Damit Wohnen kein Luxusgut wird

Nachhaltige Stadtgestaltung

Unterschiedliche Projekte von Wohnungsbauunternehmen und -genossenschaften, Bauträgern, Kommunen und einer Stiftung demonstrieren das Herangehen an

identitätsstiftenden Wohnungsbau in Berlin. 

In kaum einer Stadt in Deutschland lassen sich die Folgen fehlgeleiteter Bau- und Wohnungspolitik so drastisch beobachten wie in Berlin. Gentrifizierung, Stadtflucht in den Speckgürtel, wachsender Zuzug in die Hauptstadt oder Mietendeckel sind nur einige Stichworte, welche die Komplexität des Problems fehlenden bezahlbaren Wohnraums umreißen.

Im Stadtentwicklungsplan Wohnen 2025, Basis der Wohnungspolitik des Berliner Senats, heißt es: „Bis 2025 sollen Flächen für den Neubau von mindestens 137.000 Wohnungen bereitgestellt werden, um preistreibenden Knappheiten am Wohnungsmarkt entgegenzuwirken. Dabei muss das jährliche Flächenangebot einem Vielfachen der jährlichen Nachfrage entsprechen.“ Die Bündnisse für Wohnungsneubau der Berliner Bezirke mit dem Senat haben sich zur Aktivierung von Neubaupotenzialen und der zügigen Schaffung von Planungs- und Baurecht verpflichtet.

Genossenschaftsbau

Bei 6,50 Euro pro Quadratmeter liegt der Mietpreis für eine von 162 geförderten Wohnungen in der Lion-Feuchtwanger-Straße 21 in Berlin-Marzahn. Im Auftrag der Gesobau AG entsteht hier ein Gebäudeensemble aus vier Häusern mit insgesamt 334 Wohnungen, im Frühjahr 2020 ist die Fertigstellung geplant. Im benachbarten Stadtbezirk Lichtenberg – im Fürstenberg-Kiez in Karlshorst – errichtete die Wohnungsbaugenossenschaft EVM Berlin eG in der Karl-Egon-Straße 17 ein generationengerechtes Wohngebäude mit vier Geschossen. Die 78 Wohnungen mit zwei bis fünf Zimmern sind 2016 bezogen worden. Eine multivalente Grundrissstruktur ermöglicht alternative Wohnformen, komplette Barrierefreiheit trägt der demografischen Entwicklung Rechnung, Räumlichkeiten für einen Bewohnertreff fördern soziales Miteinander. Die Tiefgarage bietet neben Stellplätzen für Autos und Fahrräder auch Ladestationen für Elektromobilität. Eine Wärmepumpe gewinnt so viel Energie aus dem Abwasser, dass auch benachbarte Bestandsgebäude versorgt werden können. Für das innovative Konzept vom Architektur- und Ingenieurbüro Lichtl wurde die EVM mit dem „Genossenschaftspreis Wohnen 2015“ ausgezeichnet.

Klare Formen, ökonomischer Materialeinsatz und soziale Verantwortung: Eckpfeiler der frühen Berliner Genossenschaftsprojekte, die den Städtebau des 20. Jahrhunderts nachhaltig prägten. Mit der Neubausiedlung Schwyzer Straße 1-1c knüpft die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft 1892 (BBWO 1892) an das von Bruno Taut entwickelte Konzept für seine in den 1920er-Jahren errichtete Schillerpark-Siedlung, heute UNESCO-Weltkulturerbe, an. Die monolithische Mauerwerkskonstruktion wie die Formensprache folgt dem Vorbild Tauts. Das Gebäude beherbergt 74 Wohnungen inklusive Gewerbeeinheit und Tiefgarage. Wohneinheiten zwischen 40 und 120 Quadratmetern bieten bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum. 31 Wohnungen sind barrierefrei.

Als eine von sechs Wohnsiedlungen der Berliner Moderne gehört die Gartenstadt Falkenberg ebenfalls zum UNESCO-Welterbe. Die Neubauten am Akazienhof 4 knüpfen identitätsstiftend an die ebenfalls von Bruno Taut geplante „Tuschkastensiedlung“ an.  Zwei der 18 Wohneinheiten wurden auf die Bedürfnisse von Wohngemeinschaften für Schlaganfallpatienten zugeschnitten und sind barrierefrei, inklusive Gemeinschaftsraum.

Wassernähe

Wohnen am Wasser ist seit jeher beliebt und umworben. In der Hauptstadt entstehen derzeit viele Projekte auf Industriebrachen und Konversionsflächen an Spree- oder Havelufer. Auch die Umnutzung historischer Gebäude rückt in den Fokus von Investoren und Bauträgern. In der Parkstraße 13 im Stadtbezirk Spandau saniert die Buwog Bauträger GmbH unter dem Namen Speicherballett zwei denkmalgeschützte Bestandsbauten, die nach Fertigstellung 82 Eigentumswohnungen beherbergen werden. Neben speziellem Wassermanagement und bedarfsgerecht geplanter Energieversorgung gehören eine quartiereigene Kita, Spielplätze und Tiefgaragen zum ganzheitlichen und bedarfsgerechten Konzept. 

52° Nord ist ein weiteres anspruchsvolles Projekt des Bauträgers in der Regattastraße 10 bis 35 im zu Köpenick gehörenden Grünau. Auf dem 100.000 Quadratmeter großen Grundstück am Ufer der Dahme errichtet die Buwog ein Quartier mit mehr als 800 Miet- und Eigentumswohnungen. 380 sind fertiggestellt, ein Drittel davon steht Mietern zur Verfügung. Mehr als 1.000 Menschen werden in der Havelmarina in Spandau ein neues und wertiges Zuhause finden. Zwischen Havel und Teufelsseekanal errichtet die Helma Wohnungsbau GmbH auf der revitalisierten Industriebrache des Kraftwerks Oberhavel mit der Gesamtfläche von fast 20.000 Quadratmetern 96 Einfamilien-, 15 Reihenhäuser sowie 18 freistehende, mehrgeschossige Gebäude mit 90 Eigentumswohnungen.

Öffentlicher Raum

Dass zum Wohnen mehr als das sprichwörtliche Dach über dem Kopf, sondern auch öffentliche, der Allgemeinheit zugängliche Gebäude gehören, demonstriert der dreigeschossige Neubau der Stadtbibliothek in Köpenick. Der Entwurf fügt sich in das denkmalgeschützte Ensemble eines ehemaligen Schulgebäudes ein und beherbergt den öffentlichen Teil der Bücherei. Äußerst prägnant zeichnet der massive Ziegelbau die Kontur des historischen Altmarktes nach – mit Bezügen auf die angrenzende Bebauung. Mit dem monolithischen Sichtmauerwerk, 64 Zentimeter dick, knüpft der Neubau unmittelbar an die Ziegel des alten Schulhauses an. Im Inneren finden neben der Stadtbibliothek Seminarräume und ein Lesecafé Platz.

Das am Petriplatz in Berlins Mitte geplante House of One wird das erste Bet- und Lehrhaus dieser Art sein. Der Entwurf für das interreligiöse Gebäude spiegelt anhand unterschiedlich geformter Kuben, die durch das einheitliche Material Ziegel ineinander übergehen, dass hier sowohl Judaismus, Islam als auch das Christentum eine gemeinsame Heimstatt teilen. Die Mittel zur Finanzierung des architektonisch anspruchsvollen und kühnen Projekts sollen über Crowdfunding eingeworben werden. Geplanter Baubeginn ist 2020.

Lebensraum Ziegel

www.lebensraum-ziegel.de

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