OBERFLÄCHENWASSER

Gewässereinleitung nach Regenwasserbehandlung

Großen Flüssen wird einiges zugemutet: Abwärme von Kraftwerken, Zuflüsse aus Klärwerken und Regenüberlaufbecken und vieles mehr. Seit 1. März 2010 verlangt der Gesetzgeber nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) 2009
§ 55(2) sogar, dass Niederschlagswasser nicht mehr mit Schmutzwasser
vermischt, sondern „ortsnah … in ein Gewässer eingeleitet wird“.  Dabei muss die Menge und Schädlichkeit des Abwassers möglichst gering sein.

Am westlichen Bodensee scheinen sich Donau und Rhein, zwei der größten Flüsse Europas zu begegnen. Nur 30 km voneinander entfernt fließen sie in entgegengesetzte Richtung. Nachfolgend aktuelle Beispiele, wie an der Donau bzw. am Rheinufer liegende Betriebe das Oberflächenwasser direkt einleiten – allerdings nach Behandlung auf den eigenen Grundstücken und gedrosselt, um die Belastung der Gewässer zu verringern.

Behandlungsbedarf

Wie bei allen Abwässern fordert das WHG konsequent auch bei der Einleitung von Niederschlagswasser die Anwendung von Verfahren nach dem Stand der Technik vor der Einleitung in ein Gewässer. Jedoch hängen die Verfahren nicht allein von der Art der Verschmutzung, sondern insbesondere auch von der Leistungsfähigkeit der betreffenden Gewässer ab. So gestaltet sich die Formulierung von Grenzbedingungen schwieriger, als dies bei klassischem Abwasser der Fall ist.

Daher fehlen Vorgaben zur Einhaltung physikalischer Parameter bei der Einleitung in Oberflächengewässer. Jedoch kristallisieren sich die feinen Abfiltrierbaren Stoffe (AFS Fein) als Leitparameter für die Grenzbedingungen heraus. In Baden-Württemberg und einigen anderen Bundesländern wird der Behandlungsbedarf mit Hilfe der Arbeitshilfen für den Umgang mit Regenwasser in Siedlungsgebieten (LFU-BW 2005) oder dem Merkblatt DWA-M 153 aus dem Quotient der ermittelten Punkte von Gewässerart und Belastung des Zulaufs festgestellt. Das heißt, Niederschlagswassereinleitungen dürfen nur erfolgen in Abhängigkeit von einerseits zumutbarer Verkehrsbelastung/Exposition der Flächen und andererseits ausreichender Selbstreinigungskapazität des Gewässers, in das eingeleitet wird. Der Durchgangswert der jeweiligen Behandlungsanlage gibt den Frachtanteil, der im Jahresmittel nicht zurückgehalten wird, an. Dabei gilt die Reinigungsleistung als ausreichend, wenn der Durchgangswert D ≤ G/B. (B = Belastungspunkte, G = Gewässerpunkte).

Dimensionierung

Ergebnis einer Dimensionierung ist der Durchgangswert D. Bei Anlagen zur Sedimentation ergibt sich dieser aus der kritischen Wassermenge, die jeweils einer Behandlung unterzogen wird und der Oberflächenbeschickung, dem Quotienten aus der zu behandelnden Wassermenge und der bereitgestellten wirksamen Oberfläche der Behandlungsanlage. Die kritische Wassermenge (Q krit) wird aus der angeschlossenen undurchlässigen Fläche (A U) und der kritischen Regenspende (q krit) berechnet. Übliche Werte für q krit sind 15, 30, 45, 60 oder r (15,1) [l/(s.ha)]. Je größer q krit, desto kleiner (besser) ist der Durchgangswert. Für die Oberflächenbeschickung qA sind die üblichen Werte 18, 10, 9 und 7,5 [m/h]. Je kleiner qA, desto kleiner ist der Durchgangswert. „Darüber hinaus ist noch die Betriebsweise der Anlagen entscheidend“, sagt Stephan Klemens vom Hersteller Mall. Positiv wirke sich die Betriebsweise „ohne Dauerstau“ mit regelmäßiger Entleerung der Becken über die Schmutzwasserkanalisation, gegenüber der Betriebsweise „mit Dauerstau“, und regelmäßiger Schlammentsorgung aus, so Klemens.
Kriterien für die Auswahl einer Oberflächenwasser-Behandlungsanlage sind:

– Einfache, wartungsarme Technik

– Keine beweglichen Teile

– Einfacher, werksmäßig hergestellter Baukörper

– Sichere Entfernung von absetzbaren Stoffen

– Ausreichend für den berechneten Volumenstroms Qr krit [l/s]

– Wirtschaftlich, auch bei großen angeschlossenen Flächen, z.B. durch Kompaktbauweise

Flussbaubetriebshof Donaueschingen

„Brigach und Breg bringen die Donau zuweg“, lernen die Schüler in Donaueschingen – obwohl sie wissen, dass sich laut Reiseführer die Donauquelle im fürstlichen Schlosspark in der Stadtmitte befindet. Tatsächlich aber trägt deren Abfluss nur noch einen geringen Teil bei, Brigach und Breg führen über
90 % der Wassermenge aus dem nahen Schwarzwald heran.
30 km weiter verliert das Flussbett der Donau schon wieder ein Drittel des Wassers. Es versickert in Richtung Bodensee, tritt als Aachquelle zu Tage und fließt auf Umwegen in den Rhein. Brigach, Breg und das erste Stück der Donau bis zur Versickerung vor Tuttlingen fallen in die Zuständigkeit des Flussbaubetriebshofs Donaueschingen – insgesamt ca. 100 km Gewässer der 1. Ordnung zwischen St. Georgen (Brigach), Hammereisenbach (Breg) und Möhringen (Donauversickerung). Die 11 Mitarbeiter, seit 2011 am neu gebauten Standort, sind angestellt beim „Landesbetrieb Gewässer Baden-Württemberg“ und sorgen dafür, dass Flussbett und Ufer der Gewässer sich in einem guten Zustand befinden. Nach der Rückkehr von Bau- und Pflegeeinsätzen werden Maschinen und Geräte gereinigt, bei Bedarf gewaschen und in der Halle abgestellt. Die Entwässerung von Waschplatz und Innenraum der Fahrzeughalle erfolgt über Abläufe und Rohre zum Benzin- und Koaleszenzabscheider, dann weiter durch einen Probenahmeschacht in die Schmutzwasserkanalisation.
Die Entwässerung des Niederschlagswassers der Hoffläche und die Entwässerung des Niederschlagswassers der Dachfläche erfolgt über parallel verlaufende Kanalstränge, die jeweils südlich und nördlich der Hofhälfte platziert sind. Der Abfluss vom begrünten Dach wird direkt, d. h. ohne Behandlung, dem öffentlichen Regenwasserkanal zugeführt. Den Abfluss von der Hoffläche nehmen mittig angeordnete Schlitzrinnen auf, die ein integriertes Innengefälle haben. „Niederschlagswasser von der Hoffläche fließt so in zwei parallel verlaufenden, baugleichen Rinnensystemen zu jeweils einer Sedimentationsanlage. Von dort wird es gereinigt dem öffentlichen Regenkanal zugeführt, der in der Breg mündet“, erklärt Tanja Baiker vom Rottweiler Ingenieur- und Planungsbüro.

Vogt-Plastic Rheinfelden

Seit 2011 befindet sich der Recyclingbetrieb mit 140 Mitarbeitern auf dem 3,2 Hektar großen Gelände der ehemaligen Aluminiumhütte am deutschen Ufer des Hochrheins zwischen Schaffhausen und Basel. Hier werden täglich 100 Tonnen gelbe Säcke aus der südwestlichen Hälfte Baden-Württembergs angeliefert, die Ladung von 25 Müllfahrzeugen. Die Verwertungsquote liegt bei 65 %; das ist im deutschlandweiten Vergleich ein Spitzenwert.
In den Fabrikhallen finden Sortier- und Aufbereitungsprozess vollautomatisch und mehrstufig statt. Nach dem Abkippen vom Lieferfahrzeug werden die Säcke mit Inhalt gehäckselt. Danach sortieren verschiedene Trennverfahren die Bestandteile des Abfalls. Kunststoffe werden im Werk direkt weiterverarbeitet zu schwarz eingefärbtem „Regranulat“, einem von Rohrherstellern begehrten Ausgangsmaterial. Die Entwässerung aller Dach- und Geländeflächen erfolgt nach Angaben von Daniel Döbele, dem zuständigen Planer, zentral über einen Lamellenklärer und den anschließenden Kontroll- und Schieberschacht direkt in den Rhein.

Funktionsweise und Wartung

Sedimentation ist die einfachste und wirtschaftlichste Methode der Regenwasserbehandlung. Sie sollte daher bei der Planung Priorität haben. Durch ein Prallblech werden der Zulauf und das im Behälter stehende Wasser in Rotation versetzt. Die Wasserströmung wird durch das eingebaute Zentralrohr nach unten gelenkt, wobei sich Schwebstoffe zum Behälterboden hin absondern (Sedimentation). Falls weniger Raum zur Verfügung steht, als berechnet, kann die wirksame Oberfläche des Beckens vervielfacht werden durch so genannte Lamellenpakete. Das sind zusätzlich eingebaute, parallel angeordnete, profilierte Platten. Sie verbessern die Absetzwirkung insbesondere für kleine Partikel.
Die Konstruktion des Lamellenklärers macht es auf diese Weise möglich, im Vergleich zu Sedimentationsanlagen Bauteile mit reduzierten Abmessungen einzusetzen. Durch die Tauchrohrgarnitur im Zulauf wird das Wasser unterhalb des Dauerwasserspiegels beruhigt eingeleitet. Die in die Trennwand eingesetzten Lamellenpakete bewirken eine Vergrößerung der effektiven Sedimentationsfläche. Abgeschieden werden Partikel in einer Größenordnung bis zu 0,1 mm. Die Schrägstellung der Lamellen sorgt für ein Abrutschen auf den Behälterboden. Dort lagert der Schlamm bis zur Wartung/Reinigung. Die als Tauchrohr konstruierte Ablaufgarnitur verhindert den Abfluss von Leichtstoffen oder mineralischen Kohlenwasserstoffen (MKW), auch im Fall einer Havarie.
Lamellenklärer wie Sedimentationsanlagen erfüllen die aktuellen Richtlinien der Oberflächenwasserbehandlung (z. B. DWA-M 153). Die periodisch fällige Wartung wird in der Regel von einem externen Dienstleister durchgeführt. Entscheidend dafür sind die Vorgaben des Herstellers, die für das jeweilige Produkt auf dessen Website abrufbar sind.

Klaus W. König Überlingen

www.mall.info

PROJEKTDATEN

Flussbaubetriebshof Donaueschingen
Bauherr:
Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Konstanz
Adresse: Bregstr. 24 a, 78166 Donaueschingen
Freianlagen, Entwässerung: Rottweiler Ing.- u. Planungsbüro GmbH (RIP), Rottweil
Sedimentationsanlage, Benzin-/Koaleszenzabscheider:                   Mall GmbH, Donaueschingen
Fertigstellung: Juli 2011
 
Vogt-Plastic Rheinfelden Bauherr: Vogt-Plastic GmbH, Rickenbach
Adresse: Bukheinstr. 4, 79618 Rheinfelden (Baden)
Entwässerung: Ing.-Büro Klaus Döbele, Görwihl
Lamellenklärer, Kontroll- und Schieberschacht:                                    Mall GmbH, Donaueschingen
Fertigstellung: Juli 2010

Sedimentation

Ablagern / Absetzen von Teilchen aus Flüssigkeiten oder Gasen unter dem Einfluss der Schwerkraft und anderen Kräften, wie zum Beispiel der Zentrifugalkraft („Fliehkraft“) in einer Zentrifuge. Bildet sich zuunterst eine Schicht von Schwebstoffen, so nennt man diesen Bodensatz Sediment.

Vorflut
Jegliche Art von Gerinne, zum Beispiel Gewässer und Bodendränagen, in denen Wasser in Form von Abwasser, Regenwasser oder Dränagewasser in ein Gewässer abfließen kann. Natürliche Vorfluter sind offene Fließgewässer, die Wasser aus anderen Gewässern, aus Grundwasserkörpern oder Abfluss-Systemen aufnehmen und ableiten.

Volumenstrom (Q)
Volumen eines Mediums, das sich innerhalb einer Zeiteinheit durch einen Querschnitt bewegt. Q = v x A (Volumenstrom = Fließgeschwindigkeit x Querschnittsfläche)

Gewässerpunkte (G)
Zahlenwert, der die Fähigkeit zur Selbstreinigung eines Gewässers zum Ausdruck bringt. Je höher die Punktzahl, desto höher die Belastbarkeit.

Kritische Regenspende (rkrit)
Regenspende, die durch eine Behandlungsanlage erfasst werden muss, um einen statistisch bestimmten Wirkungsgrad der Regenwasserbehandlung bezogen auf das jährliche Schmutzaufkommen zu erreichen.

Oberflächenbeschickung (qA)
Vergleichs- und Bemessungsparameter von abwassertechnischen Reaktoren z. B. Sedimentationsanlagen verwendet. Angegeben wird das Verhältnis der zulaufenden Wassermenge (QZu [m3/h]) zur hydraulisch wirksamen Oberfläche der Behandlungsanlage (A[m2]). Das Ergebnis wird in der Einheit [m3/(m2 x h)] oder [m/h] ausgedrückt. Grundlage ist das Stoaksche Gesetz, nach dem sich Teilchen in Abhängigkeit ihrer Dichtedifferenz und Korngröße in einem Fluid bewegen.

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