Auch graue Köpfe können Hoffnungsträger sein

Schon heute herrscht aktueller Mangel an Fachpersonal. In wenigen Jahren dürfte sich der Arbeitsmarkt längerfristig von einem Anbieter- zu einem Nachfragermarkt wandeln. Der Kampf um die besten Köpfe wird mithin (noch) intensiver werden. Und breiter im Suchspektrum. Sind es heute die herausragen-
den jungen Köpfe, die die Begehrlichkeit der Personalverantwortlichen auf sich ziehen, wird die demographische Statistik für eine deutliche Horizonterweiterung sorgen.

 

Lesenwertes

Der Anteil der 15- bis 25jährigen an der Gesamtbevölkerung geht zurück. Zwangsläufig rückt dieser Rückgang die Tatsache wieder ins Blickfeld, dass es Talente keineswegs nur innerhalb der jüngeren Generation gibt, sondern auch bei Mitarbeitern, die schon die Mitte ihrer Berufslaufbahn überschritten haben. „Insbesondere die weiblichen und älteren Talente werden zukünftig einen höheren Stellenwert erhalten“, kommentiert Norbert Thom diese Entwicklung. Das sind die Fakten, vor denen Thom und sein Kollege Adrian Ritz, beide im Personalbereich erfahrene BWL-Professoren an der Universität Bern, ein aufschlussreiches Buch herausgegeben haben: „Talent Management“ (Gabler Verlag, Wiesbaden 2010, 259 Seiten, € 39,95). Das nicht nur für Personalsuchende, sondern auch für die Gesuchten informative Werk ist in fünf Teile gegliedert. Der erste Teil zeigt den aktuellen Forschungsstand des Talent Managements. Der zweite Teil befasst sich mit dem Thema aus der Perspektive junger Talente und zukünftiger Leistungsträger. Im dritten Teil geht es mit 13 Fallstudien aus der Unter-
nehmens- und Verwaltungspraxis in die praktische Umsetzung des Talent Managements.

Im vierten Teil lassen die Herausgeber die grundsätzliche Wichtigkeit des Talentmanagements von einem sehr eigenständig denkenden Berater hinterfragen. Dessen Facit: Das eine allein seelig machende Talent Management gibt es nicht. Firmenindividuell können viele Wege nach Rom führen. (Per-
sonal)Probleme aber bekommt mit Sicherheit das Unternehmen, das nur fordert und nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch fördert. Und so den Fokus auf den Aufbau echter Loyalität zu seinen Leuten richtet. Der fünfte Teil fasst dann die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus den vor-
hergehenden Darstellungen komprimiert zusammen. Hervor-
zuheben daraus sind:

Talent Management ist unter anderem auch Führungsarbeit. Die tägliche Führungsarbeit und die Qualität der Vorgesetzten-Talent-Beziehung sind entscheidend, wenn Talente erhalten bleiben sollen. Die Qualität eines Vorgesetzten zeigt sich nicht zuletzt in der Anzahl der von ihm gewonnenen und geförderten Talente. Nachfolgeplanung und Talent Management ge-
hören unmittelbar zusammen. Die Nachfolgeplanung eröffnet Talenten Perspektiven und damit auch Bewährungsmöglichkeiten. Ein gutes Arbeitgeber-Image führt zu einer Erhöhung des Anteils sich bewerbender Talente. Die Bildung einer attraktiven Arbeitgeber-Marke muss jedoch hart erarbeitet werden. Geschickte Werbemaßnahmen reichen dafür nicht aus, sondern die Gesamtheit der im Talent Management eingesetzten Instrumente muss im Auge der Zielgruppe überzeugend sein. Dies ist nicht einfach zu erreichen, da Talente kritisch mitdenken und hohe Ansprüche an ihre Arbeitgeber haben.

 

Talente gesucht

Soweit der inhaltliche Aufbau des Buches. Bleibt die Frage: Wie sehen Herausgeber und Autoren des Buches Talente? Grundsätzlich als Menschen mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten im Wissen wie Wollen. Gemeinsam sind diesen Menschen einige herausragende Eigenschaften: Sie verfügen in aller Regel über eine höhere fachliche Ausbildung und Qualifikation. Allerdings, wie Thom im Gespräch betont, keineswegs nur akademischer Art! Sie zeigen eine sehr starke berufliche Motivation und Freude an herausfordernden Tätig-
keiten. Und sie haben ein stetiges Bedürfnis nach persönlicher und beruflicher Weiterbildung. Sind diese Talente also das, was die Umgangssprache als Streber bezeichnen würde? Für Thom entspricht das keineswegs den Tatsachen. Doch „um gar nicht erst den Verdacht entstehen zu lassen, hier handele es sich nur um Streber ohne Sozialkompetenz, ist zusätzlich zu fordern, dass dieser Personenkreis auch einen sozial kompetenten Umgang mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten pflegt!“

 

Brücken schlagen

Erkennbar, das Buch sieht den Talentbegriff umfassend. Und wohl abgewogen. Und ebenso definiert es den Begriff Talent Management. Herausgeber wie Autoren verstehen darunter alles, was die Identifikation, die Entwicklung, die Erhaltung und den Personaleinsatz eines Talents innerhalb von Organisationen – Unternehmen, Verwaltungen, Nonprofit-Institutionen – umfasst. In diesem Sinne sind Talente, so Thom, „Personen, die über die zentralen Schlüsselkompetenzen, welche eine Organisation für ihre positive Entwicklung benötigt, verfügen.“

Das Buch schlägt die Brücke von der Förderung der Jungtalente bis zum Talent Management bei älteren Führungspersonen. Es gibt sehr informative Praxisberichte aus Weltfirmen wie ABB, Audi, Capgemini Consulting, Microsoft und Novartis. Daneben zeigen große schweizerische Arbeitgeber ihre Kon-
zepte im Talent Management: die Schweizerische Post, die Kantonsverwaltung von Bern, das Telekommunikationsunternehmen Swisscom, die Versicherung Swiss Life und die Schweizerischen Bundesbahnen.

 

Autoren

Es spricht für das Buch, dass auch einige Autoren aus kleinen und mittleren Unternehmen zur Mitwirkung gefunden werden konnten (GetDiversity als spezieller Personalvermittler für weibliche Top-Führungskräfte, Lantal als Sitzstoffhersteller z. B. für Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe, Netcetera als Dienstleisterin in der IT-Branche). Ein gelungenes Werk, das über sein eigentliches Thema hinaus auch die grundsätzliche Wichtigkeit am Menschen orientierter, kluger, entwickelnder Mitarbeiterführung deutlich macht.


Dipl.Betriebswirt Hartmut Volk, freier Wirtschaftspublizist,

Bad Harzburg, E-Mail: hartmut.volk@t-online,de


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