Stagnation kein Schicksal

Bauwirtschaft hinkt der allgemeinen Erholung hinterher

Die Lage könnte widersprüchlicher nicht sein. Die deutsche Wirtschaft boomt, nur der Bau tritt auf der Stelle. In 2010 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um satte 3,6 Prozent. Der Anstieg des verarbeitenden Gewerbes und der Exporte war zweistellig. Für 2011 sagen die Institute ein erneutes Wachstum von etwa 2,5 Prozent voraus.

Die Entwicklung im Bauhauptgewerbe ist gar nicht so schwungvoll. Hier stagnierte in 2010 der baugewerbliche Umsatz mit einem leichten Rückgang von 0,3 Prozent. In 2009, als das BIP um 4,5 Prozent gesunken war, hatte das Bauhauptgewerbe parallel um 4 % nachgegeben. Als Konjunkturnachzügler machte der Bau letztes Jahr den rasanten Aufschwung nicht mit. Und laut Prognosen des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie ist auch für 2011 Stagnation angesagt. Bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz im Januar hatte Präsident Herbert Bodner Trübsal geblasen: der Umsatz würde „bestenfalls stagnieren, möglicherweise aber um bis zu einem Prozent zurückgehen“. Wird also auch 2011 ein erneutes Jahr der Stagnation? Ist denn überhaupt noch mal mit Wachstum in der Baubranche zu rechnen? Eindeutig ja. Der Wirtschaftsbau wird es richten. Die Erfahrung des letzten Jahrzehnts besagt, dass bei Erreichen einer hohen Kapazitätsauslastung in der Industrie die baurelevanten Erweiterungsinvestitionen wieder anziehen und den Wirtschaftsbau ankurbeln. Auch wenn der Wohnungsbau aktuell wieder anzieht, so kann doch nur der Wirtschaftsbau die Lokomotive sein.

 

Pessimistische Prognosen bereits Makulatur

Die Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass es noch vor kurzem sehr hohe Wachstumsraten im Bauhauptgewerbe gegeben hat. In 2006 stieg der Umsatz um imponierende 9,2 Prozent, und in 2008, dem letzten guten Jahr vor Rezession, nahm er ordentlich um 6,1 Prozent zu. Beide Male trug der Wirtschaftsbau entscheidend zum Wachstum bei, um 11,7 Prozent in 2006 beziehungsweise 10,7 Prozent in 2008. Dem Wohnungsbau, der noch in 2006 noch ein Wachstumsträger mit einem Anstieg von 10,2 Prozent war, ging in 2008 bereits die Puste aus (+2.1 Prozent). Halten wir fest: es geht bergauf, wenn Wirtschafts- und Wohnungsbau anziehen. Und so wird es in diesem Jahr wohl auch sein. Die negativen Prognosen der Verbände werden sich sehr bald als Makulatur erweisen. Bevor wir in die Analyse der einzelnen Bausegmente einsteigen, werfen wir einen Blick auf die Psychologie. Bekanntlich beeinflusst sie direkt das Wirtschaftsgeschehen. Die Baufirmen haben sich eindeutig von der guten Stimmung in Industrie und Dienstleistungen anstecken lassen. Die Zahl derjenigen Bauunternehmer, die für die nächsten sechs Monate eine gleichbleibende oder eine bessere Geschäftslage erwarten, ist laut Ifo von 57 Prozent im Dezember 2009 auf 68 Prozent im Dezember 2010 gestiegen. Daran konnte auch der Wintereinbruch im letzten Dezember nichts ändern. Da man den Bauunternehmern keinen eingebauten Herdentrieb unterstellen darf, wird ihr Optimismus wohl auch handfeste Gründe haben. Sie erwarten den Aufschwung und sie werden ihn wohl auch bekommen.

 

Wirtschaftsbau ist wieder im kommen

Der Wirtschaftsbau wird wieder an Kraft gewinnen. Zwar ging in 2010 der Umsatz in diesem Segment noch um 4,3 Prozent zurück. Damit lag der Wirtschaftsbau hinter dem Wohnungsbau (+ 6,6 Prozent) und dem öffentlichen Bau (- 2,2 Prozent). Allerdings lief der Wirtschaftsbau besser als erwartet: im Sommer 2010 hatte der Hauptverband noch einen Rückgang von 7,5 Prozent befürchtet. Beim Auftragseingang war der Wirtschaftsbau in 2010 zweiter Sieger: der Wohnungsbau vermeldete ein unerwartetes Plus von 9,8 Prozent, gefolgt vom Wirtschaftsbau (+ 6 Prozent); nur der öffentliche Bau enttäuschte (- 5,2 Prozent). Im Januar hatte Bodner gesagt, es würden „noch einige Monate“ dauern, bis die Industrie bauintensive Erweiterungsinvestitionen in Auftrag gebe. Der Verband bezeichnete die Lage als „labil“, da im Zeitraum Januar-Oktober 2010 das Genehmigungsvolumen für Wirtschaftsbauten um über 11 Prozent zurückging. Da aber der allgemeine Aufschwung robust ist, geht der Verband beim Wirtschaftsbau dennoch von einem verhaltenen Umsatzplus von 1 Prozent aus. Aus heutiger Sicht könnte dies zu wenig zu sein. Der allgemeine Aufschwung geht nämlich mit unvermindertem Tempo weiter. Die relativ milden Temperaturen des 1.Quartals werden den Bau nicht wie Anfang 2010 behindern. Für den Wohnungsbau sagt der Verband ein eher mickriges Wachstum von 3 Prozent voraus; im öffentlichen Bau werde (obwohl sich die Konjunkturprogramme noch auswirken) der zu erwartende Einbruch bei den kommunalen Bauinvestitionen ein Minus von 4,5 Prozent bewirken. Per saldo glaubte der Verband, dass der Rückgang im öffentlichen Bau die Zuwächse im Wohnungsbau und im Wirtschaftsbau „weitgehend aufzehren werde“. Auch dies ist eine recht verhaltene Prognose. Ohne in Euphorie zu verfallen, ist es gut möglich, dass die Bauwirtschaft bereits in 2011 die Fesseln der Stagnation ablegt.

Marcel Linden,

Bonn

... dass es vor kurzem sehr hohe Wachstumsraten im Bauhauptgewerbe gab!

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