Tunnelbau im Pilgerschritt

Mieten macht die Lösung mit zwei Deckenschalwagen wirtschaftlich

Der Kreuzstraßentunnel entlastet in naher Zukunft die Innenstadt von Tuttlingen. Über eine Länge von rund 1000 m wird die viel befahrene Bundesstraße B311 in offener Bauweise unter die Erde verlegt. Mit dem so genannten Pilgerschrittverfahren wird die Bauzeit erheblich verkürzt. Die erforderlichen insgesamt drei Schalwagen für Wände und Decke basieren auf dem Peri Variokit Baukastensystem.

Mit den standardisierten Elementen des Ingenieurbaukastens können die robusten Schalwagen sowohl verschiedenen Tunnelneigungen in Längs- und Querrichtung als auch dem Kurvenverlauf angepasst werden. Dank der Möglichkeit das Systemgerät zu mieten, ist die Schalungslösung zudem besonders wirtschaftlich.

Der rechteckige Tunnelquerschnitt mit angevouteter Ecke ist im Regelbereich 9,70 m breit, die lichte Höhe beträgt 5,70 m. Die Herstellung erfolgt in 100 Betonierabschnitten von je etwa zehn Metern Länge, zuerst werden dabei die Außenwände einhäuptig gegen zuvor gesetzte Bohrpfähle betoniert. Zugunsten des Bauzeitgewinns entschied der Unternehmer, für das sich anschließende Betonieren der Decken das so genannte Pilgerschrittverfahren anzuwenden: ein erster Schalwagensatz (Vorläufer) fährt taktübergreifend voraus, der zweite Schalwagen (Nachläufer) schließt nachfolgend die Lücken. Der Vorläufer mit der beidseitigen Stirnabschalung ist dabei maßgebend für den Betonierablauf.

Aus dem Einsatz dieser Bauweise und zweier Deckenschalwagen resultiert zwar eine größere Materialmenge, gleichzeitig jedoch wird die Bauzeit wesentlich verkürzt. Die Möglichkeit die Systemteile des Variokit Baukastens zu mieten, diente der wirtschaftlichen Ausführung: Die Mietkosten für größere Materialmengen amortisieren sich nahezu vollständig über die Verkürzung der Mietdauer. Zudem rechnet sich das Verfahren beim Bau des Kreuzstraßentunnels auch über den Bauzeitgewinn, denn ohne den dritten Schalwagen könnte die geforderte enge Bauzeit nicht eingehalten werden. Ein großer Vorteil für den Bauunternehmer ist außerdem die Kostensicherheit, da die Schalwagenlösung auf einem detaillierten Angebot aus Weißenhorn basiert.

Der Wandschalwagen –
Flexibel in allen Richtungen

Der erste Schalwagen besteht aus den Wandschalungseinheiten sowie der Trag- und Durchstützungskonstruktion und ist für eine maximale Betonierabschnittslänge von 10,50 m geplant. Mittig der Wandschalung ist ein Elementstoß angeordnet, mittels einer Spindel lässt sich ein Stichmaß von bis zu + / - 70 mm einstellen. Je Betonierabschnitt entsteht so ein zweifacher Polygonzug, der die Anpassung an den geplanten Tunnelverlauf erlaubt. Die Wandschalungseinheiten hängen an einem auf der Tragkonstruktion des Schalwagens lastenden Querbalken, sie lassen sich für die Bewehrungsarbeiten mittels einer Hydraulikeinheit nach innen verfahren.

Um einen ungehinderten LKW Zulieferverkehr innerhalb des Tunnels zu ermöglichen, forderte der ausführende Bauunternehmer für die Schalwagen ein Lichtraumprofil von drei Metern Breite und vier Metern Höhe. Für den Lastabtrag während des Betonierens wurde daher eine nicht alltägliche Lösung erarbeitet: Stark dimensionierte Wandriegel im unteren Wandbereich werden mit Profilen versehen, die der Verankerung im Fundament dienen. Oberhalb der Durchfahrt wird der Frischbetondruck über horizontal positionierte HD 200 Schwerlaststützen abgetragen. Mit dieser Konstruktion beträgt die maximale Schütthöhendifferenz einen Meter. Zur möglichen Beschleunigung von Betoniergeschwindigkeit und somit Baufortschritt wurde die Schalung für einen zulässigen Schalungsdruck von 50 kN/m² ausgelegt –  üblicherweise werden geringere Lasten angenommen.

Für das Umsetzen des Schalwagens zum folgenden Betonierabschnitt wird die am Querbalken hängende Wandschalung zuerst hydraulisch zurückgefahren, anschließend kann die gesamte Einheit auf Fahrschienen vorwärts gezogen werden. Die einzelnen Wandabschnitte wurden jeweils nach einem Tag ausgeschalt.

Zwei Deckenschalwagen ermög-
lichen schnelleren Baufortschritt

Nachlaufend wurden die Tunneldecken mit zwei Schalwagen betoniert, seitlich eingebaute Joche bündeln dabei die anstehenden Lasten und tragen diese auf die vorhandenen Fundamente ab. In Tuttlingen konnten die Deckenabschnitte jeweils nach drei Tagen ausgeschalt werden, mit dem Einsatz von zwei Schalwagen konnten so zwei Betonierabschnitte je Woche realisiert werden.

Beide Schalwagen bestehen aus Deckenschalung und Voutenschalungseinheiten. Die Voutenschalungen sind auf den Querprofilen der Tragkonstruktion befestigt und können über Schlitten horizontal verschoben und so dem Wandverlauf angepasst werden. Mittels eingebauter SLS Druckspindeln werden diese Voutenschalungseinheiten gegen die Wand gedrückt. Mit dem Rückspindeln dieser Elemente wird auch ein seitliches Ausschalspiel erzielt.

Für den Umsetzvorgang werden die
Deckenschalwagen mit einer hydraulischen Hub-/Absenkeinrichtung abgelassen und dann auf Kranbahnschienen in den folgenden Betonierabschnitt befördert. Mittels einer integrierten Querverschubeinrichtung wird der gesamte Wagen auch in horizontaler Richtung versetzt.

Wirtschaftliche Lösung aufgrund verkürzter Mietzeitdauer

Mit der erarbeiteten Peri Lösung wird die geforderte, kurze Bauzeit für den Kreuzstraßentunnel eingehalten. Die Mietbarkeit des Baukastensystems Variokit macht die Anwendung des Pilgerschrittverfahrens wirtschaftlich, da sich die Mietkosten für den zweiten Deckenschalwagen über die verkürzte Mietdauer nahezu ausgleichen. Die einfache Handhabung sowie gut funktionierende Hydraulik für die Schalwagenanpassung an den Tunnelverlauf unterstützen das Baustellenteam in der schnellen Ausführung: Die Unterführung kann zum geplanten Termin für den Straßenverkehr freigegeben werden.n

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