„In 10 Jahren müssen Baustellen anders aussehen als heute.“

Doka setzt auf vernetzte Planung und Smart Materials

THIS im Gespräch mit Frank Müller, Geschäftsführer der Deutschen Doka Schalungstechnik GmbH, über die Chancen und Notwendigkeiten einer innovativeren und nachhaltigeren Baubranche und Dokas Weg dorthin.

Frank Müller ist Geschäftsführer der Deutschen Doka Schalungstechnik GmbH.
© Doka
Frank Müller ist Geschäftsführer der Deutschen Doka Schalungstechnik GmbH.
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THIS: Herr Müller, wenn wir in 10 Jahren auf eine Baustelle gehen, was finden wir vor?

Frank Müller: Idealerweise finden wir Baumaschinen mit alternativen Antrieben, die KI-gesteuert standardisierte Arbeiten übernehmen, etwa auch den Schalungsauf- und -abbau. Wir werden Schalung mit integrierten Sensoren sehen, die die Betontemperatur prüfen oder die richtige Ausrichtung der Schalung. Es wird mehr Materialien aus nachwachsenden, klimafreundlicheren Rohstoffen geben, und weniger körperlich schwer arbeitende Menschen. Es wird insgesamt weniger Personal vor Ort sein. Diejenigen, die auf der Baustelle sind, werden vor allem die Maschinen bedienen oder den Bauprozess überprüfen. Der Automatisierungs- und Industrialisierungsgrad wird insgesamt sehr viel höher sein als heute.

THIS: Andere Branchen – Automobil, Medizin etc. – sind da schon lange sehr viel weiter. Auf Deutschlands Baustellen ist das Grundprinzip seit Jahrzehnten das gleiche geblieben: geliefertes Material wird vor Ort handwerklich zusammen-
gebaut …

Frank Müller: In 10 Jahren müssen Baustellen ganz anders aussehen. Denn die Baubranche wird sich in den nächsten Jahren stark wandeln. Wandeln müssen, und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen spürt die Branche heute schon den Fachkräftemangel. Die Situation wird sich aufgrund des demographischen Wandels noch verschärfen. Das bedeutet, dass Prozesse, die von Maschinen oder Computern übernommen werden können, auch automatisiert bzw. digitalisiert werden müssen.

Damit einher geht auch die Notwendigkeit, die eigene Produktivität zu steigern. Was meine ich damit: Wir müssen nicht nur schneller und kostengünstiger, sondern auch ressourcenschonender bauen, Stichwort Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit. Und nicht zuletzt müssen wir die Fehlerquote auf Baustellen deutlich senken, die die Branche jährlich Milliarden kostet.

Die meisten Fehler auf der Baustelle gehen auf missverständliche oder mangelhafte Kommunikation dort oder vorab in der Planung zurück. Dabei könnte man die Fehlerquote theoretisch ganz leicht reduzieren, wenn alle am Bauwerk beteiligten Akteure von Anfang an miteinander vernetzt wären. Ab der Idee für ein Bauwerk muss im Prinzip alles digital festgehalten werden, und es müssen alle Gewerke mit eingebunden sein.

THIS: Wie soll das aussehen?

Frank Müller: Ich erkläre es an unserem Beispiel, den Herstellern, Planern und Lieferanten von Betonschalungen. Traditionell werden wir erst dann dazu geholt, wenn das Gebäude in der Planung schon steht. Dabei könnten wir schon bei der Gebäudeplanung selbst wertvollen Input zur Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit geben.

Wir hatten beispielsweise mal einen Fall in München, da ging es um eine Rampe für Fußgänger und Fahrradfahrer. Wir haben die Pläne der Baufirma bekommen und anhand derer eine Schalungsplanung in 3D erstellt. Der Kunde konnte dann die Rampe per VR-Brille quasi „begehen“. Unsere Ausführungslösung hat ihm viel besser gefallen, etwa was den Ablauf von Regenwasser oder den sparsameren Einsatz von Schalung anging.

Wären wir von Anfang an mit an Bord gewesen, hätte das Zeit und Planungskosten gespart.

THIS: Es geht also nicht nur um die richtige Technik, sondern auch den richtigen Zeitpunkt.

Frank Müller: Ganz genau. Die Art der Zusammenarbeit hat sich geändert. Bei komplexen Großprojekten unterstützen wir mittlerweile oft schon in der Submissionsphase, um gemeinsam wirtschaftliche Schalungskonzepte zu erarbeiten und so auch bereits in dieser Phase eventuelle Kollisionen zu erkennen. Die meisten Kollisionen fallen sonst erst auf der Baustelle auf. So geht es ja Heizungsbauern, Installateuren oder Elektrikern auch oft, die noch später ins Spiel kommen.

Man müsste die Gewerke also viel früher ins Boot holen und mit digitaler Unterstützung vernetzen. Plant man das Bauwerk von Anfang an im digitalen Zwilling, im BIM-Modell, haben alle Zugriff auf die gleichen Informationen. Jede Änderung, egal bei welchem Gewerk, ist automatisch für jeden ersichtlich und nachvollziehbar. Kurz gesagt: Durch die digital vernetzte Baustelle – von Anfang an, mit allen – reduzieren Sie die Fehler, steigern Sie die Produktivität und optimieren Sie den Bauablauf.

„Der Einsatz digitaler Tools nimmt zu. Wir merken das bei unseren eigenen Services, etwa Concremote oder Contakt.“ Frank Müller,
Geschäftsführer der Deutschen Doka Schalungstechnik GmbH
© Doka

„Der Einsatz digitaler Tools nimmt zu. Wir merken das bei unseren eigenen Services, etwa Concremote oder Contakt.“ Frank Müller,
Geschäftsführer der Deutschen Doka Schalungstechnik GmbH
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THIS: Über BIM und Digitalisierung spricht die Baubranchen ja schon länger. Passiert hier zu wenig?

Frank Müller: Ganz so ist es ja nicht. Papierpläne hängen nach wie vor an der Wand und liegen nach wie vor auf dem Tisch, aber es werden immer weniger und immer mehr Planung erfolgt digital. Was nun noch stärker passieren muss, ist die Vernetzung untereinander und das ganzheitliche Denken. Die Art der Zusammenarbeit wird – muss – weniger linear als viel mehr synchron verlaufen. Dafür ist digitale Kommunikation das A und O.


© Doka

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Dass momentan immer noch viel in 2D geplant und zu wenig modell- bzw. BIM-basiert gearbeitet wird, liegt vermutlich daran, dass das Ganze ja mit einem gewissen Invest – in Software, Personalweiterbildung etc. – verbunden ist, der direkte Mehrwert dafür nicht immer gleich ersichtlich ist. Oder aber einige Auftraggeber den vermeintlichen Mehraufwand noch nicht vergüten wollen, obwohl es ihm am Ende sogar Geld sparen würde. Sobald hier aber ein Umdenken stattfindet – mit der Einsicht „Es kostet Geld, weil es am Ende sehr viel mehr Geld spart“ – werden Digitalisierung und BIM-basierte Arbeit an Fahrt aufnehmen. 

THIS: Wie sieht es auf der Baustelle selbst aus?

Frank Müller: Auch hier nimmt der Einsatz digitaler Tools zu. Wir merken das bei unseren eigenen Services, etwa Concremote oder Contakt. Die Neugier ist groß, und die Nachfrage steigt. Weil es den Baustellenalltag erleichtert, Bauleiter und Polier immens unterstützt und für bessere Ergebnisse sorgt, sei es organisatorisch, monetär oder bautechnisch.


Ich bin übrigens der Meinung, dass wir neben einem Digitalisierungs- auch einen sehr viel höheren Automatisierungsgrad erwarten können. Allein aus Personalgründen, aber auch für mehr Effizienz und Produktivität. Viele Hersteller arbeiten daran, immer großformatigere Bauteile mit Hilfe von Robotik auf der Baustelle final zu montieren statt „von Hand Stein auf Stein“ zu setzen.

Auch hinsichtlich Schalung kann ich mir die Unterstützung von Robotern gut vorstellen, zum Auf-, Ab- und Umbau. Erfreulicher „Nebeneffekt“ wäre, dass das die Sicherheit am Bau wesentlich erhöhen würde.   

THIS: Sie haben vorhin die beiden Stichworte Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit genannt…

Frank Müller: Leider hat die Baubranche eine der schlechtesten Klimabilanzen aller Branchen. Weltweit ist ein Viertel aller CO2-Emmissionen auf die Baubranche zurückzuführen. In Deutschland sind es laut aktuellen Studien sogar 40 bis 50 Prozent, die auf Rechnung von Neubauten und die Nutzung von Gebäuden gehen.

Hier spielen mehrere Aspekte hinein: der hohe Bedarf an Energie und Ressourcen, die Flächenversiegelung beim Neubau und der Werkstoff Beton bzw. dessen Bindemittel Zement, der für fast jede zehnte Tonne CO2 verantwortlich ist, die der Mensch ausstößt. Am herkömmlichen Beton kommen wir aufgrund seiner Eigenschaften momentan noch nicht vorbei, aber es gibt bereits vielversprechende Forschungsprojekte für klimafreundlicheren Beton. Zu der Frage erschien Anfang Juni übrigens ein sehr interessantes Interview mit Professor Sobek in der WELT, in welchem er die Rechnung „Beton = böse“ und „Holz = gut“ kritisch unter die Lupe nahm und zu dem Ergebnis kam, dass generell mit allen Ressourcen bewusster, sparsamer und nachhaltiger umgegangen werden muss. Etwa indem man mehr Beton recycelt oder die Umnutzung von Bestandsbauten stärker forciert.

THIS: Aber kann man in Sachen Schalung wirklich etwas für den Klimaschutz tun?

Frank Müller: Ja sicher, wenn es den unternehmerischen Willen dazu gibt! Seien wir ehrlich: Gegen Klimawandel und Erderwärmung nützen weder kostspieliges Greenwashing noch marktschreierischer Aktionismus. Gefragt sind digitale Technologien, neue Methoden und alternative Werkstoffe.

Hier gehen wir Hand in Hand mit unserem Mutterunternehmen, der Umdasch Group, denn Nachhaltigkeit ist auch Wachstumschance. Deshalb investiert die Umdasch Group viel in die Entwicklung und Forschung, gerade bei Doka. Ob das nun Schalung für neue Baustoffe, also zum Beispiel „Grüner“ Beton, ist, oder für neue Baumethoden, etwa für Hybridbauweise.

THIS: Soll auch Schalung selbst nachhaltiger werden?

Frank Müller: Unbedingt sogar. Doka hat schon immer auf das Prinzip der Kreislaufwirtschaft gesetzt. Etwa indem wir äußerst robuste, langlebige Produkte herstellen und alles tun, damit sie möglichst lange im Einsatz bleiben. So haben wir beispielsweise im Juli unser Service Center in Apolda eröffnet, in welchem Rahmenschalungselemente voll automatisiert gereinigt und auf höchstem industriellen Niveau saniert werden. Das heißt nach der Reinigung durch Roboter sehen sich Mitarbeiter jede Platte genauestens an und entscheiden, ob wirklich die komplette Platte ausgetauscht werden muss oder nicht doch noch repariert werden kann und damit die Platte länger im Einsatz bleibt.

Der Anspruch ist: Material in bewährter Doka-Qualität, aber mehr Achtsamkeit in Sachen Ressourcen. Dazu gehört auch, dass wir an der Entwicklung von Schalung aus alternativen, natur- und ressourcenschonenderen Roh- und Werkstoffen arbeiten. Oder an Schalung speziell für den Rückbau, Umbau, die Umnutzung von Bestandsgebäuden.

THIS: Stimmt es, dass Doka den Product Carbon Footprint seiner Schalung ausrechnet?

Frank Müller: Den CO2-Fußabdruck all unserer knapp 6.000 Produkte sogar. Das klingt banal, war aber ein echter Kraftakt. Die Kolleg*innen im Doka Headquarter haben sich für jedes einzelne Produkt die Zusammensetzung und den Rohstoffbedarf für die Herstellung angesehen. Haben die Auslieferung in die weltweiten Distribution Center und Niederlassungen berücksichtigt. Und die Reinigung und Reparatur sowie die Verwertung am Lebensende inkludiert. So können wir nun für jedes Produkt den Product Carbon Footprint über den gesamten Lebenszyklus ausweisen. Den können nun wiederum unsere Kunden zur Berechnung ihrer eigenen CO2-Bilanz heranziehen. Das wird zukünftig bei Ausschreibungen eine immer größere Rolle spielen. 

Deutsche Doka Schalungstechnik GmbH

www.doka.de

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Weiterführende Informationen: BIM | Concremote | CONTAKT

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