„Wir wollen die Disziplinen zusammenführen“

Effiziente Schnittstellen erleichtern die Zusammenarbeit

Gespräch mit Markus Gallenberger, Geschäftsführer der Scia GmbH und der Frilo Software GmbH, über den Deutschen Baupreis, über interdisziplinären Austausch und über Schnittstellen

THIS: Hallo, Herr Gallenberger. Scia engagiert sich stark für den Deutschen Baupreis. Warum?

Markus Gallenberger: Der Deutsche Baupreis steht für Innovationen. Scia auch – das ist ein wichtiger Teil unserer DNA. Wir investieren zum Beispiel jedes Jahr etwa 30 Prozent unserer weltweiten Umsätze in Forschung und Entwicklung, um unsere Software, unsere Lösungen für die Kunden noch besser zu machen. Ständige Innovationen für uns, für unsere Kunden, interdisziplinäres Zusammenwirken, Arbeiten in Prozessen, über den Tellerrand blicken – das treibt uns an, daran glauben wir.

THIS: Entwicklungen, die Sie offenbar auch in der Bauindustrie sehen?

Markus Gallenberger: Gerade in der Bauindustrie. Auch im Hinblick auf die Digitalisierung, über die wir uns hoffentlich noch nachher unterhalten. Diese Zusammenarbeit ist das Herzstück von einer sicheren, nachhaltigen Bauplanung und -ausführung über den ganzen Lebenszyklus des Gebäudes hinweg.

Es geht beim Bauen auch darum, ein positives, dauerhaftes Vermächtnis mit Hilfe eines nachhaltigen Gebäudes zu hinterlassen. Der Deutsche Baupreis repräsentiert eben das, weil nach
Innovationen gesucht wird, nach Unternehmen, die
sich stetig verbessern und dabei auf die kompletten Rahmenbedingungen achten. Gemeinsam können wir Großes bewirken. Deswegen unterstützen wir den Baupreis.

THIS: Ist die von Ihnen beschriebene Kooperation phasenübergreifend gemeint?

Markus Gallenberger: Ja. Auftraggeber, Architekten, Fachplaner und Ausführende arbeiten zwar verstärkt digital, aber gelegentlich ist das Zusammenführen der einzelnen Modelle nicht ganz problemlos. Als einer der Vorreiter von OPEN BIM ist Scia schon sehr früh von ‚Building Smart international‘ dafür ausgezeichnet worden, dass wir diese Interoperabilitätsstandards für den Austausch in Strukturmodellen bewerkstelligen können. Und mit dem steigenden Bedarf an Effizienz – immer schnellere Projekte, immer mehr Änderungen, immer kürzere Projektlaufzeiten – muss auch der Reifegrad der Lösungen immer besser werden, damit unsere Kunden diese verwenden können, um ihre Projekte auch erfolgreich zu gestalten.

THIS: Wo kann Scia an dieser Stelle mitwirken und unterstützen?

Markus Gallenberger: Unsere OPEN BIM-Anwendungen, etwa der SCIA AutoConverter, bilden eine Brücke zwischen den Modellierern, den klassischen Architekten und den Ingenieuren. Die automatisierte Konvertierung der Architekturmodelle in ein Strukturmodell, aus einem beliebigen CAD-System heraus in ein analysefähiges Modell für den Ingenieur, gibt diesem die volle Kontrolle von dem Moment an, wenn er das erste Mal in den Prozess involviert ist. Für die Ingenieure und Fachplaner ist damit erstmals möglich, am kompletten BIM-Prozess digital teilzunehmen.

THIS: Man hat ja die Statik auch vorher über digitale Modelle berechnet. Was ist der Vorteil Ihrer Methode?

Markus Gallenberger: Wir haben Messungen mit Kunden gemacht, um herauszufinden wie sich die Vorteile der neuen digitalen Lösungen auf ihre Arbeit am Projekt auswirken. Die Ergebnisse zeigen, dass man mit unserer neuen Methode um das Hundertfünfzigfache schneller sein kann als mit herkömmlichen Methoden.

THIS: Wie kommt man da flächendeckend hin?

Markus Gallenberger: Ich glaube, dass hier nicht die Software ausschlaggebend ist, sondern eher das Mindset. Wir hatten erst letzte Woche einen Workshop mit fünf Architekturbüros und zwei Statik-Büros, die an verschiedenen Projekten zusammenarbeiten. Durch unsere verschiedenen Lösungen, die wir im Konzern haben, können wir viele Disziplinen – Architekten, Ingenieure, Statiker – an einen Tisch bringen. Und wir informieren einerseits zur Architektur-Software, zur Statik-Software, aber auch über die Brücke dazwischen, die man gemeinsam betreten kann.

Dann kommt meist das Aha-Erlebnis: Mensch, wir könnten uns hier noch verbessern, den reibungslosen Austausch sicherstellen, die Daten gemeinsam ablegen. Da haben wir einen Impact. Und die Kunden bestätigen das auch.

THIS: Also ist die Bereitschaft da, aber es bietet sich zu selten die Gelegenheit für den Blick ans andere Ufer?

Markus Gallenberger: Da gibt es zwei Aspekte. Zum Ersten wird die Arbeit umfangreicher und anspruchsvoller. Es gibt kürzere Projektlaufzeiten und massivere Änderungen an Projekten. Oft fehlt die Zeit, jedes Mal nach der optimalen Lösung zu suchen. Zum Zweiten ist die Arbeit ausdifferenzierter und verteilt sich mehr als früher auf die verschiedenen Gewerke. Man braucht entsprechende Lösungen, die das berücksichtigen. Diese Lösungen können wir im Konzern anbieten.

THIS: Im Konzern, in der Nemetschek-Gruppe, gibt es neben der Statik-Software Scia auch die Statik-Software Frilo. Wie unterscheiden bzw. ergänzen die sich?

Markus Gallenberger: Scia kommt von einem Strukturmodell, also einer modellbasierten Statik. Wir nehmen das Modell und arbeiten in diesem weiter. Frilo zeichnet sich durch
eine bauteilorientierte Statik aus.  Wir schauen hier auf die
einzelne Stütze, die einzelne Platte, die einzelne Wand. Wir
können mit Frilo einzelne Bauteile sehr detailliert und präzise berechnen.

Wir haben über bestimmte Schnittstellen die Möglichkeit
geschaffen, beide Softwarelösungen zu nutzen. Das wollen wir Stück für Stück erweitern. Wenn wir über Innovation sprechen, dann meinen wir Themen wie das Structural Analysis Format SAF. Das ist eine Initiative der Nemetschek-Group, um vom Format IFC ein bisschen wegzukommen, das für viele Zwecke etwas zu sehr mit Informationen überladen ist.
Das bestätigen uns viele Kunden immer wieder: Mit der Verbindung der beiden Lösungen Scia und Frilo, mit der Kombination von Strukturmodell und bauteilorientierte Statik, und der Verbindung über SAF leisten wir einen ganz wichtigen Beitrag für deren Projekte.

THIS: Was werden die nächsten Schritte sein? Was können wir in naher Zukunft von Ihnen erwarten?

Markus Gallenberger: Für Ingenieure sind immer auch neue Materialien interessant, oder die Produkte bestimmter Hersteller. Wir haben bereits in der Vergangenheit mit namhaften Herstellern Kooperationen abgeschlossen, die uns ermöglichen, ihre Produkte mit in die Statik einzubauen. Der Vorteil ist, dass dort die Zulassungen schon vorliegen, was den Ingenieuren die Arbeit sehr erleichtert. Viel wird an dieser Stelle noch manuell gemacht, aber das wollen wir ändern.

Wir haben neue Lösungen mit offenen Schnittstellen, verfolgen den OPEN-BIM-Ansatz. Dadurch unterstützen wir den vermehrten digitalen Datenaustausch zwischen Projektbeteiligten. Wir werden auch in Zukunft Lösungen entwickeln, die eine reibungslose, herstellerunabhängige Kollaboration zwischen allen Projektbeteiligten versprechen – über den kompletten Lebenszyklus des Gebäudes hinweg.

THIS: Inwieweit wirkt ein Statik-Modell in den Betrieb hinein?

Markus Gallenberger: Allzu oft nähern wir uns vom Design eines Gebäudes, aber das Thema endet nicht mit der Fertigstellung. Zu berücksichtigen ist auch der Betrieb. Ein Gebäude kann sich weiterentwickeln, der Zweck eines Gebäudes kann sich ändern; dann wird umgebaut oder erweitert. Wir sehen das doch derzeit zuhauf: Bestandsbauten erhalten neue Geschosse in Ständerbauweise, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Ohne Statik-Informationen über das Bestandsgebäude, ohne eine akkurat berechnete Statik für die Erweiterung geht da nichts.

THIS: Nun haben wir eine neue Bundesregierung, und mit Frau Geywitz eine neu Bauministerin. Haben Sie Vorschläge, was man von dieser Seite tun könnte, um Abläufe zu verbessern und das Bauen zu erleichtern?

Markus Gallenberger: Ich will mir nicht anmaßen, der Politik Vorschriften zu machen, aber ja, da habe ich einen Wunsch. Es gibt seitens der öffentlichen Hand Vorgaben, wie digitale Baupläne einzureichen sind. Bei den größeren Infrastrukturprojekten ist das inzwischen gut geregelt.

Geht man aber auf die kommunale Ebene, tun sich viele Projektbeteiligten schwer, weil hier die Anforderungen oft unterschiedlich sind. Vielleicht bekommt man auch auf kommunaler Ebene einheitliche Anforderungen für Austauschformate hin. Das wäre ein guter Anfang und für viele Projekt- und Baubeteiligten eine Erleichterung.

THIS: Zum Abschluss möchte ich Sie fragen, welche Bauunternehmen Sie bei der Preisverleihung zum Deutschen Baupreis auf dem Treppchen erwarten?

Markus Gallenberger: Es werden Unternehmen sein, die sich permanent verändern, die sich permanent weiterentwickeln und neu erfinden wollen. Sich zu verändern, ist kein einfacher Prozess. Das kostet Kraft, das muss man wollen. Darum bin ich wirklich gespannt, wer sich diesen vielen großartigen Unternehmen den entscheidenden Hauch absetzen kann. Auf dem Treppchen werden in jedem Fall innovative Unternehmen stehen, die diese Auszeichnung auch verdient haben.

Scia GmbH

www.scia.net

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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