Mehrdimensionale Risiken

Risikomanagement für Bauunternehmen im heterogenen Umfeld

Schwer kalkulierbare Bauzeiten, saisonale Verfügbarkeiten von Personal oder nicht ausreichend untersuchter Baubestand – die Risiken am Bau sind vielschichtig.

Doch nur wenige Bauunternehmen nutzen ein systematisches Management.

Nicht erkannte, nicht beherrschte und dann eingetretene Risiken schmälern die Rendite des laufenden Geschäftsjahres, sie können aber – je nach Umfang und wirtschaftlicher Tragweite – auch den Fortbestand des gesamten Unternehmens ernsthaft gefährden. Nur durch eine systematische Risikoidentifikation, Risikobewertung und Risikobeherrschung ist der Baualltag des Bauunternehmens nicht von Zufällen getrieben.

Verschiedenste Einflüsse

Das einzelne Bauvorhaben – mit der Planungs-, Genehmigungs- und Ausführungsphase –  unterliegt einer breiten Palette der Einflüsse. Der Bauherr, die Planer, die ausführenden Bauunternehmen, die Finanzierer und die Behörden usw. bringen mit ihren ganz verschiedenen Strukturen weitere Dimensionen ins Spiel. All dies zeigt die besondere Herausforderung für das Risikomanagement im Bauwesen: Die Heterogenität und Komplexität durch die einzelnen Player und Strukturen. In dieser Heterogenität sind die Bauunternehmer als Anbieter von Bauleistungen ein Teil dieses Systems.

Die Risikodimensionen des Bauwesens

Ein Bauvorhaben selbst ist immer ein mehrdimensionales Projekt und wird von seinen sehr unterschiedlichen Teammitgliedern und Situationen geprägt. Die zentrale Risikodimension ist der Prozess der Bauwerkserstellung. Ausgehend von der Projektidee, über die Planung bis zur Ausführung, ist das Bauen ständig von Risiken begleitet, da im Gegensatz zur Güterherstellung beim Bauen kein „Prototyp“ gebaut, getestet und zur Serienreife gebracht wird. Dass sämtliche Unwägbarkeiten direkt am Endprodukt gelöst werden müssen, bringt eine Vielzahl von unbekannten Situationen und Risiken mit sich.

Die große Anzahl von strategischen Risiken, denen Bauunternehmen ausgesetzt sind, lassen sich im Wesentlichen in folgende fünf Risikogruppen einteilen: rechtliche Rahmenbedingungen, Marktrisiko, Verfügbarkeitsrisiko, Finanzierungsrisiko sowie Organisations- und Führungsstruktur. Eine Übersicht findet sich in Tabelle 1 auf Seit 109.

Risiko rechtliche Rahmenbedingungen

Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Bauens beherrschen das Baugeschehen erheblich. Die meisten Bauunternehmen haben mittlerweile erkannt, dass der Bauvertrag den wirtschaftlichen Erfolg erheblich beeinflusst und unterziehen daher die vertraglichen Regelungen einer juristischen Prüfung. Die technischen Normen auf nationaler und mittlerweile auf europäischer Ebene haben eine hohe Regelungsdichte erreicht. Nur wer sich dieser Regelungen bewusst ist, kann beim konkreten Bauprojekt beurteilen, ob die erbrachten Leistungen auch dem „Stand der Technik“ entsprechen.

Marktrisiko

Ein grundsätzliches Risiko für das Bauunternehmen ist das Marktrisiko. Durch externe Umstände bedingt, kann sich die Nachfrage nach Bauleistungen der verschiedenen Auftraggeber-Gruppen kurzfristig verändern (Konjunktur, Wegzug von großen Industrieunternehmen etc.). Die statistische Aufarbeitung der Vergangenheitswerte und die Prognose der Zukunftswerte sind hierbei die notwendigen Werkzeuge, um frühzeitig über sich anbahnende Veränderungen informiert zu sein und entsprechend reagieren zu können.

Verfügbarkeitsrisiko

In der jüngsten Zeit hat das Verfügbarkeitsrisiko von Fachkräften erheblich an Bedeutung zugenommen. Dieses Risiko kann nur durch eine sehr konsequente Personalpolitik abgemildert werden. Dies gilt auch für die Verfügbarkeit von Nachunternehmer, Baustoffen und besonderen Einbauteilen. Nur ein auf weite Sicht angelegtes Netzwerk an Partnern erlaubt es, den möglichen Engpass zu minimieren.

Finanzierungsrisiko

Aufgrund der großen strategischen und operativen Risiken sind viele Bauunternehmen in Deutschland von einem Finanzierungsrisiko bedroht. Die Ausstattung mit Eigenkapital hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert. Unabhängig davon, ist die Eigenkapitalquote häufig zu gering, um die Risiken und die Besonderheiten der Herstellung von Unikaten auszugleichen. Die operativ unmittelbar spürbare Form der Finanzierung ist die im Bauunternehmen vorhandene Liquidität. Die laufende Liquidität muss durch ein Liquiditätsmanagementsystem gesteuert werden.

Risiko Organisations- und Führungsstruktur

Die geringste Aufmerksamkeit der Unternehmensführung eines Bauunternehmens wird häufig der eigenen Organisations- und Führungsstruktur gewidmet. Insbesondere mittelständische, familiengeführte Unternehmen übertragen jahrelang bewährte Strukturen oft unreflektiert in die Zukunft. Analysiert man Bauunternehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, so zeigt sich häufig, dass die vorhandene Struktur nicht mehr in der Lage war, die Herausforderungen des Marktes zu lösen. Die Risikoidentifikation ist der erste Schritt, um dieses Risiko zu minimieren. Ein sich regelmäßig wiederholender „Check-up“ der eigenen Struktur, etwa durch unabhängige Dritte, ist ein geeignetes Mittel, um die Ist-Situation vor dem Hintergrund der Anforderungen laufend zu prüfen.

Analyse der strategischen Risiken

Strategische Risiken sind langfristige Risiken und Ihre Auswirkungen zeigen sich oft erst nach längerer Zeit. Jedes Risiko für sich genommen ist jedoch in der Lage im Eintrittsfall den Bestand des Unternehmens zu gefährden. Insbesondere die Marktrisiken und Risiken aus den rechtlichen Rahmenbedingungen sind durch intensive Recherchen sowie mit statistischen Methoden zu analysieren. Die statistischen Ämter und die Arbeitgeberverbände in der Bauwirtschaft stellen entsprechende Daten zur Verfügung. Aus diesen Daten die individuellen Schlussfolgerungen zu ziehen ist wiederum die Kernaufgabe des Bauunternehmens.

Die operativen Projektrisiken der Bauunternehmen

Die operativen Risiken folgen der Tatsache, dass Bauen in der Regel die Erstellung von Unikaten verlangt, und viele Erkenntnisse sich erst im Laufe der tatsächlichen Bauarbeiten ergeben. Es stellt sich hier die Frage, ob die operativen Risiken eines Bauvorhabens durch ein handhabbares Risikomanagementsystem der Verantwortlichen eines Bauunternehmens systematisch erkannt und beherrscht werden können. Die operativen Risiken des Bauunternehmens lassen sich als eine mehrdimensionale Matrix darstellen, die in Abbildung 2 dargestellt ist.

Diese Mehrdimensionalität lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Bereits in der Angebotsphase ist es die Aufgabe des Kalkulators, zu erkennen, ob z.B. in der Ausschreibung eine unrealistische Bauzeit vorgegeben wurde. Insbesondere der Fertigstellungstermin birgt Risiken, da dem Auftragnehmer – im Falle der Zielverfehlung – Mehrkosten anfallen würden und darüber hinaus noch Vertragsstrafen drohen. Jedes nur erdenkliche Risiko, welches den geschuldeten Erfolg und somit den wirtschaftlichen Erfolg gefährdet, ist gemäß dieser Matrix zu behandeln.

Häufig werden diese Themen zwar in Kalkulationsschlussbesprechungen angesprochen. Nicht selten werden aber die in der Angebotsphase erkannten und noch nicht gelösten Risiken nicht mehr ausreichend in den nachfolgenden Bauphasen überwacht. Dies kann ein unvorbereitetes Eintreten der Risiken mit allen Konsequenzen für das Bauunternehmen zur Folge haben, was es zu vermeiden gilt.

Zur Beherrschung der mehrdimensionalen, operativen Risiken eines Bauunternehmens wären mathematisch-statistisch basierte Systeme wünschenswert. Solange diese noch nicht praxisreif sind, kann durch den konsequenten Einsatz einer sog. „Risikotabelle“ das mehrdimensionale, operative Risiko je Bauprojekt zweidimensional gesteuert werden.

Beispiel einer Risikotabelle

Das oben gezeigte Beispiel stellt eine Tabelle im Stadium der Angebotsbearbeitung dar. Sämtliche, in der Angebotsphase erkannte Risiken werden in der entsprechenden Spalte beschrieben. Der Kalkulator muss mit seinem technischen Sachverstand und der beruflichen Erfahrung die Risiken der einzelnen Risikoarten in der Ausschreibung und in den Vertragsbedingungen identifizieren und beschreiben.

Gelingt es dem Kalkulator, ein erkanntes Risiko in den Angebotspreisen abzubilden, so ist das Problem gelöst. Ist dies aus wettbewerbstechnischen oder sonstigen Gründen nicht möglich, so verbleibt ein Rest-Risiko, welches nun systematisch und intensiv bearbeitet werden muss. Bereits in der Angebotsphase sind Maßnahmen zu suchen, die zu einem späteren Zeitpunkt das Risiko verkleinern oder ganz eliminieren. Da der Eintritt von Risiken sowohl im Einzelfall als auch in der Addition von verschiedenen kleineren Einzelrisiken den Bestand des Unternehmens gefährden kann, ist es von zentraler Bedeutung, dass die verantwortliche Geschäftsleitung diese Risiken kennt und die Verantwortlichen entscheiden, ob sie die aufgelisteten Risiken auch eingehen wollen.

Das Wesentliche an der dargestellten, beispielhaften „Risikotabelle“ ist es, dass diese Struktur in den Phasen Arbeitsvorbereitung, Baustellbetrieb und Bauabrechnung weitergeführt wird. Die Tabelle der noch nicht aufgelösten Risiken muss zwingend durch den Arbeitsvorbereiter weitergeführt werden.

Eine ausgeprägte Risikokultur tut Not

Bauen ohne Risiken wird vermutlich auf absehbare Zeit nicht möglich sein. Daher ist der systematische Umgang mit strategischen und operativen Risiken im Bauunternehmen in der Regel eine komplexe, aber zwingende Aufgabe. Das Ignorieren von Risiken macht den Unternehmenserfolg zu einem Zufallsprodukt und der unerwartete Eintritt von Risiken kann sehr schnell den Bestand des Unternehmens gefährden. Daher sollte Risikomanagement eine Führungsaufgabe im Bauunternehmen sein.

Die mittelständisch geprägte Bauwirtschaft setzt nur zu selten systematische Instrumente zur strategischen Risikovermeidung ein. Um den ersten Schritt in ein zum Unternehmen passendes Risikomanagement zu vollziehen, bieten sich Seminare zum Umgang mit operativen Risiken an. Hier wird der Aufbau eines Systems vermittelt, das diese Risiken zu erkennen und zu steuern vermag. Denn nur wer sich seiner Risiken bewusst ist, kann konkrete Schritte zur Risikovermeidung, beziehungsweise -beherrschung, einleiten. Darauf aufbauend gilt es geeignete Werkzeuge für die strategischen Risiken des Bauunternehmens zu finden, damit die Steuerung des Unternehmens hinsichtlich der Risiken nicht von Zufällen abhängig ist.

Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung GmbH

www.buchalik-broemmekamp.de

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