Fugenentleerung – Ursachen und Folgen

Ungebundene Pflasterdecken und Plattenbeläge

Ungebundene Pflasterdecken und Plattenbeläge können nur dauerhaft sein, wenn die Fugen vollständig gefüllt sind. In der Praxis treten bei unterschiedlichsten Anwendungen geleerte Fugen auf, wobei gelöste Steine oder Platten die Folge sind.

Bei Regenwetter steht Wasser in den Fugen und spritzt beim Überfahren heraus. Die auftretenden Verkehrslasten können nicht mehr sicher abgetragen werden. Verformungen können die Folge sein. Abbildung 1 zeigt beispielhaft stehendes Wasser in Fuge und Bettung bei geleerten Fugen. Abbildung 2 zeigt eine enge, nicht verfüllbare Fugen, die einen Wasserzutritt mit der Folge ermöglicht, dass bei Starkregen­ereignissen Wasser in Fuge und Bettung steht, wenn das Wasser nicht nach unten abgeführt werden kann.

Gemäß dem Merkblatt für bauliche Erhaltung [2], Ziffer 3.4.3 Unvollständig gefüllte und offene Pflaster-/Plattenfugen, gilt: „Unvollständig gefüllte oder vollständig entleerte Fugen entstehen durch das Heraussaugen/Ausschwemmen von Fugenmaterial oder das Abwandern von Fugenmaterial in die Bettung hinein.“ Geleerte Fugen können auch andere, ggf. mehrere Ursachen haben. Die unterschiedlichen Arten der Fugenentleerung werden im Folgenden beschrieben.

Fugenentleerung – Typ 1: Fugenentleerung durch fehlende Filterstabilität zwischen Fuge- und Bettung

Die Abbildungen 3 und 4  zeigen die Fugenentleerungen durch fehlende Filterstabilität. Abbildung 3 zeigt eine schematische Pflasterdecke unmittelbar nach der Herstellung. Die Fugen scheinen augenscheinlich gefüllt, Fugenmaterial ist schon leicht in die Hohlräume der darunter befindlichen grobkörnigen Bettung abgewandert. Im Betrieb kommt es nun bei auftretendem Regenwetter zu eindringendem Wasser und durch die dynamischen Lasten zu Vibrationen in der Konstruktion. Dies führt zu einem Abwandern des feinen Fugenmaterials in die Hohlräume der Bettung. Damit kommt es zu erhöhten Materialbeanspruchungen, da die Fugen nicht mehr vollständig gefüllt sind. Die Lasten müssen über einen geringeren Querschnitt abgetragen werden. Folge ist eine erhöhte Zertrümmerung im Fugen- und Bettungsmaterial mit dem Ergebnis einer geringeren Wasserdurchlässigkeit. Der Sachverhalt der Verfestigung des Kontaktzonenbereiches ist in [3] beschrieben.

Die Abbildungen 5 und 6 zeigen einen Anwendungsfall mit nicht filterstabilem Fugen- und Bettungsmaterial. Abbildung 5 zeigt den bereits entstandenen Schaden aufgrund abgewanderter Fein­anteile. Abbildung 6 ist im nahezu unbelasteten Bereich entstanden. Hier wurde die Probenahme durchgeführt, um die Korngrößenverteilung vom Fugen- und Bettungsmaterial und darauf basierend den Nachweis der Filterstabilität durchzuführen.

Abbildung 7 zeigt beispielhaft die Korngrößenverteilung von nicht filterstabilem Fugen- und Bettungsmaterial.

Gemäß ZTV Pflaster-StB 06 [1] sind folgende Filterkriterien einzuhalten:

D15/d15 ≥ 1

D15/d85 ≤ 4

D50/d50 ≤ 5

D15 und D50 sind Korndurchmesser in mm des Bettungsmaterials, der bei 15 bzw. 50 M.-% Siebdurchgang der Körnungslinie vorliegt. d15 und d50 und d85 sind Korndurchmesser in mm des Fugenmaterials, der bei 15, 50 bzw. 85 M.-% Siebdurchgang der Körnungslinie vorliegt. In Tabelle 1 ist bei vorliegendem Anwendungsfall die Berechnung der Filterkriterien enthalten.

Die auch im Betrieb beschriebene fehlende Filterstabilität bei diesem Beispiel liegt nach Tabelle 1 einerseits darin begründet, dass an sich nicht filterstabile Materialien in Form von Fugenmaterial 0/2 mm und Bettungsmaterial 2/5 mm gemäß Abbildung 7 eingesetzt wurden. Andererseits verursachen Entmischungen Korngrößenverschiebungen und führen damit zu einer fehlenden Filterstabilität.

Fugenentleerung – Typ 2:  Fugenentleerung durch Nachverdichtung in Form von Kornumlagerungen

Eine weitere Ursache für eine Fugenentleerung ist die in Abbildung 8 und 9 dargestellte Fugenentleerung durch Nachverdichtung in Form von Kornumlagerungen.

In Abhängigkeit der Fugenbreite, des eingesetzten Materials, der Einbauart an sich und der verwendeten Verdichtungsgeräte kann es zu unterschiedlichen Lagerungsdichten in der Fuge kommen. Im Betrieb bei Regenwetter und unter dynamischen Lasten kann es zur Nachverdichtung der Fläche, insbesondere auch der Fugen, kommen. Grund hierfür ist die Reduzierung des Reibungswiderstandes des ungebundenen Fugenmaterials an sich sowie die Herabsetzung des Reibungswiderstandes des Fugenmaterials an der Steinseitenfläche. Die Nachverdichtung kann zur Folge haben, dass sich Fugenmaterial umlagert, absackt und sich eine Fugenvertiefung einstellt. Auch hier tritt wieder der nachteilige Effekt der erhöhten Materialbeanspruchung mit dem Ergebnis erhöhter Materialzertrümmerung aufgrund Verkehrs auf, da sich der Lastabtragungsquerschnitt der Steine deutlich reduziert. Bei sehr lockerer Lagerungsdichte des Fugenmaterials kann die Fugenentleerung mit Abwandern des Materials unter den Stein wie in Abbildung 11 dargestellt stattfinden, wobei diese Kornumlagerung fast ausschließlich in befahrenen Flächen stattfinden kann. Abbildung 10 zeigt eine visuell vollständig gefüllte Fuge im unbelasteten Bereich.

Fugenentleerung – Typ 3: Fugenentleerung durch einen „Durchbruch“ eines vorhandenen „Gewölbes“ in der Fuge mit der Folge plötzlichen Absackens der Fugenfüllung

Einen weiteren Vorgang der Fugenentleerung stellt die mangelhafte Fugenfüllung bei der Herstellung dar, siehe Abbildungen 12 und 13. Die Fuge war nicht vollständig gefüllt. Dies kann beispielsweise bei der Verwendung von zu grobkörnigem Material für die Fuge der Fall sein. Somit kommt es zur Gewölbebildung im Fugenquerschnitt. Ggf. kann das Gewölbe durchbrechen und beim Verdichtungsfall gelöst werden, siehe hierzu [3]. Es kann dazu kommen, dass es zu einer Absackung des Fugenmaterials kommt, so dass die Fugen im Rahmen der Unterhaltung erneut gefüllt werden müssen. Dieser Arbeitsschritt ist bei einem derartigen Anwendungsfall als Vertragerfüllungsleistung anzusehen. Es tritt jedoch nicht selten der Fall auf, dass derartige Gewölbewirkungen mittels Verdichtungsvorgang nicht durchbrochen werden können. Somit scheinen augenscheinlich die Fugen bei Herstellung nahezu gefüllt. Im Betrieb, wieder in Verbindung mit eindringendem Wasser und auftretenden dynamischen Lasten, kommt es zur Kornzertrümmerung (Korndurchbruch oder Kornzermahlung) und zum Durchstanzen des Gewölbes. Eine Fugenentleerung ist auch hier die Folge.

Fugenentleerung - Typ 4: Fugenentleerung durch oberflächennahe Entleerung

Die Fugenentleerung durch oberflächennahe Entleerung zeigen Abbildungen 14 und 15. Die oberflächennahe Entleerung sind Effekte durch Einsatz von Reinigungsgeräten, Pump- und Sogwirkung der Reifen sowie Ausspülen bei Starkregenereignissen. Ein erhöhtes Potential von Fugenentleerungen ist bei Regenwetter zu verzeichnen; Fugenmaterial wird vor dem Reifen beim Überfahren in die Fugen gedrückt bzw. gepumpt und nach dem Überfahren wird das Fugenmaterial aus der Fuge durch Unterdruck herausgesaugt.

Hinweis zur Kontrolle und Wartung ungebundener Beläge

Die ZTV Pflaster-StB 06 [1], Ziffer 2.6 Verkehrsfreigabe, macht zu einer etwaigen Unterhaltung einer ungebundenen Fläche folgende Aussage: „Sofern bei der Pflasterdecke oder dem Plattenbelag nach der Verkehrsfreigabe fehlendes Fugenmaterial ersetzt werden soll, sind die erforderlichen Angaben in der Leistungsbeschreibung aufzunehmen.“

In der Praxis gibt es immer wieder Streit darüber, wer für die Fugenentleerung im Betrieb verantwortlich ist. In der Zeit der Verjährungsfrist für Mängelansprüche treten dort häufig Diskussionen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer auf. Die ZTV Pflaster-StB 06 [1] sagt eindeutig, dass die in der Praxis so bezeichnete Fugenpflege vergütet werden muss. Dies ist aus Sicht der Verfasser nicht grundsätzlich so, da folgende wesentliche Fugenentleerungen zu unterscheiden sind:

1. Oberflächennahe Entleerung durch die Nutzung

(Fugenentleerung - Typ 4).

2. Systembedingte Fugenentleerung entweder durch nicht

sachgerecht hergestellte Fugen oder aber ein etwaiges

Abwandern von Fugenmaterial in eine nicht filterstabile

Bettung (Fugenentleerung Typ 1 bis 3).

Handelt es sich um eine oberflächennahe Entleerung durch die Nutzung (Fugenentleerung - Typ 4) ist die Fugenpflege zu vergüten. Kann nachgewiesen werden, dass es sich um eine systembedingte Fugenentleerung (Fugenentleerung - Typ 1 bis 3) handelt, so hat der Auftragnehmer die Flächen im Rahmen der Verjährungsfrist für Mängelansprüche nachzuarbeiten.

Zusammenfassung

Die hier dargestellten 4 Typen der Fugenentleerung erfordern in der Praxis ein erhöhtes Augenmerk. Insbesondere sollte im Rahmen der Abnahme überprüft werden, ob die Fugen vollständig gefüllt sind und eine hinreichende Anfangsstabilität besitzen. Eine regelmäßige Kontrolle und Wartung der Flächen ist erforderlich, wobei ein bloße visuelle Beurteilung der ungebundenen Fugenfüllung im Betrieb hinreichend Erfahrung erfordert und die Durchführung der Nachverfugung mit für den Anwendungsfall entsprechendem Fugenmaterial ausgeführt werden sollte.

Literatur und Regelwerke

1. ZTV Pflaster-StB 06, Zusätzliche Technische Vertragsbedingun-
gen und Richtlinien für den Bau von Pflasterdecken und Platten-
belägen, Ausgabe 2006 Herausgeber: Forschungsgesellschaft
für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Köln
2.  Merkblatt für die Bauliche Erhaltung von Verkehrsflächen mit
Pflasterdecken oder Plattenbelägen in ungebundener Ausfüh-
rung sowie von Einfassungen, M BEP R2, Ausgabe 2016, Heraus-
geber: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen
e.V., Köln
3. Metzing, A. & Saathoff, F.: Ungebundene Pflasterdecken und     Plattenbeläge, Funktion und Ausbildung der ungebundenen   Fugenfüllung, Ausgabe 11/2010, Zeitschrift Tiefbau,
Ingenieurbau, Straßenbau Bauverlag BV GmbH, Gütersloh
x

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