Nie mehr ohne – Absturzsicherung

Durch Prävention Absturzunfälle vermeiden

Absturz ist die häufigste Unfallursache auf Baustellen und im baunahen Service. Laut den Zahlen und Statistiken der BG BAU und der DGUV ist der Befund eindeutig: Dächer und Leitern sind die gefährlichsten Arbeitsorte!


© BG BAU

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Der Unfallbefund ist meist ziemlich eindeutig: Absturz! Der Anlass kann aber sehr vielfältig sein. Die Palette der Unfallursachen reicht von falsch eingesetzten Leitern oder defekten Gerüsten über ungesicherte Absturzkanten oder gefährliche Verkehrswege in der Höhe bis zu nicht sichtbaren Durchbrüchen oder nicht tragenden Untergründen. Oft spielt auch Leichtsinn oder die Missachtung von Arbeitsschutzregeln eine Rolle, wie die Erfahrung zeigt. Dabei gibt es in Deutschland – und auch außerhalb – klare Regeln und Vorschriften und sehr viele Mittel zur Verhinderung von Abstürzen.

Die sind nicht nur eine der häufigsten Unfallursachen, sondern auch eine der folgenreichsten. Vom Leid der Betroffenen, ihrer Familien, Freunde und Verwandten abgesehen, belasten die Behandlungen, Rehabilitation und ggf. Unfallrentenzahlungen die Allgemeinheit stark. Deshalb sind besonders die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wie die BG BAU gefordert, durch Information und Aufklärung sowie Aufsicht an Arbeitsstätten wie etwa Baustellen zu mehr Sicherheit beizutragen. Zielgruppen sind vorrangig Arbeitgeber mit der Pflicht, für guten Arbeitsschutz zu sorgen, aber auch Arbeitnehmer sollten durch entsprechendes Verhalten zur Vermeidung von Unfällen beitragen.

Prävention im Fokus

Katalog Arbeitsschutzprämien Katalog Arbeitsschutzprämien
© BG BAU

Katalog Arbeitsschutzprämien
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Die BG BAU ist sowohl in Richtung Arbeitgeber wie auch in Richtung Motivation der Mitarbeitenden schon seit Jahren aktiv. Unter dem Motto „Nie mehr ohne“ wird besonders für Absturzsicherung geworben und es werden spezielle Schulungen für Arbeitsschutzbeauftragte durchgeführt – inzwischen auch als E-Learningkurse. Auf Baustellen sind Aufsichtspersonen aktiv, um Mängel beim Arbeitsschutz festzustellen und deren Beseitigung zu veranlassen. Zusätzlich richten wir uns an die Mitarbeitenden etwa mit der Aktion „BAU AUF SICHERHEIT. BAU AUF DICH“. Da ist Absturzprävention einer der Schwerpunkte mit etlichen gewerkespezifischen Angeboten.

Kern unserer Bemühungen in der BG BAU ist auch in der Absturzprävention das STOP-Prinzip, das die Rangfolge der Schutzmaßnahmen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festlegt: Substitution bedeutet dabei, dass zunächst Arbeiten mit Absturzgefahr minimiert bzw. durch andere ersetzt werden. Also: Warum nicht mal eine Drohne einsetzen, um ein Dach zu begutachten? Technische Maßnahmen sind zum Beispiel der Einsatz von Gerüsten oder Hubarbeitsbühnen statt Leitern oder Absperrungen und Auffangeinrichtungen.

Sind diese nicht oder nur teilweise einsetzbar, können organisatorische Maßnahmen (O) dafür sorgen, die Beschäftigten zu schützen. Dazu zählen etwa die Vormontage von Dach- und Fassadenelementen am Boden. Neben diesen S-T-O-Maßnahmen sollten persönliche Schutzeinrichtungen (P) eingesetzt werden – etwa Auffanggurte und Höhensicherungsgeräte neben dem quasi obligatorischen Helm mit Vierpunkt-Kinnriemen.

Vielfältige Angebote gebündelt

Das 5-Punkte-Programm gegen Leiterunfälle Das 5-Punkte-Programm gegen Leiterunfälle
© BG BAU

Das 5-Punkte-Programm gegen Leiterunfälle
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Die BG BAU hat alle ihre Angebote zum Schutz vor Absturz in einem Web-Special gebündelt: Im Mittelpunkt stehen die Arbeitsschutzprämien zur Absturzprävention, die neuerdings auch unabhängig von der Höhe des Beitrags zur Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft gezahlt werden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen können sich so bis zu 50 Prozent der Anschaffungskosten für verschiedene Sicherheitstechnik erstatten lassen – in der höchsten Stufe bis zu 10.000 Euro. Die Palette ist sehr breit und reicht von diversen Stufenleitern für verschiedene Gewerke und Gerüsten bzw. Treppen über Podeste, Liftsysteme und Hub-arbeitsbühnen bis zu Höhensicherungsgeräten und Lifeline-Systemen. Diese neue Förderung ergänzt die beitragsabhängige Förderung und kann unter Umständen sogar kombiniert werden.

Voraussetzung ist in jedem Fall eine Gefährdungsbeurteilung, eine Beratung durch eine Aufsichtsperson und die Abgabe einer entsprechenden Betrieblichen Erklärung. Bei höheren Förderungsstufen kommen dann noch die Teilnahme beim „BAU AUF BAU“-Programm bzw. an einem der Seminare zur Absturzprävention hinzu. Als „Belohnung“ kann sich das Unternehmen dann in dem mehr als 100 Seiten starken Katalog der Arbeitsschutzprämien bedienen. Das Potential für diese beitragsunabhängige Förderung von Arbeitsschutz ist hoch: Allein in der Bauwirtschaft und den baunahen Dienstleistungen gehen wir von 880.000 Beschäftigten in den sechs am meisten absturzgefährdeten Berufsgruppen bzw. Gewerken in ca. 160.000 Betrieben aus.

Unkonventionelle, neue Instrumente

Neben den klassischen Instrumenten zur Absturzsicherung ist die BG BAU aber auch vorausschauend mit weitem Blick auf Prävention bei unkonventionellen, neuen Instrumenten engagiert. Konkret geht es um BIM – Building Information Modeling mit dem Anwendungsfall Absturzsicherung. Dabei wird bei der zentralen Softwareplattform für Design, Modellierung, Planung und Zusammenarbeit ein Zusatzmodul integriert, in dem schon in der Planungsphase eines Bauwerks Absturzgefährdungen identifiziert und entsprechende technische und organisatorische Lösungen von vornherein eingebaut werden. Beim Bauen selbst sind so einfach per Klick gewerkespezifische Absturzsicherungsmaßnahmen inklusive Terminierung abrufbar, was zur Qualitätssteigerung beim Arbeitsschutz beiträgt. „Prävention durch Design“ nennt sich das in den letzten zwei Jahren unter Leitung der BG BAU mit den Partnern Bergische Universität Wuppertal, SUVA und Allplan BIM Plus durchgeführte Projekt.

Die Webseite der BG BAU bietet alle Informationen zum Thema Absturzsicherheit. Die Webseite der BG BAU bietet alle Informationen zum Thema Absturzsicherheit.
© BG BAU

Die Webseite der BG BAU bietet alle Informationen zum Thema Absturzsicherheit.
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Interessanterweise spielt BIM auch eine wichtige Rolle in dem durch die Bundesregierung beschlossenen Eckpunktepapier „Digitalisierung vorantreiben – Planung und Genehmigung beschleunigen“. Dort ist BIM und der Digitalisierung des Infrastrukturmanagements ein eigenes Kapitel gewidmet. Das lässt für den Arbeits- und konkret Absturzschutz auch in anderen Bereichen hoffen, in denen die Bundesregierung auf Tempo drängt: also der Energiewende mit Windenergie und Solardachpflicht oder der Beschleunigung der energetischen Gebäudesanierung.

Neue Themen für den Arbeitsschutz

Bei all diesen scheinbar fernen Zukunftsthemen ist die Gegenwart schon angebrochen, aber es ist noch nicht klar, was das für den Arbeitsschutz bedeutet. Konkretes Beispiel sind Solardächer – egal ob mit Photovoltaik oder Solarthermie. Da gelten beim schnellen Aufbau zum Beispiel die bewährten Absturzregeln, aber es wäre noch mehr drin. Zum Beispiel wäre es bei der gefahrlosen Wartung (Instandhaltung oder Reinigung) von Solarmodulen in großer Höhe hilfreich, wenn zwischen den montierten Modulen begehbare Gänge freigelassen werden oder spezielle Sicherungseinrichtungen für die Höhenarbeiten vorgesehen wären. Das kollidiert oft mit dem Wunsch nach maximaler Energieausbeute – Flächenausnutzung und Schutz gegen Absturz passen da nun einmal nur begrenzt zusammen.

Und die Liste der Beispiele ließe sich fast beliebig fortsetzen. Fakt ist: Den Unfallversicherungsträgern, und konkret den Berufsgenossenschaften, wird auch künftig die Arbeit nicht ausgehen, um Schutz vor Unfällen und besonders Abstürzen sicherzustellen. Am besten vorausschauend planend und damit präventiv gegen Absturzgefahren!

Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU)

www.bgbau.de

Prof. Dr.-Ing. Marco E. Einhaus arbeitet als Referatsleiter Hochbau in der Abteilung Sicherheit der Hauptabteilung Prävention der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU). Prof. Dr.-Ing. Marco E. Einhaus arbeitet als Referatsleiter Hochbau in der Abteilung Sicherheit der Hauptabteilung Prävention der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU).
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Prof. Dr.-Ing. Marco E. Einhaus arbeitet als Referatsleiter Hochbau in der Abteilung Sicherheit der Hauptabteilung Prävention der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU).
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Der Autor

Prof. Dr.-Ing. Marco E. Einhaus arbeitet als Referatsleiter Hochbau in der Abteilung Sicherheit der Hauptabteilung Prävention der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU). Er ist zugleich Leiter Sachgebiet Hochbau im Fachbereich Bauwesen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Der studierte Bau- und Umwelttechnik-Ingenieur, promoviert in Maschinenbau, ist Honorarprofessor an der TU München und Mitglied unterschiedlicher internationaler Normenausschüsse. Prof. Einhaus referiert als Keynote-Speaker beim
6. Deutschen Fachkongress für Absturzsicherheit am 30. November in Gelsenkirchen zum Thema „Absturz-Unfallanalysen und daraus abgeleitete Regelwerksanpassungen“.

Die BG BAU

Die BG BAU ist eine der großen Berufsgenossenschaften in Deutschland. Als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die Bauwirtschaft und für baunahe Dienstleistungen betreut die BG BAU mehr als 3 Millionen Versicherte in rund 567.000 Betrieben und ca. 58.000 privaten Bauvorhaben. Im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags fördert die BG BAU Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu vermeiden. Kommt es dennoch zu Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, bietet die BG BAU umfassende medizinische Betreuung und Rehabilitation mit allen geeigneten Mitteln. Zudem sorgt sie für die Wiedereingliederung der Betroffenen in das berufliche und soziale Leben und leistet finanzielle Entschädigung.

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