Wann erhalte ich Schadensersatz?

Nutzlose Aufwendungen für die Erstellung eines Angebotes

Bieter einer Ausschreibung dürfen bei einer öffentlichen Ausschreibung darauf vertrauen, eine faire Chance auf den Zuschlag zu erhalten. Sie dürfen weiterhin darauf vertrauen, dass ihre Aufwendungen für die Ausarbeitung eines Angebotes nicht durch unkorrekte Handhabung der Ausschreibungen und der Vergaberechtsregeln untergraben werden. Bei Verletzungen des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses durch den Ausschreibenden können Schadensersatzansprüche des Bieters nach vertragsrechtlichen Grundsätzen entstehen. Sie sind auf den Ersatz des Schadens gerichtet, den der Bieter im Vertrauen darauf erlitten hat, dass die Ausschreibung nach den Vorschriften der jeweils einschlägigen Verdingungsordnung durchgeführt wird.

Voraussetzungen für den Schadensersatz

Bei Ausschreibungen oberhalb der Schwellenwerte hat der Bieter gemäß § 97 Abs. 7 GWB einen ausdrücklichen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen für das Vergabeverfahren einhält.
Anders als im Unterschwellenbereich der nationalen Ausschreibung sind die Bestimmungen der VOB/A, VOL/A und VOF im Geltungsbereich des 4. Teils des GWB keine bloße innerdienstlich verbindliche Verwaltungsanordnung. Über die Ermächtigungsgrundlage des § 97 Abs. 6 GWB und der Vergabeverordnung (VgV) kommt den bieterschützenden Regelungen Normcharakter zu. Die bieterschützenden Bestimmungen im GWB, in der VgV und in den Verdingungsordnungen begründen gleichermaßen konkrete rechtliche Pflichten, an deren Verletzung der Schadensersatzanspruch unmittelbar anknüpfen kann.
Bei Vergaberechtsverfahren unterhalb der Schwellenwerte vertraut der Bieter darauf, dass der Auftraggeber Bestimmungen der Vergabevorschriften, an die er sich selbst gebunden hat, wieder anwendet. Dieser Vertrauensschutz basiert auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz und kann gleichfalls die Grundlage für einen Schadensersatz begründen.

So hat ein zu Unrecht übergangener Bieter bei erfolgter Auftragsvergabe Anspruch auf Schadensersatz in Höhe seines positiven Interesses am Auftrag (LG Leipzig, Urteil vom 30.04.2008). Durch die Beauftragung eines kostengünstigeren Angebotes, welches nicht den Anforderungen der Ausschreibung entspricht, verletzt der Auftraggeber seine Pflichten im Rahmen des Vergabeverfahrens.

 

Europaweite Ausschreibungen unterlassen

Mit Urteil vom 27.11.2007 hat der BGH entschieden, dass einem Bieter ein Schadensersatzanspruch nach § 126 Satz 1 GWB zusteht, wenn das Vorhaben nicht gemeinschaftsweit ausgeschrieben wurde. Nach dieser Bestimmung kann ein Unternehmen Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung seines Angebotes oder einer Teilnahme an einem Vergabeverfahren verlangen, wenn der Auftraggeber gegen einer dem Schutz von Unternehmen bezwecken Vorschrift verstoßen hat, und das Unternehmen ohne diesen Verstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt hätte, den Auftrag zu erhalten, die aber durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde.

Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist, dass der Bieter eine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte. Der Prüfung, ob die echte Chance eines Bieters beeinträchtigt worden ist, ist der Sachverhalt zugrunde zu legen, der sich ergibt, wenn die rechtwidrige beeinträchtigende Maßnahme hinweg gedacht wird.

Die Bieter können von der Vergabestelle wegen fehlerhafte Ausschreibung auch Schadensersatz aus culpa in contrahendo (c.i.c.) verlangen. Ein Anspruch aus culpa incontrahendo besteht, wenn ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis entstanden ist, und der Bieter hierauf hin auf eine ordnungsgemäße Durchführung vertraut. Mit einem Verfahrensfehler, wird regelmäßig das Vertrauen jedes Teilnehmers darauf verletzt, dass seine Aufwendung nicht von vornherein nutzlos gewesen ist.

Die Anspruchsgrundlage aus c.i.c. ist neben dem Anspruch aus § 126 Satz 1 GWB anwendbar. Mit § 126 Satz 2 GWB, wonach weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz unberührt bleiben, stellt das Gesetz nur deklaratorisch klar, dass der im Vergabeverfahren benachteiligte Bieter nicht auf die Geltendmachung des Negativinteresses beschränkt ist.

Ein Anspruch auf Schadensersatz steht dem Bieter aus c.i.c. auch dann zu, wenn er nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben, oder zumindest eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hat. Allerdings begrenzt sich der Schadensersatz auf nutzlos aufgewendete Angebotskosten.

 

Schadensersatzanspruch nur bei fehlerfreiem Angebot

Ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns ist nur dann begründet, wenn das Unternehmen bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen (OLG Brandenburg, Urteil vom 10.01.2007). Nur wenn dies feststeht, können die geltend gemachten Vergabestöße für den Gewinnausfall kausal sein.

Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines durch die Ausschreibung begründeten vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses, kommt daher dann nicht in Betracht, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters zwingend von der Wertung auszuschließen ist. Fehlen Unterlagen oder liegen andere zwingende Ausschlusstatbestände im Sinne des § 25 VOL/A, VOB/A vor, so droht der Schadenersatzklage die Abweisung mangels nachgewiesener Zuschlagschance des Unternehmers.

 

Kenntnis der fehlerhaften Ausschreibung

Die Ersatzpflicht trotz eines Fehlers in der Ausschreibung ist nicht gegeben, wenn kein schutzwürdiges Interesse vorliegt. An dem erforderlichen Vertrauenstatbestand fehlt es, wenn dem Bieter bekannt ist, dass die Ausschreibung fehlerhaft ist. Bieter sind dann nicht schutzwürdig, wenn der Verstoß bei zumutbarer Prüfung hätte erkannt werden können.

 

Ohne Gewinn kein Schaden

Kann der ehemalige Bieter nicht beweisen, dass er im Falle der Auftragserteilung an ihn auf der Grundlage seines damaligen Ausschreibungsangebotes einen Gewinn erzielt hätte, so steht ihm auch kein Schadensersatzanspruch zu (OLG Dresden, Urteil vom 02.02. 2010).

Das Gericht hat die Klage eines Bieters auf Schadensersatz abgewiesen, weil es nicht feststellen konnte, dass der Bieter überhaupt einen Gewinn erzielt hätte, falls er den Zuschlag erhalten hätte. Der gerichtliche Sachverständige ist bei seiner Berechnung der Schadensersatzsumme davon ausgegangen, dass das Angebot nicht mit Gewinn umzusetzen gewesen wäre.

... hat ein zu Unrecht übergangener Bieter Anspruch auf Schadensersatz!

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