Bau zwischen Sparzwängen
und Industrieboom

Wie ist die Lage am Bau wirklich?

Die positiven Meldungen aus der Wirtschaft überschlagen sich. Die Stimmung ist euphorisch. Die Stahlbranche, der Maschinenbau und der Automobilsektor erklimmen wieder Höhen, die sie zuletzt vor der überwundenen Rezession erreicht hatten. Eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung ist nicht ausgeschlossen. Horcht man aber in die Bauverbände hinein, dann ist von Hochstimmung nichts zu spüren. Kalkül oder kalte Füße?

Die Siegesmeldungen des Bundeswirtschafsministers kann man vielleicht noch überhören. Aber auch die unabhängige Bundesbank kann sich kaum noch zurückhalten. „Das Expansionstempo, so schreibt sie in ihrem Juli-Bericht, hat sich im Frühjahr deutlich erhöht“. Das Bruttoinlandsprodukt, so führt sie fort, „dürfte im zweiten Vierteljahr außerordentlich kräftig zu-
genommen haben“. Volkswirte rechnen mit einem Anstieg von 2 % gegenüber dem ersten Quartal, was einem jährlichen Tempo von 8 % entspricht. Die Zentralbank hebt auch die hohe Zufriedenheit der Unter-
nehmen hervor. Die Stimmung, so scheint es, ist so gut wie die Lage.

 

Bauprognosen sind Makulatur

Der Bausektor als traditioneller Nachzügler der Konjunktur wird von der Aufwärtsbewegung der Exportindustrie noch nicht erfasst. Außerdem gehorcht er eigenen Regeln, der Witterung nämlich. Im ersten Quartal brachte der außerordentlich strenge Winter das Geschehen auf den Baustellen zum Erliegen, anschließend schoss die Produktion im Frühjahr in die Höhe. Diese Bewegung war in 2010 besonders ausgeprägt. Im Zeitraum Januar-März ging der Umsatz im Bauhauptgewerbe um 17,2 % im Jahresvergleich zurück. Die Gegenbewegung in den Folgemonaten war dann allerdings für einige enttäuschend: statt anzusteigen, sank der Umsatz im Aprilnoch um 2,8 % und im Mai um 1 %. Allerdings taugt der Vorjahresvergleich nicht, wenn man die aktuelle Dynamik messen will. So bemerkt die Bundesbank, dass, obwohl im Mai gegenüber April die Produktion um 2, 25 % nachgab, das Aktivitätsniveau „weiterhin außerordentlich hoch“ geblieben sei. Im Mittel der Monate April und Mai habe das Bauvolumen das witterungsbedingt gedrückte Ergebnis vom ersten Quartal um 16,5 % übertroffen. Dies zeigt wie kräftig der Bau im Frühjahr eigentlich zugelegt hat. Die Prognosen, die die beiden führenden Bauverbände im Mai und Juni vorgelegt haben, sind mit heutigem Stand überholt. Hauptverband der Bauindustrie und Zentralver-
band des Baugewerbes prognostizierten beide einen Umsatzrückgang von 1 % in 2010 und von 2 % in 2011. Das nächste Jahr, so erklärten sie, würde schlimmer, weil dann die Konjunkturprogramme ausliefen und der Wirtschaftsbau noch immer schwach sein würde. Was die Konjunkturprogramme anbelangt, mögen sie recht haben, obwohl manche in 2010 begonnene Projekte dann noch laufen werden. Aber beim Wirtschaftsbau liegen sie wohl schief: falls der Aufschwung an Breite und Tiefe gewinnt und die Kapazitäten an ihre Grenzen stoßen, dann werden neue Industriehallen gebraucht. Die Ängste vor 2011 scheinen also übertrieben zu sein.

 

Zuversicht überwiegt

Kurzfristig läuft der Laden. In den ersten fünf Monaten sind die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe um 5,2 % gestiegen. Die Umsätze, die parallel noch um 9,5 % sanken, werden sich im Jahresverlauf wohl stabilisieren. Die Nachfrage hat allerdings im öffentlichen Bau enttäuscht: im Zeitraum Januar- Mai gab es nur ein Plus von 1,5 %. Bei den riesigen Dimensionen der Konjukturprogramme – laut Hauptverband stehen für 2010-2011 noch 12 Mrd. Euro an Investitionsmitteln bereit- hätte man eigentlich mehr erwarten können.

Der Hauptverband moniert, dass manche Stadt aufgrund der angespannten Haushaltslage und der Streichung des „Zusätzlichkeitskriteriums“ aus den Konjunkturprogrammen ihre Investitionspläne nach unten korrigiert hat. Besser als erwartet läuft es im Wohnungsbau, dem „Totgesagten“, wo in den ersten fünf Monaten die Auftragseingänge um 10,5 % zunahmen. Ausschlaggebend wird der Wirtschaftsbau sein: im gleichen Zeitraum wuchs hier die Nachfrage um 7,3 %, davon 13,2 % im Tiefbau. Allerdings sank im dem von der vorigen Industriekrise stark gebeutelten Wirtschaftsbau der Umsatz noch sehr stark um 16,6 %.

 

Vorausschauende Sparpolitik

Das Anfang Juni von der Bundesregierung beschlossene mehrjährige Sparpaket hat die Investitionen verschont. Das ist eine sehr vorausschauende Handlung. Früher setzte man in vergleichbaren Situationen immer die Axt an die Infrastrukturausgaben an. Außer den Baufirmen tat es ja keinem weh. Jetzt haben Länder wie Portugal und Spanien, die finanziell in einer viel schwierigeren Lage als die Bundesrepublik sind, den Bau von Brücken und Flughäfen storniert. Andererseits missfiel der Branche, dass das Kabinett im Haushaltsentwurf für 2011 die Investitionslinie Verkehr auf das alte Niveau von 9,75 Mrd. Euro wieder absenkte. In den beiden letzten Jahren hatte der Bund die Ausgaben auf 12 Mrd. Euro angehoben.


Marcel Linden,

Bonn

Die Ängste vor 2011 scheinen also
übertrieben zu sein!

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