Für eine nachhaltige Investitionspolitik

Schuldenkrise und Euro-Schwäche gefährden Aufschwung am Bau

Der angekündigte drastische Abbau der Staatsverschuldung in den Mittelmeerländern und die Unruhen an den Devisenmärkten bergen Gefahren für die reale Wirtschaft in sich. Insbesondere die Streichung großer Infrastrukturprojeke könnte die europäische Bauwirtschaft schwächen. In Deutschland tendiert die Baukonjunktur mittelfristig sowieso nach unten.

Solide Staatsfinanzen und eine gute Verkehrsinfrastruktur sind Ausdruck einer nachhaltigen Politik. Künftige Generationen sollen ausgeglichene Haushalte und ein tadelloses Verkehrsnetz erben. Konsolidierung auf Kosten der Mobilität geht nicht; Mobilität auf Kosten des Haushalts auch nicht. Auf den richtigen „Mix“ kommt es an. Mehrere hochverschuldete Länder der Eurozone wollen nunmehr drastisch sparen, bei den Beamtengehältern, den Ausgaben des aufgeblähten öffentlichen Dienstes, usw. Allerdings setzen sie den Rotstift nicht nur bei den konsumtiven Ausgaben an, sondern sie kürzen auch die öffentlichen Investitionen. Portugal verzichtet vorläufig auf den Neubau des Lissabonner Flughafens und auf den Bau der dritten Brücke über den Tejo, hält aber am Bau der wichtigen Hochgeschwindigkeitsstrecke Lissabon-Madrid fest. Spanien will in den kommenden beiden Jahren die öffentlichen Investitionen um 6 Mrd. Euro kürzen. Frankreich reduziert die laufenden Staatsausgaben um 5 Prozent, rührt aber den Investitionshaushalt nicht an. Athen hat noch nicht den Stopp von Infrastrukturprojekten verfügt, wird es aber wahrscheinlich noch tun. Italien hat auch Sparmaßnahmen angekündigt. Der europäische Zahlmeister Deutschland kann sich über soviel Tugendhaftigkeit nur freuen. Bereits lange vor Eintritt der Griechenlandkrise hatte die Große Koalition das Ziel in das Grundgesetz hineingeschrieben, die Verschuldung bis 2016 auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts abzusenken. Die EU-Kommission möchte jetzt die deutsche Schuldenbremse auf die anderen Mitgliedsstaaten übertragen. Die deutsche „Rigueur“ (Härte, Unerbittlichkeit), ein Unwort im Sprachgebrauch französischer Politiker, setzt sich allmählich durch. Die Schuldenbremse, die hierzulande in 2011 einsetzt, droht die deutschen Infrastrukturausgaben zu tangieren.

 

Die Baumärkte Südeuropas
sind verschlossen

Was bedeutet das alles für den Bausektor? Im Ausland droht wenig Gefahr. Tatsächlich tut der Aufschub von Großprojekten in Südeuropa den deutschen Baukonzernen nicht weh. Denn die Baumärkte Südeuropas sind traditionell verschlossen. Der gemeinsame Binnenmarkt konnte dem Bauprotektionismus in Spanien und Frankreich nicht den Garaus machen. Die stolzen spanischen Baukonzerne leiden mächtig an der vor ein paar Jahren geplatzten Immobilienblase. Die Empathie dürfte begrenzt sein. Für die übergroße Zahl der deutschen Baufirmen zählt vor allem der Heimatmarkt. Ist der direkt bedroht? Um dies zu beantworten, ist es nötig einen Blick auf die aktuelle Entwicklung zu werfen. Bekanntlich hat die schwere Rezession der deutschen Wirtschaft in 2009- das Bruttoinlandsprodukt sank um 4,9 Prozent- den Bau nicht voll erwischt. Der Umsatz des Bauhauptgewerbes sank wohl um 4 Prozent gegenüber 2008. Im Vergleich erzielte das Verarbeitende Gewerbe, dessen Exporte regelrecht einbrachen, ein Minus von 19 Prozent.

 

Volle Wirkung
der Konjunkturprogramme

Die von Bund und Ländern aufgelegten Konjunkturprogramme I und II mit einem Gesamtvolumen von 17,3 Mrd. Euro haben dem Bau 2009 geholfen und sie werden auch in 2010 einen positiven Effekt haben. Auf der Bilanzkonferenz der Kölner Strabag AG hob Vorstand Dr. Thomas Birtel hervor, dass Mitte November 2009 bereits über
80 Prozent des Zukunftsinvestitionsprogramms (ZIP), etwa 11 Mrd. Euro, verplant waren. Es kann also keine Rede davon sein, dass ein Teil der Mittel bis Ende 2010 brach liegen wird. Laut Birtel wird das ZIP im Laufe des Jahres 2010 seine „volle konjunkturelle Wirkung entfalten“ und in 2011 auslaufen. Deshalb, fuhr er fort, werde das deutsche Bauhauptgewerbe die konjunkturelle Talsohle 2010 noch nicht erreichen. Laut Hauptverband der deutschen Bauindustrie lässt nach dem strengen Winter ein „unerwartetes“ Auftragsplus von 6 Prozent in Januar-Februar auf einen „Baufrühling“ hoffen. Das Bundeswirtschaftsministerium meldet, dass im März die Erzeugung des Bauhauptgewerbes gegenüber Februar um 27 Prozent zunahm, nachdem sie in Januar-Februar eingebrochen war.

Der Nachholeffekt ist voll im Gang. Trotzdem: der Hauptverband und der Strabag-Chef erwarten auf absehbare Zeit kein
positives Bauwachstum. Die Talsohle werde erst 2011 erreicht. Mit der Aufstellung des Bundeshaushalts 2011 im Sommer wird man wissen, was die Schuldenbremse für den Bausektor bedeutet. Verkehrsminister Peter Ramsauer wird hart kämpfen müssen, um das hohe Investitionsniveau der letzten Jahre zu halten. Die Sparpolitik ist  hart, aber berechenbar. Im Gegensatz zu den Mittelmeerländern, die quasi über Nacht Großprojekte stoppen, wird Deutschland dank gesunder Finanzen wohl an Hau-Ruck-Senkungen in der Infrastruktur vorbei-
kommen.


Marcel Linden,

Bonn

... quasi über Nacht wurden im Mittelmeerraum Großprojetkte gestoppt!

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