Girls' Day 2021: Digitalisierung ebnet Frauen im Bauingenieurwesen neue Wege

Der Girls' Day – 2021 am 22. April – ist ein jährlicher Aktionstag, der Mädchen und Frauen motivieren soll, technische und naturwissenschaftliche Berufe zu ergreifen. Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der IK-Bau NRW: "Die Ingenieurkammer-Bau NRW will aktiv dazu beitragen, den Anteil der weiblichen Beschäftigten in vermeintlichen 'Männerberufen' zu erhöhen und damit den sich abzeichnenden Fachkräftemangel zu verringern. Auch wenn wir noch einen weiten Weg vor uns haben, deuten sich erste Erfolge bereits an."


Bauingenieurwesen bei Frauen beliebter als andere Ingenieurstudiengänge

Tatsächlich studieren mehr junge Frauen Bauingenieurwesen als beispielsweise Maschinenbau. Der Frauenanteil stieg im Fachbereich Bauingenieurwesen zwischen 2007 und 2018 laut Hauptverband der Deutschen Bauindustrie von 19 auf 29 %, während der Anteil der Studentinnen im Maschinenbau 2018 nur bei 12 % lag. Auch die Mitgliederzahlen der IK-Bau NRW, der größten Länderingenieurkammer in Deutschland, bestätigen diese Entwicklung: Während der Frauenanteil bei den Mitgliedern im Alter von 55 bis 67 Jahren nur bei knapp 7 % liegt, sind von den 25 bis 34-jährigen Kammermitgliedern rund ein Viertel Frauen. Auch das Berufsleben spiegelt diesen Trend: Von den sozialversicherungspflichtig angestellten Bauingenieuren waren im Jahr 2018 knapp 30 % Frauen, in der öffentlichen Verwaltung lag der Frauenanteil sogar bei 44 %. Hoffnung macht auch die Beteiligung beim jährlichen, bundesweiten Schülerwettbewerb Junior.ING. Hier sind die Schülerinnen und Schüler aus NRW gleichermaßen engagiert und erfolgreich. Dr.-Ing. Heike Rieger, Vorstandsmitglied der IK-Bau NRW: "Auch wenn sich die Rolle der Frauen im Bauingenieurwesen verbessert hat, bleibt noch viel zu tun. Ziel der IK-Bau NRW ist es, noch mehr junge Frauen für ein Studium des Bauingenieurwesens zu begeistern. Mit unserer großen Nachwuchs- und Imagekampagne Bling.Bling, die im Mai startet, wollen wir zeigen, dass die Berufswirklichkeit inzwischen viel moderner ist als ihr Ruf. Schön wäre es, wenn in absehbarer Zeit die Hälfte der Universitätsabsolvent*innen Frauen sind."


Digitalisierung als Movens der gesellschaftlichen Modernisierung

In der Arbeitswelt wirkt die Digitalisierung auch im Baugewerbe als Movens einer allgemeinen Modernisierung. Wo Frauen früher an geschlossenen Männernetzwerken scheiterten, eröffnet das Internet heute ganz neue Möglichkeiten. Evelyn Brock, Gründungsberaterin aus Köln: "Viele Frauen meiden gemischte Netzwerke, weil sie dort nicht richtig wahrgenommen und gehört werden. Sie vernetzen sich deshalb gerne mit anderen Frauen. Diese Netzwerke sind sinnvoll und haben ihre Berechtigung, aber manchmal sind sie eben auch die Kuschelecke des Netzwerkens und die Geschäfte werden eher in den gemischten Netzwerken gemacht." Von Kuschelecke kann beim Netzwerk selbstständiger Frauen in der Bauwirtschaft "Frau liebt Bau" keine Rede sein; hier geht es auch um Aufträge und Umsätze. Bauingenieurin Sarah Kosmann: "Unser Netzwerk führt zu vielen Kooperationen und bringt immer wieder neue Aufträge. Die Digitalisierung ermöglicht es mir, nicht nur für Auftraggeber vor Ort zu arbeiten, sondern meine Planungsleistungen bundesweit anzubieten. Auch deshalb bin ich weniger auf regionale, klassische Netzwerke angewiesen."


Immer noch gründen mehr Männer als Frauen

"Trotz dieser Erfolge wünscht sich die IK-Bau NRW mehr selbständige Bauingenieurinnen. Denn noch immer machen sich deutlich weniger Frauen als Männer selbstständig. Hat man im Hinterkopf, wie viele selbstständige Bauingenieur*innen in den nächsten Jahren das Rentenalter erreichen, wird klar, dass wir auch als Gesellschaft dringend Gründerinnen ermutigen müssen", so Dipl.-Ing. (FH) Annette Zülch, Vorstandsmitglied der IK-Bau NRW. Tatsächlich gründen Frauen nur 30 % der Unternehmen und während nach Zahlen der "bundesweiten gründerinnenagentur bga" die Zahl der weiblichen Soloselbständigen von 2003 bis 2013 um fast 38 % wuchs, stieg die Zahl der Unternehmerinnen mit Beschäftigten im gleichen Zeitraum nur um 12 %. Dazu passt, dass 66 % der Frauen im Nebenerwerb gründen. Zudem gilt, je mehr Mitarbeiter ein Unternehmen hat, desto unwahrscheinlich ist es, dass das Unternehmen von einer Frau gegründet und geführt wird.

Nach Erfahrung von Rita Keuneke, einst selbst Gründerin, heute angestellte Geschäftsführerin eines großen Ingenieurbüros und im Ingenieurinnenbund engagiert, schreckt nicht allein die Furcht vor mangelnder Flexibilität in der Kindererziehung ab: "Der Grund, warum Ingenieurinnen eher keine größeren Unternehmen gründen oder übernehmen, liegt nicht allein in der Kinderbetreuung. Die Work-Life-Balance spielt eine Rolle, das Bild des Unternehmers, der mindestens 60 Stunden in der Woche arbeiten muss, schreckt ab."

Dabei lassen sich auch Kinder und Karriere als Unternehmerin mit Verantwortung für Mitarbeiter vereinbaren, wie das Beispiel der selbständigen Bauingenieurin Sarah Kosmann zeigt. "Nach der Gründung dauerte es etwa ein Jahr, bis es wirklich lief. Jetzt habe ich den ersten Mitarbeiter eingestellt. Ein Mitarbeiter macht es anspruchsvoller, Familie und Arbeit zu verbinden. Doch auch hier hilft die Digitalisierung, einen neuen Führungsstil und neue Konzepte zu etablieren. Der Mitarbeiter arbeitet vor allem im Homeoffice, da er selbst auch noch seine Kinder betreut, und man sieht sich vor allem vor Ort bei Terminen."

Der "Girls’ Day – Mädchen-Zukunftstag" ist ein bundesweites Projekt zur Berufs- und Studienorientierung von Mädchen. Am alljährlichen Aktionstag lernen Schülerinnen Berufe oder Studienfächer kennen, bei denen der Frauenanteil unter 40 % liegt. Angesprochen sind Mädchen ab Klasse 5. Der Girls’ Day findet in über 25 Ländern statt und wird in Deutschland gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

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