Digitale Vermessung für
ein besseres (Senioren-) Leben

Mönchengladbacher Stadtteile sind Bestandteil des Projektes Urban Life+

Kürzlich wurden Rheindalen und Hardterbroich-Pesch von Mitarbeitern der Firma Topcon digital vermessen. Der Grund: das Leben von Senioren zu erleichtern und das Umfeld anzupassen.

Als jüngst in Mönchengladbach ein schwarzes Auto mit ungewöhnlichem Dachaufbau samt Kamera durch die Straßen der beiden Stadtteile Rheindalen und Hardterbroich-Pesch fuhr, wunderten sich sicherlich einige Bewohner. Das brauchten sie aber nicht, denn das Gefährt der Firma Topcon untersuchte das Gebiet nur auf seine Alltagstauglichkeit für Senioren.

Im Rahmen des Bundes-Forschungsprojektes „Urban Life+“, welches derzeit in der Stadt in Nordrhein-Westfalen verwirklicht wird, hat Fahrer Heiko Lohre mit der doch etwas bizarr anmutenden Konstruktion innerhalb von gut drei Stunden und auf einer Strecke von jeweils 60 Kilometern pro Stadtteil insgesamt 280 Gigabyte an Daten gesammelt. Rheindalen und Hardterbroich-Pesch wurden ausgesucht, da sie in ihrer Ausprägung unterschiedlich sind. Rheindalen als eher ländlicher und Herdterbroich-Pesch als urbaner, städtischer Bereich.

Hohe Bordsteine oder lose Gehweg-Platten sind echte Stolperfallen – vor allem für ältere Menschen. Noch mehr, wenn diese eingeschränkt mobil unterwegs sind. Da kann einiges passieren - bis hin zu Verstauchungen oder Knochenbrüchen. Danach fällt es den älteren Menschen oft schwer, weiter am sozialen Leben außerhalb der eigenen vier Wände teilzunehmen. Um nicht zuletzt auch dagegen zu wirken, ist das Projekt Urban Life+ aus der Taufe gehoben worden. „Mit diesem Forschungsprojekt wollen wir durch den Einsatz neuer Technologien Senioren den Alltag erleichtern. Und zwar auch außerhalb der eigenen vier Wände“, erklärt Susanne Wallrafen, Projektleiterin bei der Sozial-Holding GmbH.

Automatisch umschaltbare Ampelanlagen

Baumaßnahmen sollen dadurch aber nicht direkt und sofort angeschoben werden. „Diese sind natürlich im späteren Verlauf nicht ausgeschlossen“, so Susanne Wallrafen. „Sie können aus unseren Handlungsempfehlungen entstehen.“ Doch was für Maßnahmen könnten das sein? – Bordsteine absenken, damit sich die Senioren mit den Rollatoren oder Rollstühlen fast ebenerdig bewegen können, wären da eine Möglichkeit. Oder elektrisch verstellbare Sitzgelegenheiten, die sich automatisch an die Bedürfnisse des jeweiligen Nutzers anpassen. Außerdem können sich die Planer vorstellen, dass sich Verkehrsampeln automatisch so schalten, wie schnell sich ein Passant auf dem Überweg bewegt.

Die wissenschaftlichen Partner der Sozial-Holding sind die Universitäten Hohenheim und Leipzig sowie die Universität der Bundeswehr in München und der Stadtentwickler Drees & Sommer. Dazu Susanne Wallrafen: „Wir bringen hier den praktischen Teil aus unserer Arbeit mit ein, während unsere Partner zum Beispiel die Ergebnisse aus den Umfragen und Befragungen vor Ort auswerten. Ebenso sind die Partner für die technische Umsetzung der Wünsche und Ansprüche der älteren Menschen verantwortlich.“

Es geht darum, mit dem neuen Ansatz MTI (Mensch-Technik-Interaktion) städtebauliche Konzepte zu erarbeiten. „Das soll aber nicht bedeuten, dass man den Verantwortlichen der Stadt sagt, dass hier oder dort eine Bank fehlt“, erklärt Björn Sommer von Drees & Sommer. „Es sollten erst einmal Daten aufgenommen werden, um damit später arbeiten zu können.“

Selbst absenkende Parkbänke

Die Idee, die dahinter steht, ist die personalisierte Hilfestellung für die Senioren. Mögliche Lösungen wären adaptive Beleuchtung oder Parkbänke sowie Informationsstrahler. Diese sollen mit einem Account, etwa per App über ein Smartphone, verbunden werden, der mit den jeweiligen Bedürfnissen und Interessen der Senioren befüllt ist. Das wäre dann nach dem Prinzip: Nähert sich eine Person mit einem persönlichen Account einer Straßenlaterne an, erhöht diese ihre Leuchtstärke, damit der Passant besser und mehr sehen kann. Oder eine Parkbank senkt sich ab oder erhöht die Sitzposition, genau nach den jeweiligen Vorgaben der App. Automatisch absenkbare Bürgersteine sind da nicht mit ein geschlossen. Die Überlegungen der Planer beinhalten zudem die Installation von großen und kleinen interaktiven Bildschirmen, außerdem LED-Leuchten, die zum Beispiel Pfeilsymbole zeigen, oder Lautsprecher, die Tonsignale abgeben können.

Ältere Menschen wollen mobil und unabhängig bleiben

Die ersten verwertbaren Ergebnisse liegen den Verantwortlichen des Projektes jetzt vor. Vor etwas mehr als zwei Jahren gestartet, sind nun die Umfrageergebnisse, es wurden insgesamt 6.000 Fragebögen an Senioren ausgeteilt, ausgewertet. Hier wurden Wünsche oder Anregungen, aber vor allem die Lebensumstände qualitativ abgefragt. „Die Ergebnisse werden jetzt in die weitere Umsetzung des Projektes eingepflegt“, erläutert Susanne Wallrafen. „Das gibt uns ein besseres Bild, was sich die älteren Menschen unter einem qualitativ angenehmen Leben im sozialen Umfeld vorstellen und wünschen.“ Die meisten von ihnen wollen einfach mobil und unabhängig bleiben, fügt die Projektkoordinatorin an. Das wäre dann „die Pflege 4.0“, wie Wallrafen sagt. „Da hält die Digitalisierung Einzug in das Umfeld und den Alltag der älteren Menschen.“ Idealerweise sollen diese Erkenntnisse mit in die Bauplanung der Kommune eingebracht werden, damit in Zukunft eine barrierefreie Bewegung im Stadtraum möglich ist. Dann besitzt jeder ein eigenes, persönliches Navi, welches ihn ans Ziel bringt oder eventuelle Barrieren passierbar macht, damit die Senioren auch weiterhin mobil, unabhängig und selbstbestimmt sind. Durch das Projekt soll aber nicht nur Mönchengladbach profitieren. Denn die Ergebnisse werden in einem so genannten Safety-Atlas als bundesweiter Leitfaden für zukünftige Bauvorhaben zusammengefasst, der spätestens im Jahr 2020 veröffentlicht werden soll. Das Projekt ist noch auf weitere zwei Jahre angelegt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt sechs Millionen Euro gefördert.

Urban Life+

www.urbanlifeplus.de

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