Urban Mining vor Ort

Abbruchmaterial gewinnen und wiederverwerten

Seit Ende 2021 entsteht auf dem Gelände eines ehemaligen Seniorenzentrums in Wangen im Allgäu ein soziales Wohnquartier. Die Verantwortlichen verfolgen einen neuen Ansatz: Betonabfälle hochwertig vor Ort für den Wohnbau aufzubereiten.

Eine Vorreiterrolle beim Umgang mit den Ressourcen nimmt das Bauunternehmen Georg Reisch GmbH & Co. KG aus Bad Saulgau zusammen mit dem Betonwerk Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG aus Kißlegg ein. Während die Firma Reisch eine Prozesskette entwickelt hat, die aus dem Abbruchmaterial eine „RC-Körnung“ erstellt, wird im Betonwerk bei Rinninger ein hochwertiger Recyclingbeton produziert. Im neuen Sprachgebrauch spricht man auch von R (=ressourcenschonender) -Beton. Sebastian Geiger, Verantwortlicher für den Bereich F & E im Hause Reisch, erläutert das Projekt: „Im Großraum Stuttgart ist R-Beton gang und gäbe aber in unserer, an Kiesvorkommen reichen Region wird dieser bislang nur wenig verwendet. Wir haben dennoch dieses Projekt angestoßen, weil wir unseren Beitrag leisten wollen, um langfristig Primärrohstoffe und Deponieraum einzusparen. Im Vorfeld waren zahlreiche Laborversuche erforderlich, um aus dem Abbruchmaterial eine geeignete Gesteinskörnung zu generieren, die den Rohstoff Kies im Beton gleichwertig ersetzt“, so Geiger.

 

Das frühere Seniorenzentrum von St. Vinzenz wurde abgerissen. Rund 15.000 Tonnen Betonbruch wurden wiederverwendet. Das frühere Seniorenzentrum von
St. Vinzenz wurde abgerissen. Rund 15.000 Tonnen Betonbruch wurden wiederverwendet.
© Georg Reisch GmbH & Co. KG
Das frühere Seniorenzentrum von
St. Vinzenz wurde abgerissen. Rund 15.000 Tonnen Betonbruch wurden wiederverwendet.
© Georg Reisch GmbH & Co. KG
Aus 15.000 Tonnen Betonbruch wird RC-Körnung

Auf der Baustelle in Wangen fallen circa 15.000 Tonnen Betonbruch an, den es zu verarbeiten gilt. Am Bagger, der die Abbrucharbeiten durchführt, sind ein Sortiergreifer und ein Pulverisierer angebracht. Diese trennen das Material erst sortenrein und verarbeiten es dann zu Betonabbruch, der zunächst als Abfall eingestuft wird. Ebenso werden Proben genommen und auf chemische Parameter untersucht, die für die anschließende Lagerfläche und die spätere Zertifizierung relevant sind. Als Ort für die Lagerung wurde eine Brache unweit der Baustelle gewählt – um CO2-Emissionen zu sparen, die durch den Lkw-Transport entstehen. Zur Erzeugung einer sogenannten „RC-Körnung“ kommt auf der Baustelle ein mobiler Prallbrecher vom Typ Kleemann Mobirex EVO zum Einsatz. „Diese Anlage zerkleinert den Betonabbruch in Körner mit einer Größe zwischen null und 22 Millimeter, die anschließend noch einmal abgesiebt und nach Kornfraktionen sortiert werden“, erklärt Geiger. „Nach diesem Schritt kann das Material zu einem Produkt zertifiziert werden und verliert dadurch wieder seinen Abfallstatus.“

 

Rund 9.000 m³ Recyclingbeton liefert das Betonwerk Rinninger auf die Baustelle in Wangen. Rund 9.000 m³ Recyclingbeton liefert das Betonwerk Rinninger auf die Baustelle in Wangen.
© Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG
Rund 9.000 m³ Recyclingbeton liefert das Betonwerk Rinninger auf die Baustelle in Wangen.
© Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG
Betonwerk Rinninger produziert hochwertigen Recyclingbeton

Die größere Korngruppe (vier bis 22 Millimeter) wird danach im nahe gelegenen Transportbetonwerk Rinninger zu RC-Beton verarbeitet. Hierzu Geschäftsführer Marcus Winterfeld: „Weil die Kleinfraktionen aus dem gesiebten Abbruchmaterial nicht im Beton verwendet werden dürfen, wird die RC-Körnung, die wir mit unseren Fahrzeugen auf der Baustelle abholen, mit Natursand gemischt. Hinzu kommen Wasser, Zement und einige Zusatzmittel. Dank unserer langjährigen Erfahrung in der Produktion von Betonbauteilen und unserer Kompetenz in der Betonentwicklung sind wir in der Lage, eine auf die jeweilige RC-Körnung exakt zugeschnittene Rezeptur zu entwickeln. So entsteht ein für diese Maßnahme 100 Prozent geeigneter Recyclingbeton, der dann beim Neubau auf dem Vinzenz Areal verarbeitet wird. Um eine gleichwertige Betonqualität zu fertigen, mussten wir unsere Anlagen entsprechend anpassen. Um zusätzlich CO2 einzusparen, setzen wir zudem auf klinkerreduzierte Zementsorten. Noch ist dieses Verfahren teurer als die herkömmliche Betonproduktion. Dennoch sind wir hier gerne mit dabei, denn wir sehen es als unsere Pflicht an, Ressourcen zu schonen“, so Winterfeld.

 

Die Qualität stimmt: Der Recyclingbeton steht einem herkömmlichen Beton in nichts nach. Die Qualität stimmt: Der Recyclingbeton steht einem herkömmlichen Beton in nichts nach.
© Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG
Die Qualität stimmt: Der Recyclingbeton steht einem herkömmlichen Beton in nichts nach.
© Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG
Hochschule in Konstanz begleitet das Projekt

Fragt man sich noch, was mit den kleineren Korngruppen geschieht, die aus dem Abbruch stammen? Die Firma Reisch will diese beim Vinzenz-Projekt größtenteils ebenso wieder nutzen. In Frage kommt es z.B. als Rohrbettungsmaterial für Grundleitungen und zur Entwicklung von R-Estrich (Fraktionen ab zwei Millimeter). Geplant ist es ebenso, das Material für Deckenschüttungen zu verwenden. Was sich dabei genau für welchen Zweck eignet, will das Bauunternehmen im Laufe des Verfahrens herausfinden, hier fehlt es noch an der nötigen Erfahrung. Insofern handelt es sich hier auch um ein Pilotprojekt. Es wird zudem von der Fakultät BI der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) begleitet. „Egal, was dabei herauskommt“, sagt Sebastian Geiger, „das Material wird auf jeden Fall so hochwertig wie möglich wiederverwendet.“

 

650 Kippsattelzüge Kies eingespart

Fest steht dagegen schon jetzt der ökologische Nutzen. 15.000 Tonnen Betonbruch werden fast vollständig wiederverwertet. „Damit spart man rund 650 Kippsattelzüge Material, das nicht aus einem natürlichen Vorkommen entnommen werden muss“, schätzt Marcus Winterfeld. „Das Kiesvorkommen in der Region wird dadurch geschont, Deponien weniger belastet und durch die Reduktion der Transporte eine Menge an CO2 eingespart. Ein großer und wichtiger Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft, den das Unternehmen Rinninger mit seinen 220 Mitarbeitern gerne mitgeht.“

 

Wirtschaftlich kritisch – ökologisch sinnvoll

Auch die Firma Reisch sieht das Projekt unter wirtschaftlichen Aspekten noch kritisch: „Das Ganze rechnet sich noch nicht“, so Geiger. „Der RC-Beton steht in der Qualität dem herkömmlichen Beton zwar in nichts nach, die Kosten für das Herstellen von Recyclingbeton sind aber derzeit noch zu hoch. Aus unserer Sicht müssen jedoch Nachhaltigkeit und Ökologie derart an Bedeutung gewinnen, dass es ein unverzichtbarer Prozess ist, heute schon solche Projekte anzustoßen.“

So soll das Vinzenz Areal spätestens Anfang 2024 einmal aussehen. So soll das Vinzenz Areal spätestens Anfang 2024 einmal aussehen.
© arabzadeh.schneider.wirth architekten, freie architekten partnerschaft mbB

So soll das Vinzenz Areal spätestens Anfang 2024 einmal aussehen.
© arabzadeh.schneider.wirth architekten, freie architekten partnerschaft mbB
Anfang 2024 sollen alle sechs neuen Gebäude des Vinzenz Areals bezugsfertig sein. Sie werden zusammen mit der Kirche und dem stationären Pflegeheim von St. Vinzenz ein neues „soziales Quartier“ bilden, mit verschiedenen Wohnkonzepten und einem gebündelten Versorgungs- und Betreuungsangebot. Im Hinblick auf die verwendeten Baustoffe dürfen die Beteiligten in jedem Fall ein gutes Gefühl haben.

Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG

www.rinninger.de

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