Standpunkt Ellenbogen

Munition für Wortgefechte

Gemeinhin gilt der Ellenbogen als unentbehrlichster Körperteil beim Streben nach zügigem Vorankommen im Berufsleben. Doch das ist nicht nur die vermutlich meist verbreitete, sondern auch gefährlichste Fehleinschätzung. Bahnen sich doch die wahren „Könner“ mit einem ganz Körperteil den Weg zu ihrem Vorteil.

Wirklich Versierte räumen ihre Kontrahenten mit der Zunge aus dem Felde. Auf der Karriereleiter ebenso wie im sonstigen Geschäftsbetrieb. Und das weitaus eleganter und sich selbst erhöhender als mit dem vulgären Ellenbogeneinsatz. Anders als mit dem Ellenbogen räumt man mit der Zunge ja nicht nur plebejisch aus dem Weg. Mit dem Einsatz der Zunge zeigt man sich quasi Natur gegeben überlegen, versierter, kurzum in jeder Hinsicht einfach besser.

Beinharter Wettbewerb

Und was mehr als solche Wirkung braucht es im heutigen beinharten Wettbewerb? Und was mehr als diese Eleganz des Siegens macht auf die, die über Wohl oder Wehe einer Karriere oder eines besonderen Auftrags zu entscheiden haben, deshalb mehr Eindruck? Die Zuschaustellung der eigenen Qualität, „blendender“ ist sie doch wohl kaum zu bewerkstelligen?

Also gilt es für all die vielen fachlich Qualifizierten, mit der Zunge aber weniger Versierten, sich um Waffengleichheit zu bemühen. Wollen sie nicht ständig das Nachsehen haben und ihr Licht auf ewig unter den Scheffel gestellt sehen, ist der Griff zu dem jüngst erschienenen Buch „Sag es stärker – Das Trainingsprogramm für den verbalen Schlagabtausch“ sozusagen Pflicht. (Erschienen im Campus Verlag, Frankfurt/Main 2012, 250 Seiten, € 24,99)

Dessen Autor, Albert Thiele, ist ein ausgewiesener Meister in der Kunst der Argumentation, der Dialektik. Mit seinem Bestseller „Argumentieren unter Stress“, desgleichen mit „Die Kunst zu überzeugen“, hat er nicht Wenigen den Weg zur mehr verbaler Schlagkraft und damit zu persönlicher Behauptung gewiesen. Und ihnen auch ein gutes Stück von der Angst genommen, die sich im Vorfeld von Gesprächen oder Verhandlungen mit erkennbar Ausgebufften leider so rasch und so unangenehm in den Körper einschleicht.

Mit dieser Neuerscheinung legt Thiele nun eine Ergänzung und Weiterführung seiner bisherigen Titel vor, um „Alphatiere und Verbalaggressoren aller Art“ zu entwaffnen. Den Grund für ein neuerliches und weiterführendes Buch zum Thema sieht Thiele „in den allgegenwärtigen Veränderungsprozessen und Umstrukturierungen, in Fusionen und Standortverlagerungen, in Kostensenkungen und Personalabbau, bei denen Partnerschaftlichkeit und Fairness auf der Strecke bleiben.“ Stattdessen kämpften die Beteiligten mit harten Bandagen.

Dominazrituale

Was für Thiele heißt: „Dominanzrituale haben Konjunktur. Machtspiele prägen den Diskurs. Je schwieriger die Zeiten und je umkämpfter die Themen, desto größer der Anteil unfairer Tricks und Winkelzüge.“ Also gelte es, Selbstbehauptungswissen zu erwerben, um aggressive und manipulative Taktiken zu erkennen und mit ihnen umgehen zu können. Selber besser und stärker in der Argumentation zu werden sei der beste Schutz davor, sich von auftrumpfenden Figuren ins Bockshorn jagen, den Schneid abkaufen und sich um Aufträge bringen zu lassen.

In seinem neuen Ratgeber stellt Thiele eine vierstufige Konterstrategie vor, die es erlaubt, bei allen Varianten unsachlicher Argumentation und direkter persönlicher Angriffe flexibel und angemessen zu reagieren. Er zeigt, wie es möglich ist, mit den Zungenfertigen auf Augenhöhe zu bleiben und sich durch eine solche offensive Argumentation nicht die Initiative aus der Hand nehmen zu lassen. Seine Ausführungen unterlegt er mit aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung, die es ermöglichen, im verbalen Schlagabtausch souverän und gelassen zu bleiben, Botschaften beim Zuhörer zu verankern und das eigene Argumentationsverhalten sowie die zugrunde liegenden Einstellungen zu verändern.

Für Munition sorgen?

Inwieweit Mittel der Kampfdialektik und Manipulation ihre Ziele erreichen, hängt Thiele zufolge zum einen von der Persönlichkeit der Angegriffenen und ihrer psychischen Disposition ab. Also davon, ob sie eher ängstlich oder eher robust und stressresistent sind. Zum anderen von der Frage, über welches dialektische Repertoire und welche kommunikativen Fähigkeiten sie verfügen. Entscheidend aber im Nahkampf mit Worten ist für Thiele das Bewusstsein für diese Vorgänge. Wer manipulative Attacken aufgrund entsprechender eigener Kenntnisse frühzeitig wittert, kann sich besser auf sie einstellen und sich vor ihnen schützen. Und so seine Interessen wahren!

Doch Thiele erweist sich nicht nur als profunder Fachmann auf dem uralten Gebiet der Dialektik und Eristik (= Lehre vom Streitgespräch und die Kunst der Widerlegung in einer Diskussion oder Debatte), sondern auch als humaner Geist. Also macht er darauf aufmerksam: „Manipulative und eristische Taktiken mögen zwar kurzfristig Erfolge bringen. Sie bergen aber auch erhebliche Risiken – für die emotionale Beziehung zum Gegenüber genauso wie für die eigene Reputation.“ Spreche jemand im beruflichen Alltag - etwa in Mitarbeitergesprächen oder im Kundenkontakt – ständig von fairem und partnerschaftlichem Dialog und setze gleichzeitig manipulative Werkzeuge ein, untergrabe das dessen Glaubwürdigkeit und Ansehen.

So sieht das auch der große alte Mann der Dialektik, der 1996 emeritierte Professor für Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie an der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt/Main, Rupert Lay: „Wer gewinnen will, sollte lernen, auf den Sieg zu verzichten! Denn: Wenn du immer siegst, wirst du verlieren – und zwar deine Mitmenschen und deine Kollegen.“

Da allerdings weder Thieles noch Lays mahnender Denkanstoß zur beherzigten Verhaltensmaxime geworden ist, ist es wohl ratsam, sich mit dem vorgestellten Buch auf die Realitäten einzustellen und für die nötige Munition in Wortgefechten zu sorgen. Um standhalten zu können.

Autor
Hartmut Volk, Redaktionsbüro Wirtschaft & Wissenschaft, Bad Harzburg.
E-Mail: hartmut.volk@ t-online.de
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