ELEKTRONISCHE AKTENLÖSUNGEN

Papierloses Büro am Start

Der Flughafen Leipzig/Halle setzt seit dem Bau der Start- und Landebahn Süd auf die Enterprise Content Management-Software forcont factory. Der Nutzungsumfang wurde kontinuierlich erweitert: Mittlerweile kommen unterschiedliche, miteinander vernetzte elektronische Aktenlösungen, ein digitaler Posteingang sowie eine Fotodokumentation zum Einsatz.

Bei Groß-Bauprojekten wie einer Flughafen-Start- und Landebahn darf man die Zahl Tausend getrost inflationär verwenden. Um mehrere Tausend Meter Asphaltpiste zu bauen, müssen tausende Kubikmeter Erdreich und Gestein bewegt werden. Tausende Arbeitsstunden werden geleistet. Hundertausende Euro für einzelne kleine Bauabschnitte aufgebracht. Und, von vielen unbemerkt, hunderttausende Seiten Papier werden produziert und müssen archiviert werden. Die werden zwar nicht in Tonnen gemessen, aber einige tausend Kilo kommen durchaus zusammen.

Der Flughafen Leipzig/Halle begeht 2012 sein 85-jähriges Jubiläum und zählt damit zu den traditionsreichsten Flughäfen in Deutschland. Nach 1945 führte der Airport lange ein eher beschauliches Dasein. Das änderte sich Anfang der 1990er Jahre. Der Leipzig/Halle Airport wurde schrittweise zu einem modernen europäischen Flughafen ausgebaut. Im März 2000 ging die 3.600 m lange Start- und Landebahn Nord in Betrieb. 2003 kam das multifunktionale Zentralterminal hinzu, mit einer jährlichen Kapazität von 4,5 Millionen Passagieren. Seit der Inbetriebnahme der neuen Start- und Landebahn Süd im Juli 2007 hat sich der Flughafen Leipzig/Halle – auch dank der direkten Anbindung an transeuropäische Verkehrswege sowie der Möglichkeit des 24-Stunden-Betriebes im Luftfrachtverkehr – als wichtigster Logistikstandort in der Region Mitteldeutschland etabliert und ist Deutschlands zweitgrößter Frachtflughafen.

 

Anforderungen an das Projektmanagement

Bauprojekte an einem solchen Flughafen sind eine äußerst ambitionierte Herausforderung. Das liegt insbesondere an der großen Anzahl der Beteiligten, deren Verantwortlichkeiten es zu managen gilt: Die unterschiedlichen Flughafenabteilungen, Architekten, Ingenieure, diverse spezialisierte Baufirmen sowie deren Subunternehmen. Hinzu kommen kommunale Versorger, Zulieferer und Logistiker und natürlich die verschiedenen an der Bauaufsicht und -abnahme beteiligten Behörden und Institutionen, Anwaltskanzleien und Gerichte. Je umfangreicher und langwieriger solche Projekte sind, umso höher wächst der dazugehörige Dokumentenberg. Vollständige Dokumentationen zu einem bestimmten Sachverhalt zusammenzutragen, ist dann häufig mit sehr hohem Aufwand verbunden.

„Um diesen Aufwand zu vermeiden und das Projektmanagement effizienter zu organisieren, hatten wir uns bereits zu Beginn der Baumaßnahmen dafür entschieden, die wesentlichen Projektdokumente elektronisch abzubilden“, erläutert Dietmar Rost, Leiter der Gruppe Informationstechnologie der Flughafen Leipzig/Halle GmbH. „Die Frage war nur noch: Mit welchem System?“ Die gesuchte Lösung sollte dabei eine ganze Reihe von Kriterien erfüllen, wobei der Prozessbeschleunigung die höchste Priorität galt. Alle Unterlagen und der gesamte Schriftverkehr des Bauprojektmanagements sollten zentral und revisionssicher – also vollständig und in allen Bearbeitungsstufen nachvollziehbar – abgelegt werden. Die Lösung musste so beschaffen sein, dass sich bei Anfragen zu Projekten, einzelnen Vorgängen oder Akten die Reaktionszeiten deutlich verkürzen. Eine zentrale Forderung war daher ein unkomplizierter, nutzerfreundlicher und webbasierter Zugang. Außerdem sollte die Lösung eine effiziente Recherchefunktion und ein individualisierbares Berechtigungssystem für Mitarbeiter besitzen. Da das Bauprojekt selbst absoluten Vorrang hatte, war Schnelligkeit auch bei der Implementierung gefragt. Die Lösung sollte technisch so ausgereift und flexibel sein, dass sie zügig in den laufenden Betrieb integriert werden konnte und eine schnelle Produktivsetzung erlaubte. Darüber hinaus sollte sie offen genug sein, um sie zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls auch mit SAP zu koppeln oder mit weiteren Funktionen zu ergänzen. „Mit diesem Anforderungskatalog gingen wir auf die Suche“, berichtet Dietmar Rost. „Schnell sind wir dann auf das Leipziger Unternehmen forcont gestoßen.“

Elektronische Bauakte

Als erstes wurde die elektronische „Bauakte“ eingeführt. Das Dokumentenvolumen beim Bau der Startbahn Süd schätzte man auf etwa 500.000 Seiten, davon 70 Prozent in Papierform. Diese Dokumente werden mit der forcont-Lösung gescannt, automatisch für die Volltextsuche indiziert, attribuiert, geordnet und mit einer Berechtigungsstufe versehen. Bei der Attribuierung werden die einzelnen Dokumente in einem Dokumentenbrowser mit einer Reihe von Zusatzinformationen versehen: Auftrags-, Vorgangs- und Vertragsnummern, Projektzuordnungen, Betreff und Kurzbeschreibungen, Freigabestatus für Projektpartner. Außerdem wird dem Dokument bei Bedarf ein Workflowstatus zugeordnet. Der Workflowstatus kennzeichnet den aktuellen Bearbeitungsstand eines Dokuments und zeigt an, ob es beispielweise gerade erst erfasst wurde oder ob es einer bestimmten Stelle im Unternehmen zur Bearbeitung oder abschließenden Prüfung vorgelegt werden muss. Auf diese Art wird sichergestellt, dass ein Dokument nicht nur jederzeit richtig abgelegt ist und schnell aufgefunden werden kann, sondern auch, dass es alle notwendigen Arbeitsschritte durchläuft. Dadurch unterstützt die Lösung sowohl ein effizientes Projektmanagement, als auch die Einhaltung von Compliance-Richtlinien. Über eine Zugriffsberechtigung wird geregelt, welche Projektgruppen welche Bauprojekte sehen dürfen. „Die Benutzeroberfläche der Bauakte entspricht den gängigen Office-Anwendungen und ist daher intuitiv bedienbar“, erläutert Dietmar Rost einen weiteren Vorteil. „Auch werden alle Unterlagen aus einer spezifischen Akte übersichtlich präsentiert und Inhalte sind schnell recherchierbar. Da der Zugang über einen Webbrowser realisiert wurde und keine lokale Installation nötig war, sind unsere Anforderungen vollständig erfüllt worden.“

Bei der Erstellung des genauen Anforderungskatalogs an die forcont-Bauaktenlösung wurden die Fachabteilungen des Flughafens mit eingebunden. Auf diese Weise ersparte man sich mühsames Nachbessern und erzeugte zugleich eine höhere Bereitschaft, das Konzept der Bauakte auch auf andere Bereiche zu übertragen. So war auch der Verantwortliche für den Lärm- und Umweltschutz in das Projekt involviert und erkannte schnell das Potenzial der  ECM-Lösung von forcont für seinen Bereich. Neben der Umsetzung und Überwachung von Maßnahmen für den passiven und aktiven Lärmschutz im direkten Verantwortungsbereich des Flughafens ist diese Abteilung auch verantwortlich für die Bearbeitung von Bürgeranträgen zur Durchführung von Schallschutzmaßnahmen im privaten Wohnbereich. Dafür sind neben dem eigentlichen Antrag etliche weitere Unterlagen, wie Ansichtspläne oder eventuelle Baugenehmigungen, einzureichen. Auch diese werden heute elektronisch erfasst und in einer eigenen elektronischen „Lärmschutzakte“ archiviert. „In Analogie zur Bauakte haben wir gemeinsam mit forcont den Prozess in fest definierte Workflows unterteilt, für die jeweils bestimmte Aufgaben vorgesehen sind, welche in einer festgelegten Zeit erledigt werden müssen. Ein Workflow startet automatisch nach der Attribuierung des gescannten Antragsdokuments“, so Dietmar Rost.

 

Digitaler Posteingang

Um eine solche Dokumentenmanagement-Lösung wirklich effizient zu nutzen, muss man nicht nur die unterschiedlichen papiergebundenen Projektdokumente erfassen, sobald sie in der Poststelle des Flughafens eingehen – auch der E-Mail-Schriftverkehr sollte sich den entsprechenden Projekten und Abteilungen zuordnen lassen.

Der digitale Posteingang wurde neben Bau- und Lärmschutzakte für die Sekretariate der  Geschäftsführung und mehrerer Abteilungsleiter  eingeführt und ermöglicht jetzt die einheitliche elektronische Erfassung, Weiterleitung, Ablage, Recherche und Verwaltung ein- und ausgehender Post. Die Dokumente können dabei auch direkt einem Projekt der Bauakte zugeordnet werden. Sämtliche ein- und ausgehende Post wird dabei in einem virtuellen Postbuch dokumentiert. Dokumente, die nicht in Zusammenhang mit der Bauakte oder der Lärmschutzakte stehen, werden direkt im Postarchiv revisionssicher hinterlegt. „Die Strukturierung nach Abteilungen gibt uns die Möglichkeit, auch zukünftige Abteilungen individuell im System einzubinden“, erläutert Dietmar Rost das Potenzial der forcont-Lösung und ergänzt: „Jedes Dokument ist schnell und eindeutig identifizierbar, was die Rechercheeffizienz deutlich steigert. Über die Bau- und Lärmschutzakte oder den digitalen Posteingang besteht außerdem die Möglichkeit, Dokumente den Mitarbeitern oder Partnern zugänglich machen: Je nach deren Berechtigung entweder über einen Link mit direktem Zugriff auf die Anwendung oder als Mail-Anhang.“

Gemeinsam mit forcont hat die Flughafen-IT unter Dietmar Rost die unterschiedlichen Lösungen kontinuierlich weiterentwickelt. So kam eine zentrale Fotodokumentation hinzu, die alle Funktionen eines modernen Medienarchivs bietet. Außerdem sind Schritt für Schritt weitere Abteilungen angebunden worden. Statt ursprünglich zwei nutzen nun acht Sekretariate den digitalen Posteingang. Durch die automatische Zuordnung der Scan-User (Benutzerkennung des Anwenders) im Posteingangskorb sieht jedes Sekretariat grundsätzlich nur die eigenen eingescannten Dokumente.

„Vor Kurzem hat forcont zudem einen Releasewechsel auf die aktuelle Software-Version forcont factory FX durchgeführt, der die Nutzerfreundlichkeit weiter erhöht – durch ein verbessertes Layout und eine aktenübergreifende Recherche“, so Dietmar Rost. „Bei dieser Gelegenheit wurde noch auf den komfortableren Scan-Client von Open Text umgestellt. Nun können wir von einem Scan-Arbeitsplatz aus Dokumente für alle Dokumentenmanagement-Anwendungen bereitstellen.“ Die forcont-Lösung hat die Arbeitsprozesse in den Abteilungen am Flughafen Leipzig/Halle wesentlich schlanker und effizienter gestaltet: „Da wir das Leistungsspektrum des Flughafens kontinuierlich weiterentwickeln, werden mit der Zeit auch sicherlich neue Herausforderungen im Projektmanagement hinzukommen.“

Plattformübergreifende Anwendungen

Die forcont business technology gmbh bietet als Softwarehaus Produkte und Lösungen zur Steuerung dokumentengetriebener Geschäftsprozesse. Die Basis der unterschiedlichen Softwarelösungen ist die forcont factory FX | ECM Suite. Mit der Suite lassen sich die unterschiedlichsten plattformübergreifenden Anwendungen für einen effizienten Umgang mit beliebigen geschäftsrelevanten Daten und Dokumenten realisieren. In enger Zusammenarbeit haben die Mitarbeiter von forcont und die Gruppe Informationstechnologie des Flughafens mehrere einzelne Applikationen gezielt für den Bedarf des Leipzig/Halle Airports umgesetzt, implementiert und Schritt für Schritt weiter miteinander vernetzt und ausgebaut. Die räumliche Nähe des Dienstleisters zu seinem Kunden war dabei ein großer Vorteil – schließlich ist Zeit bei solchen Projekten ein besonders knappes Gut. Kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten sind daher ein entscheidender Faktor, um Kosten zu senken.

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