Schulden, Schulden ...

Kommentare zur aktuellen Rechtsprechung für die Bauwirtschaft

Wann verjährt der Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern? Wann der des Gesamtschuldners? Und, sind Anordnungen zur Bauzeit „andere Anordnungen“ gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B? Spannende Fragen, die anhand dreier Urteile von unserem Autor Rechtsanwalt Michael Werner vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie beantwortet werden.

Zur Verjährung des Ausgleichsanspruchs unter Gesamtschuldnern


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 18. Juni 2009 – VII ZR 167/08 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschie-
den:


1. Der Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern unterliegt unabhängig von einer Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungs-
anspruch einer einheitlichen Verjäh-
rung. Auch soweit er auf Zahlung gerichtet ist, ist er mit der Begründung der Gesamtschuld im Sinne des § 199 BGB entstanden. 

2. Für eine Kenntnis aller Umstände, die einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB begründen, ist es erforderlich, dass der Ausgleichsberechtigte Kenntnisse von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen, von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, sowie von denjenigen, die das Gesamtschuldverhält-
nis begründen und schließlich von den Umständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen.


Eine Kirchengemeinde hatte 1993 einen Architekten und einen Bauunternehmer mit der Instandsetzung einer Friedhofsmauer beauftragt. 1996 traten Schäden auf, für die sowohl der Bauunternehmer als auch der Architekt verantwortlich waren. Im Jahr 2004 bezahlte die spätere Klägerin – die Haftpflichtversicherung des Architekten – die vollständigen Mängelbeseitigungskosten an den Auftraggeber. Sie machte mit der Klage aus übergegangenem Recht des Architekten Zahlung von 70 % dieses Betrages gegen den Bauunternehmer geltend. Letzterer erhob die Einrede der Verjährung. In dem Rechtsstreit war die Frage entscheidend, wann der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich entstanden war: erst 2004 (nach Zahlung der Versicherung) oder bereits 1993 (Zeitpunkt der Verursachung des Mangels) und welche Anforderungen an die Kenntnis des Anspruchs nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestellt werden.

Nach Ansicht des BGH ist der Anspruch mit der Verursachung des Mangels entstanden. Wenn Architekt und Bauunternehmer für den gleichen Mangel haften, sind sie Gesamtschuldner. Der Bauherr konnte jeden voll in Anspruch nehmen. Lediglich im Verhältnis von Architekt und Bauunternehmer untereinander komme es auf den jeweiligen Anteil an der Verursachung des Mangels an. Erfülle der Architekt den Schadensersatzanspruch des AG, könne er – abzüglich des eigenen Haftungsanteils – vom Bauunternehmer Ausgleich verlangen. Der Ausgleichsanspruch entstehe nach § 426 Abs. 1 BGB bereits in dem Augenblick, in dem die mehreren Ersatzpflichtigen vom Geschädigten ersatzpflichtig werden, also mit der Begründung der Gesamtschuld. Es bestehe zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch und wandle sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um.

Hieraus folge, dass der Ausgleichsanspruch unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch einer einheitlichen Verjährung unterliege. Auch soweit er auf Zahlung gerichtet sei, entstehe er mit der Begründung der Gesamtschuld. Die Gegenauffassung, die für den Zahlungsanspruch den Beginn der Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Zahlung durch den ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner an den Gläubiger sehe, teile der BGH nicht. Sie begründe nicht hinreichend, dass es sich um ei-
nen einheitlichen Anspruch auf Ausgleich handele. Ohne Belang sei auch, dass im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom Rechtsausschuss die Auffassung vertreten worden sei, die regelmäßige Verjährungsfrist beginne nicht vor dem Zeitpunkt, in dem der begünstigte Gesamtschuldner an den Gläubiger leiste.

 

Anmerkung

Durch die Schuldrechtsreform 2002 ist die Verjährung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 BGB ganz erheblich verkürzt worden, nämlich von 30 auf drei Jahre. Korrektiv ist lediglich, dass die dreijährige Verjährungsfrist kenntnisabhängig ist (§ 199 Abs. 1 BGB). Dieses Korrektiv ist jedoch nur sehr schwach. Denn für Kenntnis i. S. v. § 199 BGB reicht Tatsachenkenntnis aus, zutreffende rechtliche Würdigung der Tatsachen ist demgegenüber keine Voraussetzung für den Verjährungsbeginn.

 

Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich verjährt eigenständig


Der BGH hat mit Urteil vom 9. Juli 2009 – VII ZR 109/08 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:


Der Ausgleichsanspruch des Gesamtschuldners, der den Anspruch des Gläubigers erfüllt hat, wird grundsätzlich nicht davon berührt, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den anderen Gesamtschuldner verjährt ist.


Die Auftraggeber (AG) beauftragte eine Ingenieurgemeinschaft mit der Objektüberwachung eines Bauvorhabens. Der Beklagte erbrachte für dieses Bauvorhaben Dachdeckerarbeiten, die im September 1995 abgenommen wurden.

Im Januar 2001 leitete der AG ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Ingenieurgemeinschaft ein. Diese verkündete dem Beklagten im Februar 2001 den Streit. Das selbständige Beweisverfahren kam im Juni 2003 zum Abschluss. Im Juni 2005 erhob der AG gegen die Ingenieurgemeinschaft Klage auf Schadensersatz. Die Ingenieurgemeinschaft verkündete dem Be-
klagten im August 2005 wiederum den Streit. Sie wurde im November 2006 verurteilt, an die Streithelfer des AG zu zahlen. Von dem ausgeurteilten Betrag entfiel ¼ auf Bauausführungsmängel der vom Beklagten erbrachten Leistungen.

Die Klägerin war Haftpflichtversicherer der Ingenieurgemeinschaft, hat den ausgeurteilten Betrag voll bezahlt und macht gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB geltend. Der Beklagte berief sich auf Verjährung. Das vorinstanzliche OLG hatte den Beklagten zur Zahlung verurteilt. Der BGH hob dieses Urteil auf und wies an das Berufungsgericht zurück.

Nach Auffassung des BGH habe es für den übergegangenen Ausgleichsanspruch keine Bedeutung, dass die Gewährleistungsansprüche der Auftraggeberin gegen den Beklagten bereits im Jahr 2000 verjährt seien. § 426 Abs. 1 BGB gewähre einen selbständigen Ausgleichsanspruch zwischen mehreren Gesamtschuldnern, der einer selbständigen Verjährung unterliege. Die Verjährungsfrist bestimme sich nach der allgemeinen Vorschrift über die regelmäßige Verjährung und sei von der Verjährung des nach § 426 Abs. 2 BGB übergeleiteten Anspruchs des Gläubigers gegen den Ausgleichspflichtigen unabhängig.

Der Ausgleichspflichtige sei nicht berechtigt, dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner alle Einreden entgegenzuhalten, die sich aus dessen Verhältnis zum Gläubiger ergäben. Indem das Gesetz in § 426 Abs. 1 BGB einen selbständigen Ausgleichsanspruch schaffe, gewähre es dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner eine Rechtsposition, die er allein durch die Überleitung des Gläubigeranspruchs nach § 426 Abs. 2 BGB nicht erhielte. Diese Begünstigung würde dem Anspruchsberechtigten wieder genommen, wenn der Anspruch denselben Beschränkungen unter-
läge wie der übergeleitete Gläubiger-
anspruch. Die Verjährung des gegen den Beklagten gerichteten Gläubigeranspruchs könne nicht zum Nachteil des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners wirken. Dieser sei an der Rechtsbeziehung zwischen dem Gläubiger und dem weiteren Gesamtschuldner nicht beteiligt. Die Disposition, die der Gläubiger innerhalb dieses Rechtsverhältnisses durch (bewusstes oder unbewusstes) Verjährenlassen seiner Forderung gegenüber dem einen Gesamtschuldner treffe, könne nicht das Innenverhältnis der Gesamtschuldner zum Nachteil des anderen gestalten.

 

Sind Anordnungen zur Bauzeit „andere Anordnungen“ gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B?


Der OLG Celle hat mit Urteil vom 22. Juli 2009 – 14 U 166/08 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:


1. Bei Bauzeitverzögerungen kann dem Unternehmer ein Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B zustehen, sofern die Verzögerung auf Umständen beruht, die weder er noch allein ein Vorunternehmer zu vertreten hat. 

2. Akzeptiert ein Auftragnehmer bauzeitverlängernde Anordnungen seines Auftraggebers und führt sie aus, kann sich hieraus im Einzelfall eine einvernehmliche Änderung ergeben, die eine vertragswidrige Anordnung des Auftraggebers ausschließt.


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) beauftragte die Klägerin, ein Bauunternehmen (AN) im Zuge des sechsstreifigen Ausbaus einer Bundesautobahn mit der Erneuerung eines Brückenbauwerks. Der Beginn der Bauarbeiten verzögerte sich um einen Monat, weil die Verkehrsumstellung nicht rechtzeitig abgeschlossen war. Zudem rügte der Prüfingenieur die Bewehrung der alten Gründung der Widerlager, die nicht abgebrochen werden sollte, als nicht ausreichend für die Aufnahme der erforderlichen Lastansätze. Die AG hatte deshalb angeordnet, nicht nach den vorliegenden Plänen weiterzubauen. Nach Umplanung konnte der AN die Arbeiten erst ein Vierteljahr später fortsetzen. Die Parteien streiten nun, ob der AN einen Anspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B hat. Das OLG weist darauf hin, dass ein Anspruch aus § 2 Nr. 5 VOB voraussetze – da keine Änderung des Bauentwurfs vorliege -, dass sich die Grundlagen des Preises für im Vertrag vorgesehene Leistungen durch eine Anordnung des AG geändert hätten. Ob zu derartigen „anderen Anordnungen“ (als die Änderung des Bauentwurfs) auch solche gehörten, die die Bauzeit und hier insbesondere den Beginn der Ausführung betreffen, sei umstritten. Der BGH habe diese Frage bislang noch nicht eindeutig entschieden, wenngleich ältere Entscheidungen durchaus so interpretiert würden, dass diese Fälle einen Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B auslösen. Der BGH habe jedoch einen Anspruch davon abhängig gemacht, dass es sich um eine die Grundlagen des Preises ändernde einseitige Maßnahme des Auftraggebers handeln müsse, die ihren Ausgangspunkt in dessen Verantwortungsbereich habe. Hier sei der Senat allerdings der Ansicht, dass die allein durch einen Vorunternehmer zu vertretende Verzögerung nicht in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers falle. Die Bauzeitverzögerungen insgesamt seien jedoch dem Verantwortungsbereich des AG zuzuordnen. Das sei für einen Anspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B ausreichend; es komme nicht darauf an, ob der Beklagte die Verzögerung allein verschuldet habe. Die Bauzeitverzögerung beruhe auf Umständen, auf die der AN keinen Einfluss nehmen konnte (Verkehrsumstellung); bei der Umplanung der Widerlager habe eine Anordnung des AG vorgelegen. Ob nur vertragsgemäße – oder auch vertragswidrige – An-
ordnungen den vertraglichen Mehrvergü-
tungsanspruch des § 2 Nr. 5 VOB/B be-
gründen könnten, bedürfe hier keiner Entscheidung. Denn der AN habe die Anord-
nungen des AG, auch soweit sie sich auf die Bauzeit auswirkten, akzeptiert und ihre Leis-
tungen im geänderten Rahmen erbracht. Die Parteien hätten hier einvernehmlich die geänderten Umstände hingenommen.

 

Anmerkung

Dem Auftraggeber obliegt es, das Baugelände aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen; diese Obliegenheit wird nicht dadurch gemindert, dass noch andere Unternehmer Vorarbeiten zu erbringen haben. Deshalb führen auch die Verzögerungen wegen der von Dritten nicht rechtzeitig erbrachten Verkehrsumstellung zu einem Anspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B.


RA Michael Werner,

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Berlin

 E-Mail: ha.wirtschaft@bauindustrie.de

... entsteht laut BGH der Anspruch bereits mit der Verursachung des Mangels!

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