Der Zeitgeist ist ein miserabler Managementberater

Um die Arbeitszufriedenheit ist es unter den Bedingungen des permanenten Wandels nicht zum Besten bestellt. Viele haben die ständigen Umstrukturierungen mit ihrer als unehrlich eingestuften Programmatik und ihrem Kurzzeitdenken satt. Das als abgehoben und einseitig verpflichtet erlebte Management wird als unglaubwürdig empfunden. Die Aufkündigung des so genannten ‚psychologischen Vertrages‘, also der unausgesprochenen selbstverständlichen Vorstellungen über die gegenseitigen Verpflichtungen in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich über die Zeit herausgebildet haben, führt zu einer Entfremdung vom Unternehmen.

Der Betrieb wird nicht mehr als Heimat empfunden. Die Mitarbeiter können sich nicht mehr mit „ihrem“ Betrieb identifizieren. Das bewirkt eine Erosion der inneren Leistungsbereitschaft; aus Engagement wird Arbeit. Dieser Verlust der inneren Bindung an das Unternehmen beeinträchtigt das betriebliche Erfolgsstreben empfindlich: Erstens geht dadurch der Anreiz zu einem über den aus rein persönlichen Nützlichkeitserwägungen hinausgehenden Einsatz für den Betrieb verloren. Zweitens verliert der Betrieb mit einer sich innerlich nicht mehr mit dem Betrieb verbunden und dem Betrieb verpflichtet fühlenden Belegschaft die Basis seiner unverwechselbaren betrieblichen Individualität.

Die derzeit betont vom Shareholder-Value-Denken bestimmte Art und Weise der Unternehmensführung, in der das Unternehmen als soziales Gebilde mit entsprechender sozialer Aufgabe und Verantwortung zu Gunsten konsequenter Ertragsmaximierung in den Hintergrund tritt, erweist sich mithin nicht allein als kontraproduktiv, sondern auch als destruktiv. Und ist damit auch nicht als nachhaltig anlegerfreundlich anzusehen.

Gefühllos?

Die Arbeitswelt ist eine Quelle sowohl von positiven wie von negativen Gefühlen, die sich aber auf je unterschiedliche Themenkreise beziehen und mit unterschiedlichen Verhaltenstendenzen verbunden sind. Das Management, das sich in seinem Handeln ausschließlich der analytischen Rationalität verpflichtet sieht, nimmt Emotionen und Stimmungen der Mitarbeiter als vorübergehende, eher störende Phänomene und wenig ernst zu nehmende Phänomene wahr. Doch Emotionen sind sehr nachhaltige Wirkkräfte für das Funktionieren eines Betriebs. Die Mitarbeiter setzen ihr Potential in Abhängigkeit von ihrer Befindlichkeit im Leistungsprozess um. Dieser Tatsache kommt aber nicht nur eine funktionale, zweckhafte Bedeutung zu, sondern es bringt auch Wertschätzung zum Ausdruck: Emotionen ernst zu nehmen heißt, die Mitarbeiter anzuerkennen.

Ziellos?

Veränderung ist erkennbar stark mit eindeutig negativen Gefühlen (Angst, Unsicherheit, Sorge) verbunden. Die Mitarbeiter/innen sind wandelmüde und es wird ein deutlicher Verdruss mit dem Veränderungsgeschehen signalisiert. Die Sinnhaftigkeit der Veränderungen verschwimmt, man sorgt sich über die damit verbundenen leistungsmindernden Effekte und über die Unmöglichkeit, etwas Nachhaltiges aufzubauen. Die berufliche Zukunft und die Glaubwürdigkeit der Firma werden dadurch in Frage gestellt. Eine Planung und Anordnung des Wandels durch anonyme Instanzen (im Theoretischen verschwimmende Experten, forsche Berater) und abgehobene Leitungskräfte, die sich bei ihren Maßnahmen mit stereotypen Formulierungen auf anonyme Sachzwänge berufen und die dabei nicht als wahrnehmbare Personen hinter ihrem Handeln und vor ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen, lösen Gefühle der Geringschätzung und des Misstrauens in den Belegschaften aus.

Negative Gefühle richten sich auf die Firma, ihr Management, ihre Personal- und Informationspolitik, die organisatorischen Veränderungen und auf die persönliche Situation, die sich daraus ergibt. Damit verbunden ist die Neigung, sich von der Firma abzuwenden: die Loyalität zur Firma und die Identifikation mit ihr nehmen ab, gemeinschaftliche Werte werden vermisst. Das stark verbreitete Misstrauen gegenüber dem Management ist eine äusserst kritische Beziehungsrealität. Sie müsste die volle Aufmerksamkeit des Managements beanspruchen. Misstrauen verunsichert, bestätigt sich laufend durch ein entsprechendes Deuten von Wahrnehmungen und absorbiert viel Energie, da man ständig auf der Hut sein muss.

Nicht aussichtslos!

Misstrauen ist schwierig zu heilen und mit starken Rückzugstendenzen sowohl von der individuellen Arbeit wie auch von der Firma verbunden. Die Sorge um die Firmenkultur, um gemeinschaftliche Werte und um Fairness ist groß. Die Mitarbeiter/innen stellen die Frage, wer denn (in Zukunft) für das Ganze und das Gemeinschaftliche sorgen wird. Bei einer emotional sensiblen Gestaltung der Veränderungsprozesse darf es deshalb nicht allein darum gehen, negative Erlebnisse möglichst zu vermeiden. Vielmehr muss Raum gelassen werden für eine Entfaltung von positiven Gefühlen wie Aufbruchstimmung, Gestaltungswillen, Begeisterung, Experimentier- und Lernfreude, Herausforderung und Stolz.

Wandel wird umso positiver erfahren, je kontinuierlicher und nachhaltiger und je weniger episodisch und kurzfristig er praktiziert wird, je mehr er sich in kleinen, entkoppelten und sozial integrierten Einheiten abspielt, je mehr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Knowhow in den Veränderungsprozess einfliessen lassen können und sich als Wandler und nicht als Gewandelte erfahren, und je mehr das Management aus dem ganz alltäglichen Geschehen heraus Wandel zulässt, statt Wandel zu implementieren.

Autor: Dipl.-Betriebswirt Hartmut Volk

freier Wirtschaftspublizist, Bad Homburg

E-Mail: Hartmut.Volk@t-online.de

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