NATURSTEIN

Asiatischer Naturstein - Kinderarbeit, Ausbeutung und schlechte Qualität?

Bei Natursteinen würden viele kommunale Verantwortliche gern auf günstige asiatische Steine zurückgreifen. Aber das importierte Material wird häufig in  Zusammenhang gesehen mit Kinderarbeit oder schlechter Stein-Qualität. Frank Dickmann, Geschäftsführer des Naturstein-Importeurs Besco, nahm in einem Interview Stellung zu den erwähnten Vorurteilen.

Mit Ihrem Unternehmen Besco haben Sie sich auf das Projektgeschäft mit asiatischem Naturstein spezialisiert. Warum liegt der Fokus ausgerechnet auf Material aus fernen Ländern?

Frank Dickmann: Ulrich Klösser und ich haben Besco 2003 mit dem Vorhaben gegründet, das reiche Natursteinangebot Asiens für deutsche Projekte verfügbar zu machen. Bis Anfang der 1990er Jahre wurden Natursteine aus aller Welt überwiegend in Italien verarbeitet und mit italienischen Namen versehen zu hohen Preisen in Deutschland verkauft. Diese Natursteine waren für öffentliche Infrastrukturprojekte oft viel zu teuer. Dafür blieben dann häufig nur die grauen und graurostigen Granite aus Polen und Tschechien oder die im Vergleich zum Naturstein eher begrenzt haltbaren Betonsteine.

Entsprechend großes Potenzial sahen wir für das vielfältige und preiswerte Natursteinangebot Asiens. Die Preisspanne zu den italienischen Steinen und teilweise sogar zu den mit Natursteinsplitten aus der ganzen Welt „aufgehübschten“ Betonsteinen war mehr als ausreichend, um auch die Lösung der bekannten Import-Probleme in Bezug auf Liefertreue, Produktionsbedingungen sowie Gesteins- und Verarbeitungsqualität zu bewältigen. Daraus entstand schon nach kurzer Zeit unsere eigene Natursteinmarke belgrano. Sie steht für die Erfüllung höchster Ansprüche in all diesen Bereichen und ist mittlerweile in vielen Ländern patentrechtlich geschützt.

Welche Vorteile hat es, wenn man sich ausschließlich auf die Steinbeschaffung konzentriert, ohne in die Gewinnung und Verarbeitung direkt involviert zu sein?

Frank Dickmann: Das Projektgeschäft ermöglicht die Konzentration unserer Arbeit auf die Natursteinberatung von Architekten, Landschaftsarchitekten und privaten/öffentlichen Bauherren. Zum einen lässt uns diese enge Zusammenarbeit sehr früh auf neue Trends, Anforderungen und Wünsche reagieren. Zum anderen erlauben uns unsere langjährigen Erfahrungen und Kontakte zu ausgesuchten asiatischen Herstellern für jede – bekannte oder neue – Anforderung die passend ausgestattete Fabrik zu finden. Zudem haben wir unser belgrano-Sortiment längst auf viele europäische Natursteine ausgedehnt, die zurzeit in großen Mengen beispielsweise auf dem Marienplatz in München und in der Böblinger Innenstadt zum Einsatz kommen.
Die Qualität unserer Marke überzeugt auch im Ausland. Im vergangenen Jahr lieferten wir 12.000 Quadratmeter an Bodenplatten für das neue „Convention Centre and Tower“ (DCCT) in Katars Hauptstadt Doha. Bei diesem Projekt setzten wir uns gegen internationale Konkurrenz durch, obwohl vermeintlich gleiche Gesteine billiger angeboten wurden. Bauherr und Architekt akzeptierten jedoch nur die geprüfte belgrano-Qualität. Fassaden und Außenanlagen mit unseren Produkten finden Sie auch in Österreich, Polen, England und Luxemburg.

Bei Diskussionen um asiatischen Naturstein fällt immer wieder das Wort „Kinderarbeit“. Trifft es zu, dass es sich dabei um ein verbreitetes Problem in den Ländern des Kontinents handelt?

Frank Dickmann: In der öffentlichen Diskussion wird meiner Meinung nach zu wenig differenziert. Das ist aber gerade bei diesem Thema absolut notwendig: Kinderarbeit ist ein großes Problem in Indien, nicht aber in China und Vietnam. In China beispielsweise genießt der Nachwuchs aufgrund der seit 1979/80 gültigen „Ein-Kind-Politik“ einen hohen Stellenwert, weshalb Kinderarbeit dort praktisch nicht existent ist. Viele dokumentierte Fälle und Augenzeugenberichte beweisen hingegen, dass in Indien die Ausbeutung und Zwangsarbeit von Minderjährigen an der Tagesordnung sind. Aus diesem Grund meiden wir indischen Naturstein. Dennoch muss natürlich grundsätzlich auf die Arbeitsbedingungen geachtet werden, weshalb wir unsere chinesischen und vietnamesischen Produktionspartner immer im Blick haben. Dazu unterhalten wir in Asien ein gut geschultes Inspektionsteam mit eigenen Fahrzeugen, das nicht nur unangemeldet stichprobenartig die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Qualitätskriterien kontrolliert, sondern auch die ebenfalls vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen kritisch im Auge behält. Die belgrano-Marke steht dafür, dass an Abbau und Bearbeitung der Steine garantiert keine Kinderhände beteiligt sind.

Interne Überwachungen sind ein Anfang, doch wichtiger wären Kontrollen durch eine unabhängige Organisation.

Frank Dickmann: Selbstverständlich! Auch die sorgfältigste Eigenkontrolle kann nie die Überzeugungskraft ausstrahlen wie eine unabhängige Überwachung. Es gibt bereits gute Ansätze zu einem verbindlichen Label. Unternehmen wie Win=Win Fairstone, mit dem wir bereits seit 2008 zusammenarbeiten, Zertifix und andere überwachen die Arbeitsbedingungen in vielen Natursteinfabriken Asiens. Dort hergestellte Produkte dürfen mit einem Siegel versehen geliefert werden, das dem Auftraggeber eine objektive Überwachung und eine nachhaltige Produktion bescheinigt.
Eine flächendeckende unabhängige Kontrolle ist mit enormen finanziellen Anstrengungen verbunden, die Win=Win Fairstone und andere nur schwerlich allein leisten können. Um diese Ansätze zu unterstützen und die Arbeit voranzubringen, benötigen wir meiner Meinung nach ein verbindliches nationales, besser noch ein europäisches Gütesiegel. Nur die verpflichtende Einführung eines solchen Siegels gewährleistet ausreichende Mittel, Transparenz und einen fairen Wettbewerb der Importeure.

Würde die Einführung eines solchen Gütesiegels zu einer Verteuerung führen? Der günstige Preis von asiatischem Naturstein wird auch auf Billiglöhne und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen zurückgeführt.

Frank Dickmann: Nein. Zumindest nicht bei Besco, da wir uns bereits nach den potenziellen Regeln eines solchen

Gütesiegels richten. Arbeit in der Natursteinindustrie ist immer hart, in Europa wie in Asien. Deshalb verpflichten wir unsere asiatischen Partner nicht nur zur Einhaltung der Anforderungen der „International Labour Organisation“ (ILO), sondern auch zu weiteren Sicherheitsmaßnahmen. Dazu gehören unter anderem das Tragen von Helmen, Atemschutz, Hörschutz und Sicherheitsschuhen. Unsere Inspektionsteams überprüfen, ob die Produktionsstätten diesen Pflichten nachkommen.
Doch auch ohne unser Einwirken finden seit einigen Jahren insbesondere in China gewaltige Lohnanpassungen und eine ständige Verbesserung der Arbeitsbedingungen statt. Die Gründe dafür lassen sich mit der kapitalistischen Überschrift „Angebot und Nachfrage“ beschreiben.

Inwiefern wirken sich Angebot und Nachfrage auf Löhne und Arbeitsbedingungen in asiatischen NatursteinProduktionsstätten aus?

Frank Dickmann: China entwickelt sich rasant. Die klassischen Wanderarbeiter, die früher aus dem Landesinneren tausende von Kilometern zu den Küstenregionen gereist sind, um Arbeit zu finden, verdienen ihr Geld heute in ihren Heimatprovinzen. In den Natursteinregionen sind zudem sehr viele ebenfalls gut bezahlte und vermeintlich „bequemere“ Arbeitsplätze in der Textil-, Schuh- und Elektronikindustrie entstanden. Gerade die jungen Menschen verspüren bei diesen Alternativen weniger Interesse an den handwerklichen Tätigkeiten in der Natursteinverarbeitung.

Allein diese beiden Aspekte zwingen die Natursteinfabriken permanent zu höheren Löhnen und einer stärkeren Modernisierung ihrer Produktionen. Und auch die langfristige Bindung zu den Arbeitern wird von den Fabrikbesitzern zunehmend als Unternehmenswert begriffen. Das macht sich auch deutlich in unseren Einkaufspreisen bemerkbar. Der Preisunterschied ist gegenüber manchen europäischen Produkten erheblich kleiner geworden. Insgesamt lässt sich sagen: Asiatischer Naturstein ist günstiger, hat aber immer noch einen Preis, in dem sich eine angemessene, den Landesbedingungen entsprechende, Entlohnung widerspiegelt

Einige Stimmen führen den Preisunterschied darauf zurück, dass asiatischer Naturstein nicht an die technische Qualität einheimischer Steine heranreicht. Wie schwierig ist es, gutes Material in Asien zu finden?

Frank Dickmann: Die Gesteinsqualität ist messbar und sie variiert unabhängig vom Gewinnungsort – überall auf der Welt existieren in den Steinbrüchen gute und weniger gute Steine. Es gibt eine schier unglaubliche Anzahl von Vorkommen und Anbietern in Asien. Die Unterscheidung auf dem Papier ist schwierig, da geeignete und ungeeignete Qualitäten namentlich nicht unterschieden werden. Gleiches gilt auch für die Verarbeitungsqualität.
Ausschließlich hochwertiges Material anzubieten, wie wir das mit unserer belgrano-Marke tun, ist nur durch Erfahrung, Präsenz vor Ort und entsprechende Kontrollen möglich. Darüber hinaus lassen wir alle relevanten Kriterien von unabhängigen deutschen Anstalten regelmäßig prüfen.

Sie sagten, die Unterscheidung sei für Außenstehende schwierig. Woher können Auftraggeber und Planer die Gewissheit nehmen, dass es sich bei der belgrano-Marke tatsächlich um Material in höchster Qualität handelt?

Frank Dickmann: Wir erstellen für jedes Gestein eine komplette Dünnschliff-Petrografie, die dann mit einem alphanumerischen Code verbunden wird. Unsere Steine heißen dann beispielsweise “belgrano A 210“. Damit können alle Irritationen um Gesteinsnamen ausgeschlossen werden und es gibt durch die Petrografie eine transparente und nachvollziehbare Verbindung zwischen Gestein und Prüfzeugnis. Ich vergleiche das immer gern mit einem Fingerabdruck. Aktuelle Prüfzeugnisse halten wir ebenso vor wie Handmuster aus unserem Lager, das über 20.000 Materialproben in den gängigen Hartgesteinen und entsprechenden Oberflächen umfasst.

Als Argument gegen den Import von asiatischem Naturstein werden Ökobilanzen ins Feld geführt. Kann man bei Material, das um die halbe Welt reist, noch von Nachhaltigkeit sprechen?

Frank Dickmann: Dieses „Totschlag-Argument“ trifft auf den gesamten internationalen Handel zu. Niemand muss ein schlechtes Gewissen haben, wenn er sich für asiatischen Naturstein entscheidet. Europäischer Naturstein muss über lange Strecken per LKW transportiert werden. Asiatische Gesteine kommen auf großen Containerschiffen in europäischen Häfen an und werden von dort mit Binnenschiffen oder der Bahn so dicht wie möglich an die Baustelle gefahren – nur die letzten Kilometer macht der LKW. Die Ökobilanz von asiatischem Stein muss sich deshalb nicht verstecken.

Der beste Beleg sind „Green Buildings“ wie der Süddeutsche Verlag oder der ADAC-Neubau in München. Beide Objekte sind mit sehr großen Mengen unseres asiatischen belgrano-Steins realisiert worden und haben diverse Preise und Auszeichnungen für nachhaltiges Bauen erhalten. Auch bei der Fassade des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Berlin und beim Blindenleitsystem im Umweltbundesamt in Dessau waren ökologische Aspekte ein wichtiger Faktor. Am Ende entscheidet der Kunde  darüber, welcher Stein verbaut wird. Sind die Vorbehalte gegenüber asiatischen Produkten zu groß, können wir ihm auch die teureren deutschen, spanischen, polnischen oder portugiesischen Steine zum bestmöglichen Preis in bewährter belgrano-Qualität zur Verfügung stellen. ⇥■

Besco Berliner Steincontor GmbH

www.besco-gmbh.de

BESCO BERLINER STEINCONTOR GMBH


Besco ist seit der Gründung im Jahr 2003 auf das Projektgeschäft mit Natursteinen spezialisiert und liefert Natursteine für Projekte in Deutschland, Europa und dem Mittleren Osten. Das belgrano Naturstein Sortiment umfasst über 500 geprüfte Gesteine und Oberflächen, die individuell und projektbezogen für Fußgängerzonen, Plätze, Fassaden, Innenbereiche u. v. m. bearbeitet werden können. belgrano Produkte in höchster Material- und Verarbeitungsqualität werden direkt aus Europa und/oder Asien bezogen.

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