SPRITZBETON MIT POLYPROPYLENFASERN

Spritzbare Brandschutzschicht

Durch den Zusatz von Polypropylenfasern können Spritzbetone recht lange extremen Brandlasten widerstehen. Ihre Wärme-Dämmwirkung ist zwar geringer als bei  klassischen Brandschutzmörteln und -platten, bei Bestandsbauten tragen sie jedoch gleichzeitig bei zur Ertüchtigung bei zu geringer Betondeckung oder zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit des Bauwerks bei starken Umweltangriffen.


In den Jahren von 1994 bis 2008 traten verheerende Brände in Verkehrstunnels auf: 1994 im Großen Belt, 1996 und 2008 im Eurotunnel, 1999 im Mont Blanc Tunnel und Tauerntunnel und 2001 im Gotthard Tunnel. Kennzeichnend für die an der Konstruktion auftretenden Schäden waren tiefgehende Abplatzungen, beginnend mit oberflächennahen Schichten der Betonrandzone, die die Tragfähigkeit beeinträchtigten. In tiefliegenden Tunnels führt das nicht gleich zu einem Versagen des Bauwerks, aber zu aufwändigen Instandsetzungsmaßnahmen und zu großen Folgekosten infolge der erforderlichen Sperrung der hochausgelasteten Infrastruktur.

In der Zwischenzeit wurden große Anstrengungen getroffen um sowohl die Personensicherheit als auch die Sicherheit der Konstruktion unter Brandeinwirkung und nach einem Brand zu verbessern. Dabei sind für den konstruktiven Brandschutz durchaus verschiedene, an die jeweilige Situation angepasste Maßnahmen möglich.

In diesem Beitrag soll speziell auf die Möglichkeit einer brandschutztechnischen Nachrüstung von Stahlbetonbauten mit Spritzbeton oder Spritzmörtel eingegangen werden. Da die meisten Untersuchungen für Tunnels durchgeführt wurden, erfolgt die Erläuterung schwerpunktmäßig für dieses Gebiet. Der Einsatz solcher „Brandschutz-Spritzbetone“ ist jedoch überall möglich, wo ähnliche Aufgabenstellungen vorliegen, so zum Beispiel auch bei Parkhäusern oder breiteren Brücken über Straßen.

 

Brandeinwirkung

Brände, die in Verkehrstunnels zu Katstrophen führen, sind durch ein sehr rasches Ansteigen der Vollbrandtemperatur auf über 1000 °C und einer längeren Periode bei Temperaturen zwischen 1000 °C und 1350 °C gekennzeichnet. Demgegenüber steigen die Temperaturen von Bränden in Wohngebäuden langsamer an. Die Einheitstemperaturkurve wird für solche Brände in Wohn- und Bürogebäuden als Beurteilung herangezogen. Sie ist auch die Grundlage für die Einteilung der allgemein bekannten Brandwiderstandsklassen.

Die Besonderheit von Bränden mit schnellen Temperaturanstiegen ist, dass neben der langsamen Verschlechterung der Materialeigenschaften mit ansteigender Temperatur, die bei allen Arten von Bränden auftritt, auch die Gefahr von explosionsartigen Abplatzungen der Oberflächenschichten besteht.

 

Hochtemperaturverhalten von Baustoffen

Die Eigenschaften aller üblichen Baustoffe bei hohen Temperaturen sind recht genau untersucht. Allerdings ist die Beurteilung nicht so einfach, da verschiedene Möglichkeiten zur zeitlichen Aufbringung von Last und Temperatur beachtet werden müssen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Beton und Stahl sind unbrennbar. Beton ist sogar bei Brandtemperaturen ein „guter“ Dämmstoff, was man in der Regel ausnutzt, um den empfindlicheren Stahl zu schützen. Ab etwa 200 °C verlieren aber Beton und Stahl zunehmend ihre Festigkeit und ihre Steifigkeit. Bei feuchtem Beton und bei Beton mit hoher Festigkeit verdampft Wasser im Porenraum und physikalisch sowie chemisch gebundenes Wasser. Dieser Dampf möchte entweichen. Ist dies aufgrund einer dichten Struktur und der schnellen Dampfentstehung nicht möglich, treten Dampfdrücke im Gefüge auf. Der Dampfdruck kann dabei auch die Zugfestigkeit des Betons überschreiten, und es kommt zu Abplatzungen.

Polypropylenfasern schmelzen bei Temperaturen um 145 °C und verbrennen bei Temperaturen ab  350 °C. Je nach Ihrer Anzahl, Zusammensetzung und Zähigkeit der Schmelze geben sie bei Brandeinwirkung neuen Porenraum frei. Diesen Weg kann der Dampf dann nach außen nehmen; kritische Drücke entstehen erst gar nicht.

Bei der Beurteilung von Stahlbetonkonstruktionen unter Brandeinwirkung dürfen die dabei auftretenden Zwängungen infolge von Temperaturausdehnung nicht vergessen werden. Die Entwicklung des Wärmedehnkoeffizienten der Baustoffe und das Hochtemperaturkriechen muss man daher bei Berechnungen mit berücksichtigen.

 

Schutzmaßnahmen

Die einfachste Brandschutzmaßnahme besteht in der Anbringung einer Schutzschicht vor oder an der Bauteiloberfläche. Wenn diese Schicht perfekt die Einwirkungen des Brandes abschirmen könnte, müsste man sich nicht mehr um die Brandbeständigkeit der Konstruktion kümmern. Diese Methode ist auch die einzig taugliche für eine Nachrüstung. Am Markt sind Brandschutzplatten, Brandschutzleichtmörtel und (für Stahl) aufschäumende Anstriche erhältlich. Seit der Entdeckung der günstigen Eigenschaften von PP-Fasern (Durchmesser 18-32 μm, Dosierung 1 bis 2 kg/m³) gibt es auch die Möglichkeit, Spritzbeton für solche Einsatzzwecke anzuwenden. Diese Methode wurde bereits in vielen Ländern für unterschiedlichste Einsatzzwecke und Betone in Versuchen als geeignet nachgewiesen. Im Neubau können dem Konstruktionsbeton bereits Fasern zudosiert werden; dann ist dieser Schutz bereits eingebaut und eine weitere Schutzschicht erübrigt sich.

Nach DIN EN 1992-1-2 sind Schutzschichten alle Baustoffe oder Baustoffkombinationen, die auf ein Tragwerk aufgebracht werden um dessen Feuerwiderstandsdauer zu erhöhen.

Spritzbare Schutzschichten müssen folgende Anforderungen erfüllen:

– Unbrennbarkeit, hoher Feuerwiderstand und gute thermische Dämmwirkung bis zur geforderten maximalen Brandtemperatur. Dies wird in der Regel so definiert, dass die Temperaturen in der Verbundfuge und an der ersten Bewehrungslage der Konstruktion gewisse Grenzen nicht überschreiten dürfen (z. B. < 350 °C bzw. 250 °C).

– ausgezeichneter Verbund zum Untergrund, während der Nutzung (z. B. Sogwirkung bei Zugverkehr) und bei Brandeinwirkung

– Dauerhaftigkeit unter den auftretenden Umweltbelastungen, auch im durchfeuchteten Zustand und bei Frosteinwirkung

– dem Einsatz entsprechende, ansprechende Oberflächenerscheinung mit der Möglichkeit zur unproblematischen Reinigung

– geringe Erstellungs- und Unterhaltskosten

In dem  ÖVB-Merkblatt Schutzschichten für den erhöhten Brandschutz unterirdischer Verkehrs­bauwerke sind Anforderungsprofile festgelegt.

Nach der Aufbringung vollflächiger, dichter Schichten besteht allerdings keine Kontrollmöglichkeit der ursprünglichen Betonoberfläche für die weitere Nutzungsdauer. Dies kann unter Umständen ein Nachteil für die spätere Beurteilung des Bauwerkszustands sein.

 

Spritzbare Schutzschichten

Übliche Brandschutzmörtel sind Leichtmörtel. Ihr großer Vorteil gegenüber Spritzbeton ist daher die deutlich geringere erforderliche Auftragsstärke bei gleicher Leistungsfähigkeit gegenüber der Temperatureindringung. Gerade im Bestand kann dies ein wichtiges Argument sein. Durch die geringe Rohdichte liegt auch die Druckfestigkeit solcher Mörtel im Bereich von Putzen oder Leichtputzen, und die Widerstandsfähigkeit gegenüber mechanischer Einwirkung und Frost im feuchten Zustand kann je nach Produkt deutlich unter jener von Beton liegen. Erschwerend beim Vergleich der Produkte hinsichtlich dieser Dauerhaftigkeitsanforderungen ist, dass sie meist nicht mit den gleichen Prüfverfahren wie Beton beurteilt werden können. Projektspezifisch ist also abzuschätzen, inwieweit diese hohen Belastungen aus Abrieb und Umwelt zu beachten sind oder nicht. Der Brandfall tritt entweder nie oder nur einmal auf, die Umweltbelastungen dagegen dauernd.

Spritzbeton mit PP-Fasern ist von der Rohdichte und den Eigenschaften her ein dem Normalbeton entsprechendes Material. Er ist gekennzeichnet durch größere erforderliche Schichtstärken aber übliche Betoneigenschaften mit guter bis ausgezeichneter Dauerhaftigkeit.

 

Zusatznutzen

Will man Bauten im Bestand in ihrer Brandbeständigkeit ertüchtigen, stellt sich die Frage, inwieweit die Konstruktion auch bezüglich ihrer Betondeckung, der Tiefe der Karbonatisierungsfront, des Chloridgehaltes und/oder bereits auftretender Korrosion einer Ertüchtigung bedarf. Mit Spritzbeton ist dies nach dem Instandsetzungskonzept R leicht durchführbar. Der Spritzbeton kann statisch verstärkend herangezogen werden, und seine Rezeptur lässt sich so einstellen, dass die meisten Expositionsklassen abgedeckt werden. Damit ergibt sich für Spritzbeton mit PP-Fasern die Möglichkeit, eine klassische Instandsetzung oder Verstärkung mit einer Verbesserung der Brandbeständigkeit zu kombinieren – ein beim Bauen im Bestand nicht zu unterschätzender Vorteil.

 

Versuchsergebnisse

Zur Wirkungsweise von PP-Fasern als Zusatzstoff im Normalbeton wurden sehr viele Versuche gefahren. Die dabei entwickelten Grundprüfkörper können auch zur Prüfung von Schutzschichten herangezogen werden. Die dem Brand ausgesetzte Fläche des Grundkörpers wird dabei in der Regel mit der Brandschutzschicht bekleidet. Von Wichtigkeit sind dabei ein relativ großer Versuchskörper mit ausreichend großer, dem Brand ausgesetzter Fläche sowie ein leistungsfähiger Brenner, der in der Lage ist die geforderten Temperaturen gesteuert anzufahren. Im Probekörper und in den Schutzschichten werden vorab Sensoren eingebaut, um die Temperaturentwicklung während des Versuchs aufzuzeichnen. Die Temperaturen in verschiedenen Schichten und der Zustand der Schicht nach dem Brandversuch sind dann die Hauptbeurteilungskriterien. Nach einem Brand müssen die Schutzschichten ersetzt werden.

 

Einsatzbeispiele

Einer der ersten Einsätze für Spritzbeton mit PP-Fasern als Brandschutzschicht erfolgte am Lainzer Tunnel, der neuen Bahn-Westeinfahrt nach Wien. Während des Tunnelbaus wurden die Anforderungen an den Brandschutz erhöht, sodass in bereits erstellten Bauteilen nachgerüstet werden musste. Dies traf vor allem auf eine Weichenhalle mit geringer Überdeckung über der Tunnelfirste zu. Dort wurden 23 000 m² des Spritzbetons in Schichtstärken von 6 bis 8 cm im Trockenspritzverfahren aufgebracht. Wie bei jeder Instandsetzung, war vor dem Auftrag eine Untergrundvorbereitung, in diesem Fall mit HDW Strahlverfahren, notwendig. Als zusätzlicher Schutz vor einem eventuellen Herabfallen einzelner Bereiche wurde vollflächig ein in die Unterkonstruktion verankertes Baustahlgitter eingebracht. Der Auftrag des Spritzbetons auf der komplizierten Geometrie (Hammerkopfunterzüge) erfolgte dann halbautomatisch mit Spritzarmen.

Bis Ende 2009 wurden in Österreich im Tunnelbau (inklusive Stationen) 63 000 m² PP-Faser-Spritzbeton, 20 000 m² klassische spritzbare Leichtmörtel sowie 220 000 m² Brandschutzplatten verbaut.

 

Zusammenfassung

Spritzbeton ist ein bewährter Baustoff in der Instandsetzung und bei der Verstärkung von Stahlbetonbauten. Das Aufbringen einer dünnen, qualitativ hochwertigen Schicht mit hohem Alkaligehalt und großer Dichtigkeit ist die technisch beste Methode, geschädigte Stahlbetonbauwerke instandzusetzen, wenn ein entsprechender Aufbau möglich ist. Im Brandfall weist dieser Spritzbeton die gleichen Eigenschaften wie Normalbeton auf. Wie dieser wird er auch bei extremen Brandeinwirkungen zum Abplatzen neigen. Durch den Zusatz von feinen Polypropylenfasern kann der Spritzbeton jedoch so eingestellt werden, dass er unter Brandeinwirkung nicht mehr abplatzt. Er eignet sich dann als Brandschutzschicht. Diese Brandschutzschicht erfordert gegenüber Leichtmörteln zwar eine größere Auftragsdicke, erhöht aber als Zusatznutzen die Dauerhaftigkeit der Konstruktion – Brandschutz wird also mit Betoninstandsetzung kombiniert.

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