Nachgestellte historische Putze

Grundlagen von Putz haben sich nicht geändert

Sand und ein Bindemittel werden mit Wasser gemischt. Früher auf der Baustelle per Hand vermengt, heute fertig aus dem Sack oder Silo. Die Zukunft ist auch auf der Baustelle angekommen, warum also Putze nachstellen.

Heutzutage können sich nur noch wenige vorstellen, wie mühselig damals der Beruf des Verputzers, Gipsers oder Stuckateurs war. Bevor verputzt werden konnte, musste erst einmal in der Gegend ein passender Sand gesucht werden. Ließ sich der Unterputz noch mit durchschnittlichen Sandqualitäten herstellen, stellte der Oberputz bedeutend höhere Anforderungen. Gerade eine gleichmäßige Sieblinie ohne sogenannte Spritzkörner war nicht einfach zu finden. Wer nicht das Glück eines passenden Sandes hatte, musste die Sandaufbereitung selbst in die Hand nehmen.

Auch Bindemittel konnten nicht so einfach eingesetzt werden. Zement stand erst ab ungefähr 1850 zur Verfügung; Kalk dagegen schon Jahrtausende vorher. Bevor Kalk, den man als gebrannten Stückkalk kaufen konnte, überhaupt zu verarbeiten war, musste er in speziellen Becken eingesumpft, d.h. mit Wasser versetzt, werden. Durch diese Maßnahme wurde der Kalk „gelöscht“ – eine nicht ganz ungefährliche Arbeit, denn die dabei heftig ablaufenden Reaktionen erhitzten den Kalkbrei bis zum Dampfen. Die dabei entstehenden Kalke waren in ihren Eigenschaften nicht so gleichmäßig, da man die Brenntemperatur bei der Herstellung nicht exakt einstellen konnte. Man bekam somit eine sehr unterschiedliche Putzmischung an die Wand. Warum also der Aufwand mit der Nachstellung, wenn moderne Putze viel gleichmäßiger in ihren Eigenschaften sind? Es gibt sie schließlich in den unterschiedlichsten Körnungen, so dass die Putzfassade nach dem Anstrich nicht oder nicht wesentlich anders aussieht als die ursprüngliche.

 

Es geht nicht nur um die Optik

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass es ausreichend ist, wenn ein altes Objekt nach der Res-taurierung wieder so aussieht wie früher. Aber was bedeutet „früher“? Im Laufe der Zeit wurden diverse Ausbesserungsarbeiten durchgeführt, so dass es nicht einfach zu erkennen ist, welche der unterschiedlichen Materialien der ursprüngliche Bestandsputz ist. Auch verändert sich die Fassade im Laufe der Zeit. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Struktur abwittert, auch die Bindemittel unterliegen Veränderungen. Das zeigt, dass eine Nachstellung auch mit ausgeklügelten Analysemethoden gar nicht so ohne weiteres – wenn überhaupt – machbar ist. Um eine ausreichend genaue Bestimmung zu erhalten, darf der Mörtel deshalb nicht nur anhand seiner technischen Kennwerte betrachtet werden. Man muss den Putz im Gesamtzusammenhang mit seiner Entstehungszeit sehen und weitere Parameter mit einbeziehen.

Bei der Nachstellung geht es darum, den gesamten Aufbau und Ablauf zu erforschen und nicht nur die Zusammensetzung so gut wie möglich nachzustellen. Aber auch die Art und Weise der Verarbeitung und die dabei verwendeten Werkzeuge und Arbeitstechniken spielen eine Rolle. Dazu muss man allerdings auch die Kenntnis besitzen, welche Werkzeuge damals überhaupt zur Verfügung standen und wie sie eingesetzt wurden. Ist bei geriebenem Putz die Kornzusammensetzung, d. h. Größe, Art und Kornform entscheidend, kommt es z. B bei gestupften Putzen vorwiegend auf die Art des Werkzeugs an.

Dabei muss im Außenbereich immer der Witterungseinfluss berücksichtigt werden. Erst wenn man abschätzen kann, wie sich die Struktur im Laufe der Zeit verändert hat, kommt man nahe genug an die Optik der ursprünglichen Oberfläche heran. Günstig ist es deshalb, wenn man versucht, Proben aus geschützten Fassadenbereichen zu erhalten.

 

Ist das „Original“ noch immer geeignet?

Bei der Renovierung ist es wünschenswert, wenn man sich möglichst genau am Original anlehnt. Da die Eigenschaften des neuen Putzes dem des alten entsprechen, ist auch das neue Material ideal für den vorhandenen Untergrund geeignet. Wenn der alte Bestandsputz über Jahrzehnte oder Jahrhunderte an einem Objekt verbleibt, hat sich die Tauglichkeit für diesen Untergrund deutlich gezeigt.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass bei der Restaurierung von den Denkmalämtern peinlich genau darauf geachtet wird, den historischen Bestand nicht durch ein zu schnelles „Abnicken“ von undurchsichtigen Sanierungskonzepten zu gefährden. In der Vergangenheit wurde schon zu oft durch Unkenntnis der Sachlage oder weil man den Aufwand und die Kosten der notwendigen Untersuchungen scheute, historisch wertvolles Material unwiederbringlich zerstört.

Was aber, wenn aus der Renovierung eine Sanierung wird? In solchen Fällen lassen sich durch die Verwendung angepasster Materialien, die z. B. Eigenschaften besitzen, wie sie im WTA-Merkblatt 2-7-01/D „Kalkputze in der Denkmalpflege“ beschrieben sind, deutlich langlebigere Ergebnisse zu erzielen. Bei der Erarbeitung dieses Merkblatts wurde darauf Wert gelegt, dass mit solch konzipierten Produkten, unter Beachtung der besonderen Situation am Objekt, auf die Anforderungen von historischem Mauerwerk eingegangen werden kann. Damit stehen Putze zur Verfügung, mit denen Belangen von Denkmalpflege und Bauherrschaft Rechnung getragen werden kann. Bei der Erarbeitung eines Sanierungskonzepts sollte man sich bereits im Vorfeld Gedanken machen, ob durch den Einsatz von „Standardprodukten“ die Umsetzung erleichtert werden kann, ohne die Qualität der Sanierung zu beeinträchtigen.

 

Sanieren muss bezahlbar bleiben

Putz- und Mörtelhersteller haben dies erkannt und bieten solche Produkte in ihrem Portfolio an. Die gezielte Ausrichtung auf bewährte Bindemittel wie Kalk, Trass und ggf. Zement in geringen Mengen, kombiniert mit ausgewogenen Sieblinien und angepassten Putzeigenschaften ergeben Materialien, die für eine Vielzahl von Objekten zumindest als Hintermauermörtel oder Unterputz eine passende Basis darstellen. Damit darf nicht der Eindruck entstehen, man soll sich per se, vielleicht nicht einmal ohne die entsprechenden Voruntersuchungen, dieser Produkte bedienen. Es geht darum, die Voraussetzungen für die Durchführung einer Sanierung überhaupt erst zu schaffen.

Eine Voraussetzung ist die Finanzierung. In der Sanierung lassen sich Kosten im Voraus nur sehr schwer einschätzen. Die Kosten für die Arbeitszeit sind dabei oft deutlich ausschlaggebender als die Materialkosten. Lässt sich z. B. ein Putz mit der Maschine verarbeiten, kann viel günstiger kalkuliert werden. Muss dieses Putzmaterial nicht auch noch extra rezeptiert und in einer Kleinmenge produziert werden, ist ein weiteres Einsparpotential gegeben. Es lohnt sich deshalb bei den darauf spezialisierten Fertigmörtelproduzenten nachzufragen, welche Produkte im Angebot sind.

 

Das Objekt entscheidet

Es bleibt unbestritten, dass die unterschiedlichsten Belange bei der Renovierung und Sanierung von historischen Gebäuden oder gar Baudenkmälern zu beachten sind. Man sollte sich aber immer vor Augen halten, worum es hier im Grunde geht. Der Erhalt solcher Gebäude bedeutet die Bewahrung von handwerklichen Arbeitsweisen, baumeisterlichen Planungen und historisch gewachsenen Strukturen. Davon ausgehend sollte geprüft werden, was und wie etwas zu erhalten ist, welche Möglichkeiten eines möglichst originalgetreu nachgestellten Putzes oder Mörtel es gibt oder auf welche modernen Fertigprodukte zurückgegriffen werden kann. Immer im Hinblick darauf, was für das Gebäude und seinen Bestand am zuträglichsten ist.

 

Baumit GmbH

www.baumit.de

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