Wer haftet wann – und wann nicht?

Die Haftung des Auftraggebers für von ihm vorgeschriebene Bauteile, Stoffe und Materialien

Die Haftungsfragen im Zusammenhang mit vom Auftragnehmer verursachten Baumängeln (§§ 4 Nr. 7 und 13 Nr. 1 VOB/B) sind weitgehend bekannt und auch geklärt. Daneben haftet der Auftragnehmer jedoch grundsätzlich auch dann für Mängel an seinen Leistungen, die auf vom Auftraggeber gelieferte oder vorgeschriebene Stoffe oder Bauteile zurückzuführen sind. Die Haftung des Auftragnehmers ist jedoch wiederum ausgeschlossen respektive eingeschränkt, wenn der Auftragnehmer die ihm nach § 4 Abs. 3 VOB/B obliegende Mitteilung gemacht und damit den Auftraggeber auf Bedenken hingewiesen hat.

§ 13 VOB/B

§ 13 Abs. 3 VOB/B lautet: „Ist ein Mangel zurückzuführen auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile…, haftet der Auftragnehmer, es sei denn, er hat die ihm nach § 4 Absatz 3 obliegende Mitteilung gemacht.“

§ 4 VOB/B

§ 4 Abs. 3 VOB/B regelt dazu folgendes: „Hat der Auftragnehmer Bedenken … gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile …, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitzuteilen; der Auftraggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich.“ Während § 4 Abs. 3 VOB/B nur von den vom Auftraggeber gelieferten Stoffen oder Bauteilen spricht, ist in § 13 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B von den vom Auftraggeber gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffen oder Bauteilen die Rede.

Ob bei der ersten Regelung auch unter die gelieferten Stoffe oder Bauteile die vom Auftraggeber vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile gehören, soll an dieser Stelle dahin gestellt bleiben. Letztlich regelt § 13 Abs. 3 VOB/B eben, dass der Auftragnehmer auch bei den vom Auftraggeber vorgeschriebenen Stoffen oder Bauteilen Bedenken eine Prüfungs- und Hinweispflicht hat, deren Nichterfüllung eine Haftung des Auftragnehmers begründet. Zu diesen Regularien gibt es einige neuere Rechtsprechung, deren Kenntnis auch für Bauunternehmer von erheblicher Bedeutung ist; dies nicht nur für die eigene Haftungslage, sondern auch zur Abwehr von etwaigen Mängelhaftungsansprüchen des Auftraggebers.

? Frage 1: Haftet der Auftraggeber für
Konstruktionsfehler der von ihm vorgeschriebenen Bauteile?

Hierzu hat das OLG Jena mit Urteil vom 02.04.2008 (2 U 811/05) – die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH mit Beschluss vom 27.01.2011 zurückgewiesen – zu der aufgeworfenen Frage, wenn auch in einer Einzelfallentscheidung, Stellung genommen: Schreibt der Auftraggeber im Leistungsverzeichnis Filterbehälter eines bestimmten Fabrikats aus und schreibt er damit ein Bauteil vor, das mit einem generellen Konstruktionsmangel behaftet ist, fällt dies in den Risikobereich des Auftraggebers.

? Frage 2: Wann ist ein Bauteil vom Auftraggeber vorgeschrieben?

Ein Bauteil im Sinne von § 13 Abs. 3 VOB/B ist vom Auftraggeber „vorgeschrieben“, wenn es sich nicht nur um einen eigenen Wunsch des Auftraggebers oder ein Einverständnis des Auftraggebers mit Vorschlägen des Auftragnehmers handelt, sondern um ein für den Auftragnehmer zwingend zu beachtendes Verlangen des Auftraggebers, das ihm keine Wahl und keinen Ausführungsspielraum lässt.

Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Filterbehälter eines vorgegebenen Fabrikats nach exakten Parametern im Leistungsverzeichnis ohne Wahlmöglichkeit im Leistungsverzeichnis beschrieben ist OLG Jena a.a.0).

Eine einvernehmliche Sanierung oder ein bloßes Einverständnis des Auftraggebers stellt lein Vorschreiben des Baustoffs dar (OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.01.2001 – 14 U 181/97). Danach begründet die einvernehmliche Sanierung mit einem bestimmten Material keine Verantwortung des Auftraggebers, denn das bloße Einverständnis stellt noch kein zur Risikoverlagerung vom Auftragnehmer auf den Auftraggeber führendes „Vorschreiben“ eines Baustoffs gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B dar.

? Frage 3: Wann bestehen Bedenkenmitteilungspflichten des Auftragnehmers
nach § 4 Abs. 3 VOB/B?

§ 4 Abs. 3 VOB/B geht davon aus, dass der Auftragnehmer als Fachmann die Vorgaben des Auftraggebers dahin zu überprüfen hat, ob diese zur Erreichung eines mangelfreien Werkes überhaupt geeignet sind. Eventuelle Bedenken hat der Unternehmer dem Auftraggeber mitzuteilen. Diese Prüfungs- und Hinweispflicht ist mithin verletzt, wenn der Auftragnehmer Bedenken gegen die Vorgaben des Auftraggebers hatte oder bei pflichtgemäßer Wahrnehmung seiner Prüfungspflichten hätte haben müssen, und dennoch kein Hinweis erfolgte (Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, § 4 Rn. 47).

Der Umfang der Prüfungs- und damit letztlich auch der Hinweispflicht (Bedenkenanmeldung) des Auftragnehmers hängt von den beim Auftragnehmer zu erwartenden und branchenüblichen Wissen, von der Art der Leistungspflicht und von der Person des Auftraggebers oder seiner Vertreter ab. Vom jeweiligen Auftragnehmer kann das auf aktuellem Stand befindliche Normalwissen eines Handwerkers der betreffenden Branche erwartet werden. Er hat dabei zu prüfen, ob die vom Auftraggeber vorgegebenen Baustoffe oder Bauteile (Baumaterialien) geeignet sind und keine für das Werk schädlichen Eigenschaften besitzen. Dabei braucht der Auftragnehmer nur solche Prüfmethoden anzuwenden, die ihm als ordentlichem Handwerker oder Techniker zugänglich und vertraut sein müssen. Er ist nicht verpflichtet, technische Versuche durchzuführen oder Sachverständige zu beauftragen.

Unter diesen Prämissen kam das OLG Jena zur Auffassung, dass der dortige Werkunternehmer keine Bedenken gegen die Vorgaben der Klägerin im Leistungsverzeichnis anmelden musste, da er den Produkt- und Konstruktionsfehler bei Anwendung der ihm obliegenden und zumutbaren Prüfungsmöglichkeiten gar nicht entdecken konnte. Der Werkunternehmer konnte im Ergebnis nicht erkennen, d.h. es war für ihn nicht erkennbar, dass die vorgegebenen Filter für die beauftragte Anlage ungeeignet gewesen waren. Es bestand für ihn keine Veranlassung, weitergehende Prüfungen zur insbesondere allgemeinen konstruktiven Geeignetheit der Filter vorzunehmen.

? Frage 4: Ist die Haftungsbefreiung des Auftragnehmers bei der Vorgabe von
Baustoffen uneingeschränkt gegeben?

Diese Frage hat der BGH mit einem Grundsatzurteil vom 14.03.1996 – VII ZR 34/95 – entschieden und festgestellt, dass der Auftraggeber lediglich das Risiko der generellen Geeignetheit eines von ihm vorgeschriebenen Baustoffes für den Verwendungszweck übernimmt. Für Produktionsfehler und damit für „Ausreißer“ mit der daraus resultierenden Mangelhaftigkeit des Werkes ist und bleibt jedoch der Unternehmer in der Verantwortung, so dass die generelle Anweisung des Auftraggebers zur Verwendung eines bestimmten Stoffes nicht zu einer Haftungsbeschränkung oder gar Haftungsbefreiung des Auftragnehmers führt.

Dies ist Ausfluss und Folge der Erfolgsbezogenheit des vom Unternehmer geschuldeten Werkerfolges. Der BGH hat deutlich gemacht, dass nicht jeder Anordnung des Auftraggebers zu Baustoffen bewirke, dass der Unternehmer umfassend von der Gewährleistung frei werde. Ansonsten bliebe auch unberücksichtigt, dass der Auftraggeber nahezu gezwungen ist, Angaben zu Baustoffen im Leistungsverzeichnis zu machen. Wenn Bedenken dagegen schon eine Haftungsfreizeichnung des Auftragnehmers auslösen würden, torpediert dies den Werkerfolg, für den der Unternehmer einzustehen habe. Die Auslegung des § 13 Nr. 3 VOB/B muss daher so verstanden werden, dass sie die Haftung des Bauunternehmers nur soweit einschränkt, wie dies bei wertender Betrachtung gerechtfertigt ist. Diese Betrachtung ergibt sich aus der Art der Anordnung des Auftraggebers. Bestimmt dieser etwa ganz speziell ein bestimmtes zu verwendendes Fabrikat, trägt er auch das
Risiko. Bei einer nur generellen Bestimmung der Art eines zu verwendenden Baustoffs, trägt er allerdings nur auf dieser generellen Ebene das Risiko für Mängel. Er muss dann nur dafür einstehen, dass der Baustoff generell für den Verwendungszweck tauglich ist, nicht jedoch auch dafür, dass der Werkerfolg tatsächlich eintritt und der Baustoff mangelfrei eingebaut bzw. die Ausführung fehlerfrei ist.

Auf diese Rechtsprechung hat sich auch das OLG Jena im vorgenannten Urteil berufen und entscheidend darauf abgestellt, wie weit die Vorgaben des Auftraggebers reichten und den Auftragnehmer banden. Sucht der Auftraggeber deshalb die konkret zu verwendenden Baustoffe gegenständlich selbst aus, so hat er unbeschränkt für deren Tauglichkeit einzustehen. Bestimmt er dagegen nur generell, welcher Stoff zu verwenden ist, so hat er auch nur in dieser Allgemeinheit das Risiko der Verwendbarkeit zu übernehmen. Dann muss er auch nur dafür einstehen, dass der von ihm vorgegebene, aber nicht gegenständlich ausgewählte Stoff generell für den fraglichen Einsatz geeignet ist.

Tritt im Einzelfall bei dem vorgegebenen und generell auch geeigneten Stoff ein Mangel auf, hat jedoch weiterhin der Auftragnehmer für Mängel, die sich aus dessen Verwendung ergeben, einzustehen.

Die Haftung des Werkunternehmers ist also nur dann unter Anwendung von § 13 Abs. 3 VOB/B ausgeschlossen, wenn die aufgetretenen Mängel – im Falle des OLG Jena die Risse der Filter – auf einem grundsätzlichen Konstruktionsfehler beruhten;  im Falle des OLG Jena allen Filtern der vorgegebenen Typen des bestimmten Fabrikats anhaftenden. Wenn es sich dagegen nur um einzeln auftretende Produktions- bzw. Fabrikationsfehler handelt („Ausreißer“), die den vorgegebenen Typen gerade nicht allgemein anhafteten, hat der Auftragnehmer für deren Mängelfolgen nach den allgemeinen werkvertraglichen Regeln einzustehen.

Hier muss also zwischen Konstruktionsmängeln und Fabrikationsmängeln unterschieden werden. Bei ersteren kommt eine Haftungsbefreiung des Unternehmers nach § 13 Abs. 3 VOB/B im Einzelfall in Betracht, bei letzteren wegen der Erfolgsbezogenheit der geschuldeten Bauleistung nicht.

Wichtige Frage: Wann ist ein Bauteil vom Auftraggeber „vorgeschrieben“?

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