Modellbasiertes Aufmaß u. Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung

Den Straßenbau digitalisieren

Die papierlose Straßenbaustelle soll kommen. Alle relevanten Daten, Informationen sowie Unterlagen werden nur noch digital ausgetauscht. Die Grundlage bildet ein einheitliches und von allen Beteiligten benutzten 3D-Modell.

Die Digitalisierung ist natürlich auch im Straßenbau das bestimmende Thema. Ging es im ersten Teil des Artikels um eine aktuelle Grundlagen- und Standortbestimmung, folgt nun Teil 2 zum Thema „Modellbasiertes Arbeiten“. Den dritten und letzten Teil mit dem Schwerpunkt „Praxis“ wird in THIS 4/2021 veröffentlicht.

2. Modellbasiertes Arbeiten

2.1 Methodische Ansätze zur Ermittlung der Ist-Geometrie mittels Baumaschinensteuerung

Eine Methode zur Echtzeit-Qualitäts- und Baufortschrittsüberwachungapkst die Aufnahme der Ist-Geometrie durch vernetzte Baumaschinensteuerungen. Damit eine automatische Zuordnung der mit dem Arbeitswerkzeug erfassten Messpunkte möglich ist, werden die einzelnen Oberflächen bereits im Planmodell mit einem Code klassifiziert. Die Baumaschinensteuerung liefert die Messpunkte mit dem gleichen Klassifizierungscode und ermöglicht dann in einer Cloud-Plattform eine automatisierte Echtzeitüberwachung [20]. Dieser Ansatz der Messpunktzuordnung entspricht dem erprobten Prinzip des codierten Aufmaßes. Geodäten klassifizieren die mittels herkömmlicher Vermessungstechnik aufgenommenen Messpunkte ebenfalls mit Codes [6], [14], [31].

Ferger entwickelt in seiner Dissertation ein Verfahren zur Mengenermittlung im Erdbau unter Einsatz von Baumaschinensteuerungen. Dabei werden die von den Baumaschinensteuerungen gelieferten Ist-Geometrien für Prozess- und Abrechnungsmengenermittlungen herangezogen [16]. Vergleichbar zu Kivimäki und Heikkilä stellt auch Ferger die Notwendigkeit einer Zuordnung der Ist-Geometrien von der Baumaschinensteuerung zu den Geometriedaten aus der Planung und den Leistungsverzeichnispositionen dar.

Der Vorteil einer automatisierten Zuordnung anhand von codierten 3D-Modellen liegt auf der Hand. Dabei können eigene unternehmens- bzw. baustellenspezifische Codierungssysteme verwendet oder später nach IFC Release 5 entsprechend erstellt werden. Solange letzteres noch nicht bereitsteht, bietet sich auch das finnische InfraBIM Classificationsystem YIV 2019 an, das mit über 600 Codes und Bezeichnungen als umfassend angesehen werden kann.

Unabhängig vom Einsatz der BIM-Methodik für eine Infrastrukturmaßnahme kann der hier beschriebene Arbeitsansatz auf der Baustelle angewendet werden. Dafür werden alle Elemente wie der Schichtenaufbau, die Erdkörper und weitere Bauteile von der Planung über die Ausführungsdaten für die Baumaschinensteuerung bis hin zur hergestellten Ist-Geometrie codiert und Messpunkte automatisch zugeordnet.

Ferger belegt im Rahmen einer Simulation der IT-gestützten Ermittlung von Abrechnungsmengen im Erdbau mittels Baumaschinensteuerungen eine Gesamtkostenersparnis bei einer Baumaßnahme von 17 %. Nach Abzug der eigentlichen Ausführungszeit, die in der konventionellen und der IT- sowie baumaschinensteuerungsgestützten Methode gleich ist, beträgt die Zeitersparnis bei den übrigen Baustellenarbeiten sogar 46 % [16]. Diese Kostenreduzierung deckt sich grundsätzlich mit Praxiserfahrungen auf Basis der Methode von Kivimäki-Heikkilä (vgl. Abschnitt 3.1).

2.2 Qualität der Messpunkte von Baumaschinensteuerungen

Die meisten eingesetzten Baumaschinensteuerungen arbeiten mit einer GNSS-Positionsbestimmung. Auf Motorgradern ist die Verwendung von zielverfolgenden Tachymetern üblich, wobei auch hier immer mehr GNSS-Empfänger zum Einsatz kommen. Zielverfolgende Tachymeter weisen grundsätzlich eine höhere Genauigkeit von unter 1 cm auf, sind dafür aber komplexer und zeitaufwendiger in der Anwendung für Baumaschinensteuerungen.

Eine Positionsbestimmung mittels GNSS ist hier deutlich einfacher in der Handhabung, erreicht aber nicht die gleiche Genauigkeit. Moderne GNSS-Empfänger, besonderes bei der Verwendung von allen vier verfügbaren Satellitensystemen (GPS, Glonass, Beidou, Galileo), erreichen nach der herrschenden Meinung eine Genauigkeit im unteren Zentimeterbereich. Wiesner et al., Morte et al. und Ferger gehen sogar von einer möglichen Genauigkeit von besser als 1 cm aus [32], [22], [16].

Unstrittig reichen die Genauigkeiten von GNSS-Positionierungssystemen wie Vermessungsrover oder Baumaschinensteuerungen für die Genauigkeitsanforderungen im Erd- sowie Unterbau aus. Der Einsatz von erforderlichen Korrekturdaten zur Erzielung der geforderten Genauigkeit via Korrekturdatendienst oder Basisstation ist in der Baustellenpraxis Standard, wobei in der Regel eine akkurat eingemessene Basisstation die besseren Ergebnisse liefern wird.

Neben der eingesetzten Technik hat deren Anwendung Einfluss auf die Qualität der Messpunkte. Um hier Abweichungen oder Messungen außerhalb der gegebenen Toleranzen zu vermeiden, ist eine Schulung der Fahrer sowie die regelmäßige Genauigkeitskontrolle der Baumaschinensteuerung erforderlich. Die Praxis hat gezeigt, dass letzteres wenigstens täglich durch den Fahrer erfolgen sollte und zusätzlich in größeren zeitlichen Abständen, z. B. wöchentlich, durch den Vermesser [30].

2.3 Gemeinsame Feststellung

Bei dem in Deutschland üblichen Regelwerk VOB/B für Bauleistungen im Straßenbau wird im § 14 die gemeinsame Feststellung der erbrachten Bauleistung vorgegeben. In Österreich und der Schweiz sind die Normen zwar andere, doch das Prinzip grundsätzlich gleich.
Die VOB/B und die regelmäßige Rechtsprechung schreiben das gemeinsame Aufmaß jedoch nicht zwingend vor. Auch das einseitige Aufmaß durch den Auftragnehmer ist üblich und oft unumgänglich, wenn z. B. vor Überbauung eine Leistung festgestellt werden muss und die Zeit für eine gemeinsame Feststellung mit dem Auftraggeber fehlt.

Durch eine gemeinsame Feststellung werden spätere Unstimmigkeiten vermieden. Ein gemeinsames Aufmaß ist bei Einigkeit für Auftraggeber und -nehmer bindend. Gleichzeitig tritt eine Beweislastumkehr ein, so dass der Aufraggeber bei einem späteren Einwand beweisen muss, dass die Abrechnungsmengen nicht berechtigt sind [16].

Im Allgemeinen gehen wir davon aus, dass diese gemeinsame Feststellung persönlich vor Ort stattfinden soll. Die DEGES, als einer der größten Auftraggeber von Bundesverkehrswegeprojekten und zukünftiger Bestandteil der Autobahn GmbH, sowie die Deutsche Bahn haben in ihren BIM-Regelwerken bereits die Leistungserfassung mit vernetzter Baumaschinensteuerung auf der Baustelle mit einer direkten Übernahme in die 3D-Modelle zugelassen. Dabei soll diese Form der Leistungserfassung als Grundlage der Abrechnung dienen [12], [13]. Die DEGES hält dazu ergänzend fest, dass der „Auftraggeber die erfassten Daten, Protokolle und Prüfberichte über eine gemeinsame Projektplattform mit dem Auftragnehmer“ einsehen können muss.

In diesem Sinne definieren Borrmann et al. im Auftrag des BMVI die „Plausibilisierung der in Rechnung gestellten Bauleistung anhand des“ im 3D-Modell „hinterlegten Baufortschritts“ [8].
Selbst wenn noch keine rechtliche Regelung für eine digitale gemeinsame Feststellung existiert, wird hiermit der grundsätzliche Rahmen dafür geschaffen. Darüber hinaus herrscht Vertragsfreiheit, das bedeutet die Vertragspartner können sich auf eine solche digitale gemeinsame Feststellung verständigen.

In einer Übergangsphase, oder wenn gewünscht, können die im Abschnitt 3.2 beschriebenen Qualitätsmessungen gemeinsam von Auftraggeber und Auftragnehmer durchgeführt werden.

2.4 Abrechnung auf Grundlage von Ausführungsplänen

Das Regelwerk der VOB ermöglicht eine Abrechnung auf Grundlage der Ausführungspläne, soweit wie geplant gebaut wurde. Die im vorherigen Abschnitt beschriebene Vorgehensweise der Plausibilisierung des Baufortschritts und der tatsächlichen Leistungserbringung auf dem digitalen Weg erscheint bei dieser Abrechnungsvariante einfacher und schneller umsetzbar. Hierbei kann mit der Baumaschinensteuerung die plangemäße Leistungserfassung festgehalten werden. Alle anderen vom Ausführungsplan abweichenden Leistungen könnten vom Vorarbeiter oder Vermesser, ggf. gemeinsam mit dem Auftraggeber, aufgenommen werden.

Moba Mobile Automation AG

www.moba-automation.de

Quellenangaben

[6] Bornemann, G., Codiertes Aufmaß, eine Alternative zur klassischen Aufnahme mit Feldbuch, VDVmagazin 2/07
[12] DEGES, 2020. BIM-Anwendungsfälle – Version 2.3, Internetabruf auf www.deges.de 24.11.2020
[13] Deutsche Bahn, 2020. Anwendungsfälle Ausführen, BIM Lebens-
zyklus, Internetabruf www.deutschebahn.com/db-netz-bim/ 11.08.2020
[14] DIN 18710, 2010, Beuth Berlin
[16] Ferger, M., 2014. Verfahren zur IT-gestützten Ermittlung von Pro-
zess- und Abrechnungsmengen des Erdbaus unter Einsatz von Bau-
maschinensteuerungen, Dissertation Universität Siegen, Cuvillier
[20] Kivimäki, T., Heikkilä, R., 2015. Infra BIM based Real-time Quality Controll of Infrastructure Construction Projects, University of Oulu, Internetabruf www.researchgate.net 22.11.2020
[22] Morte, R. et al., 2019. Geotechnische Messverfahren in Handbuch Geotechnik, Springer
[30] Taina, H., 2019. Gespräch mit Harri Taina Vermessungsingenieur Destia Oy über die Anwendung der Methode, Lahti Finnland
[31] Tiemann, I., 2019. Prozessorientierung im Außendienst mit dem grafischen Feldbuch, 20. Internationale Geodätische Woche Obergurgl 2019; Internetabruf IUBH School of Business and Management, 27.11.2020
[32] Wiesner, A. et al., 2017. Ingenieurgeodäsie – eine Einführung in Ingenieurgeodäsie, Springer
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