Qualität und Qualifikation im Fokus

Prüfingenieure besuchen die Baustellen der Gütezeicheninhaber

Gespräch mit Dipl.-Ing. Sven Fandrich, Leitung Außendienst, Gütegemeinschaft Kanalbau, über seine Erfahrungen vor Ort auf den Baustellen und über das Arbeiten in Zeiten der COVID-19-Pandemie.

THIS: Hallo Herr Fandrich. Ein wichtiger Bestandteil der RAL-Gütesicherung Kanalbau ist die Überprüfung der Gütezeicheninhaber. Wer führt diese Überprüfungen aus?

Sven Fandrich: Wir haben ein Team von rund 30 erfahrenen Prüfingenieuren, die wir damit beauftragen, und die in Rücksprache mit uns diese Überwachungsaufgaben durchführen. Alle unsere Prüfingenieure verfügen über langjährige Baustellenerfahrung und Expertise.

THIS: Wie viele Überprüfungen führen Sie im Jahr aus?

Sven Fandrich: Wir führen derzeit rund 3.500 unangemeldete Baustellenbesuche pro Jahr bei ausführenden Unternehmen mit Gütezeichen durch. Die Häufigkeit der Baustellenbesuche nach Gütezeichenverleihung erfolgt in der Regel in Abhängigkeit von der Anzahl der eingesetzten Kolonnen/Teams der Gütezeicheninhaber. Baustellenbesuche gehören damit zur täglichen Routine eines Prüfingenieurs.

THIS: Was ist die Prüfgrundlage vor Ort?

Sven Fandrich: Wir bewerten die Ausführung der Maßnahme entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik, die personelle, geräte- und maschinentechnische Ausstattung sowie die Eigenüberwachung.

THIS: Warum haben die Baustellenbesuche der Prüfingenieure so eine große Bedeutung?

Sven Fandrich: Die Begutachtung von Qualifikation und Zuverlässigkeit der Fachunternehmen im Rahmen von Baustellenbesuchen durch einen unabhängigen Prüfingenieur trägt entscheidend dazu bei, dass Auftraggeber konsequent und wirtschaftlich auf die Prüfung der Bietereignung nach RAL-GZ 961 setzen. Auf diese Weise werden über die Auswahl einer fachlich geeigneten Firma die Voraussetzungen für eine fachgerechte Ausführung der Maßnahme geschaffen.

Erst die Auswahl einer geeigneten Firma, kombiniert mit einer fachgerechten Bauüberwachung, macht den Erfolg einer Maßnahme planbar. Das ist im Sinne einer fachgerechten und nachhaltigen Bewirtschaftung des Kanalnetzes von großer Bedeutung.

THIS: Wird der Prüfingenieur vor diesem Hintergrund nicht als Kontrolleur wahrgenommen?

Sven Fandrich: Meine Kolleginnen und Kollegen haben da andere Erfahrungen gemacht. Den Zusammenhang von Qualifikation und Bauergebnis sehen in der Regel auch die Ansprechpartner auf der Baustelle.

Aber der Prüfingenieur bewertet nicht nur die Qualifikation des Unternehmens anhand der Bauausführung. Zusätzlich nutzen wir den Baustellenbesuch, um das Baustellenpersonal zu informieren und zu sensibilisieren. Ziel der Gütesicherung auf der Baustelle ist, dass durch wachsende Qualifikation der Beteiligten, durch Eigenüberwachung und natürlich auch durch die gemeinsame Auswertung etwaiger Fehler die Ausführungsqualität kontinuierlich verbessert wird.

THIS: Worum geht es vor Ort auf der Baustelle?

Sven Fandrich: Der Prüfingenieur schaut sich beispielsweise an, ob die Bauausführung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und auch, ob die Einbaubedingungen des Rohres den Vorgaben aus der Statik entsprechen. Daneben werden die Geräte, die personelle Besetzung und die Eigenüberwachungsunterlagen geprüft.

Bei der Eigenüberwachung sind die für die Qualität maßgeblichen Parameter zu überprüfen und deren Einhaltung zu dokumentieren. Fehlen Angaben, oder ist alles richtig und vollständig dokumentiert? Ist das Personal qualifiziert und ist das gemeldete Personal auf der Baustelle?

All das sind wichtige Fragen, für deren Beantwortung in den meisten Fällen der Polier dem Prüfingenieur als Ansprechpartner beim Baustellenbesuch zur Seite steht und die erforderlichen Unterlagen vorlegt. Stimmt die Situation auf der Baustelle mit den gemeldeten Daten überein? Gemeinsam werfen die Fachleute einen Blick auf die Bauausführung.

THIS: Was passiert, wenn etwas nicht stimmt?

Sven Fandrich: Ist alles in Ordnung, wird das positive Ergebnis ebenso im Prüfbericht festgehalten, wie eventuelle Abweichungen. Gravierendere Mängel werden dem Güteausschuss der Gütegemeinschaft zur Beratung vorgelegt. Er empfiehlt dann entsprechende Ahndungsmaßnahmen.

THIS: Wie sehen die aus?

Sven Fandrich: Bei festgestellten und dokumentierten Mängeln sieht die Satzung ein abgestuftes System von Ahndungen vor: „zusätzliche Auflagen“, „Verkürzung des Besuchsintervalls“, „Verwarnung“ oder ein „befristeter oder dauerhafter Entzug des Gütezeichens“.

THIS: Das klingt nicht nur nach viel Arbeit, sondern auch nach viel Verantwortung, die der Güteausschuss zu bewältigen hat.

Sven Fandrich: Das ist schon richtig. Im letzten Jahr wurden im Güteausschuss mehr als 5.800 Vorgänge behandelt, darunter auch die Baustellenberichte der Prüfingenieure. Vor diesem Hintergrund haben wir die Option „Baustellenbesuch mit Hinweis“ eingeführt – quasi ein Instrument zur kurzfristigen Beseitigung von kleineren Mängeln ‚auf dem kleinen Dienstweg’.

THIS: Werden diese kleineren Mängel nur mündlich angemahnt, oder werden die auch dokumentiert.

Sven Fandrich: Diese werden selbstverständlich auch dokumentiert. Der Prüfingenieur fügt dem Bericht mindestens zwei Bilder an, um die Bauausführung und Eigenüberwachung vor Ort zu dokumentieren und vermerkt geringe Abweichungen im Bericht, zum Beispiel unter dem Punkt Bauausführung. „Die Bauausführung ist im Wesentlichen in Ordnung, aber bitte beachten Sie, dass ...“: So oder so ähnlich könnte so ein Eintrag lauten.

Darüber hinaus wird ergänzt, dass der Punkt mit dem Polier vor Ort besprochen worden ist. Zusammengenommen bietet das eine brauchbare Bewertungsgrundlage, und die Mängel werden in der Regel zeitnah abgestellt.

THIS: Wie hoch ist der Anteil dieser kleineren Mängel?

Sven Fandrich: Wenn alle diese Baustellenbesuche mit Hinweis in der Statistik berücksichtigt würden, hätten wir 35 % mehr Ahndungen. Wir schaffen mit unserem Vorgehen an dieser Stelle eine regelrechte Win-win-Situation: Wir wirken positiv auf die Unternehmen ein, den Qualitätsstandard weiter zu verbessern; zudem erleichtert diese Vorgehensweise die Arbeit der Prüfingenieure und steigert deren Fachkompetenz und Akzeptanz vor Ort.

THIS: Bedeuten die Zahlen aber auch, dass der Rest der Vorgänge praktisch mängelfrei ist und dass etwa dreiviertel der Baustellen einwandfrei abgewickelt werden?

Sven Fandrich: Unternehmen, die ein Gütezeichen führen, leisten im Großen und Ganzen gute Arbeit. Selbst wenn wir gelegentlich Anlass haben, Korrekturen und Verbesserungen auf Baustellen anzuregen, können Auftraggeber davon ausgehen, dass die Gütezeicheninhaber im Allgemeinen mit hoher Sorgfalt und Zuverlässigkeit arbeiten.

THIS: Haben die vielen Einschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie die Arbeit der Prüfingenieure beeinträchtigt?

Sven Fandrich: Die Auswirkungen betrafen vor allem Veranstaltungen wie die Mitgliederversammlung, Firmenseminare oder die „Auftraggeber-Fachgespräche“, die nicht in gewohnter Form stattfinden konnten. Gütesicherung Kanalbau hat allerdings dennoch weiter stattgefunden – etwa in Form von erweiterten Online-Angeboten zur fachlichen Qualifizierung der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter von Auftraggebern, Ingenieurbüros und Gütezeicheninhabern – aber auch auf den Baustellen. Besuche fanden weiterhin statt, allerdings mit dem gebührenden Abstand und unter Berücksichtigung von einschlägigen Hinweisen zum „Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus auf Baustellen“.

Dementsprechend fanden und finden die Prüfung der Unterlagen oder die Besprechungen in der Regel draußen und nicht im Container statt – und das unter großer Bereitschaft bei allen Beteiligten. In diesem Sinne hat die Gütegemeinschaft ihr Kerngeschäft in Form von Baustellenbesuchen innerhalb der Gütesicherung RAL-GZ 961 trotz der vielfältigen Einschränkungen in vollem Umfang abwickeln können.

RAL-Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau

www.kanalbau.com

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