Das Aquaretum lebt

Wahrzeichen auf dem Zürichsee in neuer Gestalt

Die Attraktion des „Aquaretum“ besteht seit Mai 2019 aus zwölf exakt gebogenen Wasserstrahlen, die zusammen ein räumliches Gebilde formen. Dessen Gestalt variiert, durch seismische Impulse belebt.

Ortskundige wissen, dass es am Mythenquai, im Zentrum Zürichs, unmittelbar vor dem Sportboothafen Enge das Aquaretum als Fontäne gab. Ein Geschenk der Zürich Versicherungs-Gesellschaft aus Anlass ihres 125-jährigen Jubiläums 1998 an die Bevölkerung der Stadt. Nach 20 Jahren war es an der Zeit, die Technik zu erneuern. Als Bauherrschaft ließ die Zürich Versicherungs-Gesellschaft die Anlage komplett ersetzen, die jetzt geschaffene Attraktion im Austausch mit Fachstellen und Anrainern entwickeln und im ordentlichen Verfahren durch Stadt und Kanton bewilligen. Das so entstandene Wasserspiel ist ein schwimmendes Kunstwerk, das nach dem Willen seiner Schöpfer gerade keine typische Fontäne mehr sein soll. Andres Bosshard, den weit über die Schweiz hinaus bekannten Klangkünstler, zogen die für die Neuinstallation Verantwortlichen von Fischer Architekten beizeiten zu Rate.

Der Pulsschlag unseres Planeten

Die mit Hilfe von Luft und Licht inszenierte, filigran bewegte Wasser-Skulptur ist bis zu 30 Meter hoch und ändert ihre Gestalt fortwährend, allerdings nicht nur durch Wind und Thermik. Das Auge des Betrachters erkennt zunächst die zwölf kugelförmigen Wasserdüsen aus Edelstahl, welche in vier Dreiergruppen – in den Ecken einer quadratischen Fläche von 16 x 16 Meter angeordnet – auf der Seeoberfläche schwimmen. An jeder der zur gemeinsamen Mitte geneigten Düsen bildet sich ein glasklarer Wasserbogen, der ab zehn Meter Höhe allmählich aufzubrechen beginnt. Er behält noch über den Scheitelpunkt hinaus eine stabile Form. Im Herabfallen bilden sich Wasserbögen, welche sich in drei unterschiedlichen Höhen zu Kuppeln verweben und ein räumliches Gewölbe entstehen lassen. Zum Leben erweckt wird das Aquaretum schließlich durch Signale, die in Echtzeit von der äußeren Hülle unseres Planeten Erde empfangen werden. Diese mikroseismischen Boden-Bewegungen haben ihren Ursprung neben lokalen Ereignissen auch im Wellenschlag an den Meeresküsten und in den Tiefdruckgebieten über den Ozeanen. Damit wird die Verwandtschaft des Wassers im Zürichsee zum Wasser anderer Kontinente erlebbar.

Konkret bedeutet das, dass Livesignale seismischer Aktivität, aufgezeichnet von der Erdbebenwarte der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), zunächst lokal aufbereitet werden müssen, bevor sie dem Wasserspiel seinen Rhythmus geben können. Mit Einbruch der Dunkelheit verwandelt sich das Aquaretum in ein Lichtobjekt. Mit Hilfe von Spezialleuchten in den Kugeldüsen phosphoreszieren die laminaren Wasserstrahlen, Glasfasern ähnlich, von innen heraus. Zusätzliche sparsame LED-Scheinwerfer strahlen die höheren Wurfbereiche an und verdeutlichen die Wasserbögen. An Feiertagen und Festtagen wird durch eine spezielle Farbauswahl ein besonderer Akzent gesetzt.

Durch Erdbewegung erregte Brunnenchoreografie

Die Kugeldüsen aus acht Millimeter starkem Edelstahl sind die beständig sichtbaren Elemente. Sie dienen mit 120 Zentimeter Durchmesser als Schwimmkörper für die circa 30 Tonnen schwere Gesamtkonstruktion. Um zwölf ständig von Bodenunruhe erregte Wasserstrahlen in ein ausgewogenes Wasserspiel zu bringen, hat die Metallatelier GmbH zunächst ein funktionierendes Modell im Maßstab 1:10 gebaut. „Mit kompositorischem, choreografischem und steuerungstechnischem Wissen entwickelten wir eine Bewegungsverwandtschaft zwischen den drei Kuppeln, damit sie mit eigenständigen, freien Bewegungen einander folgen, manchmal sich sogar überholen und nur selten untereinander kollidieren. Diese drei Elemente des Aquaretum bilden mit ihrem gemeinsamen Charakter die klare Gesamtgestalt des Wasserspiels“, erklärt Geschäftsführer David Fuchs. Und Mitarbeiter Michael Roggon ergänzt: „Die Modulation des Lichts in der Nacht ist das vierte Element, mit dem wir die auch vorhandenen sehr ruhigen seismischen Impulse zeigen, die Perioden von 1-20 Minuten Dauer haben.“

Aus der Sicht des Künstlers Andres Bosshard ist es „eine Stimme aus dem Grund der Stadt Zürich, die in schwimmenden und schwingenden Formen von Wasser und Licht einen Dialog unseres Planeten mit dem Betrachter herstellt“. Seine Idee wurde unter der Leitung von Fischer Architekten durch ein interdisziplinäres Team von Spezialisten an der Schnittstelle von Kunst und Architektur geplant und realisiert.

Metallatelier GmbH

www.metallatelier.de | www.aquaretum.ch

Projektdaten

Adresse: Mythenquai bei 25, Hafen Enge, CH-Zürich

Bauherrschaft: Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Gesamtleitung: Fischer Architekten AG, CH-Zürich

Künstlerisches Konzept: Andres Bosshard, CH-Zürich

Wassertechnik: Aqua Transform, CH-Gossau

Künstlerische und technische Realisierung: Metallatelier GmbH, D-Deggenhausen

Bearbeitungszeit: 2017-2019

Langjährige Zusammenarbeit

Die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen dem Klangkünstler Andres Bosshard und David Fuchs von der Metall-atelier GmbH reicht bis in das Jahr 1999 zurück. Die Themen waren und sind Wasser, Klang, Wellenbilder, Computersteuerungen im künstlerischen Kontext, für permanente Installationen/Interventionen im öffentlichen Raum. Wer sich in Zürich auskennt, dürfte die klingende Kanalisation am Heerenschürli (www.metallatelier.de/klangfeld) oder den Klangbrunnen am Schulhaus Im Gut (www.metallatelier.de/klangbrunnen) kennen.
David Fuchs, Geschäftsführer des Metallateliers, findet mit seinem Team Sonderlösungen für Kunst, Technik und Design. Neben Projekten in eigener Autorenschaft bietet das Metall-atelier die Kooperation mit Künstlern, Wissenschaftlern und Ingenieuren an, oder entwickelt oder erforscht einzelne Komponenten. Zum Einsatz kommen Metalle, Licht und Wasser, wobei die Entwicklung von funktionierenden künstlerischen Lösungen das eigentliche Tätigkeitsfeld darstellt.

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