Führungsroboter aus der Seminarretorte

Die Aufgabe lässt sich unkompliziert formulieren: „Getting things done trough others“ wie die die pragmatischen Amerikaner sagen. Was so viel heißt wie „Aufgabe einer Führungskraft ist es, die eigenen Leute zu Höchstleistungen für die Firma anzuspornen.“ Das klingt plausibel, entspricht der Erwartungshaltung- und ist doch so einfach nicht. Weder sind es die „eigenen“ Leute, noch sind es Pferde, um deren Leistungswillen sich eine Führungskraft im besagten Sinn zu kümmern hat. Pferde werden angespornt, in dem man sie mit den Sporen kontrolliert körperlich reizt. Natürlich, das ist nur ein Vergleich. Und vielleicht auch nicht der Beste. Doch zusammen mit der allgegenwärtig-physikalischen Führungskraft befindet man sich in einem lückenlosen Ursache-Wirkungs-Schema. Denn keine Wirkung ohne Ursache und deshalb gibt es ja auch komplizierteste Vergütungs- und anreizorientierte Gehaltsvereinbarungen mit den entsprechenden Zielvereinbarungen. Die Sporen der Arbeitswelt.

 

Nicht nur „Methode“

Jedoch, wie gesagt, so einfach ist die Motivation, die Tatkraft, das Mitdenken und Mittun der Mitarbeiter nicht zu haben. Das wissen die, die schon länger Führen, darüber älter und erfahrener geworden sind und auch über das, was sie tun, wenn sie führen, nachdenken. Die Jungen wissen es nicht. Können es nicht wissen. Sie glauben, es ist nur eine Frage der Methode, der richtigen Tools oder der in einem systemisch orientierten Seminar vermittelten „Weisheit“. Wenden sie die dort gelernten Dinge an, dann haben sie die Gewähr, dass das klappt mit der Führung.

Ja, wenn dem so wäre, dann wäre das wohl einfach mit der Führung. Doch das ist nicht der Fall. Und, was die Sache noch ein wenig komplizierter macht: Führung wird zunehmend wichtiger. Sie zeigt sich immer mehr als der wichtigste Attraktivitätsfaktor eines Unternehmens. Führung gehört zum und bildet das Unternehmensklima, ist das, was den Geist und Stil des Hauses prägt, was ihn unverwechselbar macht. Oder anders gesagt: Die sich herumsprechende Qualität der Führung zieht immer erkennbarer die entsprechende Potenzialqualität an.

 

Schlüsselerlebnisse

Führung gehört zum Anspruchsvollsten, was Betriebsinhaber und Vorgesetzte Tag für Tag zu leisten haben. Sie gelingt nur, wenn man keine Schlüssel-Schloss-Metapher unterstellt. Ich habe ein Problem und dafür gibt es Wissen. Beispiel: Ich habe einen Mitarbeiter mit einem Leistungsdefizit, wie lautet die Lösung? Und ‚Lösungen’ in diesem Sinne gibt es zuhauf. Die Führungsratgeber sind voll davon. Insbesondere wissenschaftlich gewonnenes, theoretisches Führungswissen steht ganz hoch im Kurs. Doch so aufschlussreich diese Erkenntnisse auch sind, es sind von der Praxis abstrahierte, in sich meist stark komprimierte und damit theoretische Erkenntnisse, die die situativen Einflüsse auf das Führungsgeschehen ausblenden. Auf die aber, auf momentane Empfindungen, Gestimmtheiten, private Gegebenheiten, körperliche Befindlichkeiten kommt es an. Sie spielen beim Führungsgeschäft eine maßgebliche Rolle.

 

Mit Seele

Eigenheit, Macken und Mucken ihres Chefs werden toleriert, oft genug werden die Chefs gerade dafür auch von ihren Leuten geliebt, als Originale verehrt. Aber Führungsroboter aus der Seminarretorte machen sie in des Wortes wahrstem Sinne krank. Das Gespür für Menschen und Situationen – die eigene Person immer eingeschlossen – ist im Führungsgeschäft nicht alles, aber ohne dieses Gespür ist alles sehr, sehr schnell nichts. Theoretisches Wissen verstanden als gesicherte Erkenntnis ist verallgemeinerbar, darum lässt es sich formalisieren, übertragen und kann von einem anderen aufgenommen werden. Das Gespür für Menschen und Situationen aber ist etwas Individuelles, etwas, was mit Persönlichkeit und verarbeiteter Erfahrung, sprich persönlicher Lern- und Entwicklungsbereitschaft zu tun hat. Das aber lässt sich im Seminar nicht eintrichtern, ist nicht übertragbar. Deshalb, weil ihnen die persönliche Note fehlt, stiften all die angelernten Techniken und Rezepte zum Thema Führung so häufig mehr Schaden als Nutzen.

Führung ist nur zu begreifen und im Auf und Ab von Innen- und Außeneinflüssen fruchtbar zu vollziehen, werden diese Zusammenhänge nicht mit formaler Zielsetzung ausgeblendet. Simple „Wenn-Dann“-Mechanismen sind wohl das Unbrauchbarste was man sich in Sachen „Führung“ vorstellen kann. So funktioniert Führung nicht. Menschen sind keine im behavioristischen Sinne Reiz-Reaktionsmaschinen. Wo erkannt wird, dass Personen, die in unternehmerischen Handlungskonzepten aufeinander angewiesen sind, zwar unterschiedlich wertige Arbeiten ausführen und so sich als ungleich Wertige erfahren, und dennoch, auf einer fundamentalmenschlichen Ebene, als gleich Würdige wahrgenommen und anerkannt werden müssen - dort und nur dort kann Führung das leisten, was sie an Effizienzförderung zu leisten vermag. Zu gelingender Führung gehören zuerst Achtung vor Menschen, situatives Gespür und die Fähigkeit, nicht stets und immer dem ersten aufwallenden Impuls zu folgen.

 

Buchtipp

„Diese Einsichten sind alt und eigentlich auch unspektakulär“, schreibt Ferdinand Rohrhirsch in seinem nachdenklichen Buch „Führen durch Persönlichkeit - Abschied von der Führungstechnik“. (Gabler Verlag, Wiesbaden, 2. Auflage 2011). Und kommt zu dem Schluss: „Vermutlich deshalb werden sie in unserer nur gierig auf Neues orientierten Zeit kaum des Nachdenkens wert gesehen.“

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