger Lkw-Fahrten notwendig als es bei einer Entsorgung und einem Bodenaustausch der Fall gewesen wäre. Das spart Kosten, belastet nur im geringen Umfang die Umwelt und sorgt somit auch für eine Reduzierung der umweltschädlichen CO2-Emissionen“, so Becker.
Auf eine Auftriebssicherung der verlegten GFK-Rohre konnte aufgrund der Größe der Baugrube sogar verzichtet werden. „Wir haben in mehreren Lagen mit jeweils ca. 500 Liter Flüssigboden schichtenweise die Baugrube wiederverfüllt. Durch das kontrollierte Einfüllen des Flüssigbodens konnte eine gleichmäßige Verteilung in der Baugrube erreicht werden. Weiterhin wurde durch lageweises Einfüllen von Flüssigboden ein Aufschwimmen der GFK-Rohre gezielt verhindert.“
Die Erfahrungen mit glasfaserverstärktem Kunststoff sind so positiv, dass der Abwasserverband Kronach-Süd weitere Einsatzfelder vorgesehen hat. Beim derzeitigen Bau eines Stauraum-kanals auf der Kläranlage des Abwasserverbandes Kronach-Süd wird ebenfalls eine GFK-Lösung eingesetzt.