Verhaltensweise mit hohem Payback

Für den Geschäftsführer der Unternehmensberatung Coverdale, München, Thomas Weegen, sind sie „die apokalyptischen Reiter der Unternehmensführung: die bürokratische Bevormundung der Wirtschaft, die Überhöhung des Wettbewerbsgedanken, insbesondere auch mit seinen erkennbar unsinnigen Ausschreibungsvorgaben, und die innere Ruhelosigkeit vieler Betriebe.“ Betriebliche Stabilität als Quellgrund betrieblicher Prosperität zu erreichen werde dadurch ganz erheblich erschwert.

 

Nicht die Veränderung an sich...

Erfahren im Erkennen von Ansätzen zur Problemlösung, gibt es für ihn keinen Zweifel: Weder die Drangsalierung durch die Bürokratie noch die Überschätzung des Wettbewerbs als Allheilmittel für alles und jedes werden sich auf absehbare Zeit ändern (lassen). Wenn überhaupt. Das rückt für Weegen die innere Ruhelosigkeit in den Vordergrund, mit der sich viele Betriebe das (Über-)Leben (zusätzlich) selbst erschweren. Sein Rat geht deshalb dahin, Veränderungsmaßnahmen nicht als Allheilmittel par excellence anzusehen. Die Weichen zum Erfolg würden nicht dadurch gestellt, dass ohne Unterlass alles auf den Kopf gestellt und die Belegschaft dadurch permanent verunsichert werde.

„Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen“, schreibt Nietzsche in „Menschliches, Allzumenschliches“. Einer der gefährlichsten Feinde der Wahrheit in unserer immer besinnungsloser dahinhetzenden Fortschrittsgesellschaft ist die Überzeugung, dass ausschließlich durch unablässiges Auf-den-Kopf-Stellen alles Bestehenden die Zukunft gewonnen werden kann. In Veränderungen – im politischen Raum Reformen genannt – wird der allem anderen überlegene Schlüssel zur Zukunft gesehen. Es ist an der Zeit, diese Überzeugung als Trugschluss zu entlarven. Sie führt in die Irre, in der Sache wie im Menschlichen.

 

… und auch nicht übertriebene Hetze …

In der Sache macht die Hetze von einer Reorganisation zur anderen die Betriebe schließlich so instabil, dass sie an den Rand des Zusammenbruchs geraten. Und, wie die Praxis zeigt, oft genug auch darüber hinaus. Vergleichbares gilt für den arbeitenden Menschen. Im Menschlichen verstärkt sie das ohnehin schon beängstigend verbreitete Gefühl von lebenspraktischer Orientierungslosigkeit in höchst bedenklichem Maß.

Es müsste doch nachdenklich stimmen, dass psychische Erkrankungen, allen voran die Depression, medizinisch vereinfacht ausgedrückt das Empfinden einer ungeheuren lähmenden Sinnlosigkeit, mittlerweile als Seuche unseres Zeitalters eingestuft wird. Sollte das nicht den Gedanken nahelegen, dass irgendetwas an der Art und Weise, Arbeit zu sehen, einzustufen und zu organisieren, nicht stimmen kann? Zumal die Krankschreibungen infolge psychischer Belastungen in unablässiger Aufwärtsbewegung begriffen sind. Ist es nicht Indiz genug für diese Unstimmigkeit, dass sich im Netz spontan Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiträumig dazu verabreden, sich im Herbst krankschreiben zu lassen - nur um ihren Arbeitgebern eins auszuwischen? Die Rache des kleinen Mannes als Antwort auf die zeitgeistige Verfahrensweise der Unternehmensführung! „Ein Betrieb, in dem sich die Berater reihenweise die Tür in die Hand geben, treibt mit sich selbst aller Erfahrung nach ein schlimmes Spiel!“ Berater Weegen scheut sich nicht, diese unbequeme Wahrheit auszusprechen. Weniger außengeleitete und mehr sich selbst vertrauende Betriebe sind sich darüber im Klaren. Und lassen die Finger davon. Sie wissen – nicht selten aus schmerzlicher eigener Erfahrung: Nicht das Hauruckverfahren permanenter Veränderungsprozesse öffnet neue Horizonte, sondern die alte Erkenntnis, dass sich immer wieder eines aus dem anderen ergibt.

 

… sondern Motivation und Identifikation …

Und sie kennen auch die Voraussetzung dafür oder, berichtet Zusammenarbeitsspezialist Weegen, „sie haben sie von einem gewissen Punkt an kennenlernen müssen: Mitarbeiter, die sich mit ihrem Betrieb identifizieren, deren Ehrgeiz nicht die eilige Karriere ist oder deren Trachten nicht vordringlich dem Feierabend gilt, sondern denen es auf die sie selbst bestätigende Leistung ankommt, die stolz auf sich und ihren Betrieb sein wollen!“ Und die so, nicht vorangepeitscht von ständig neu verhandelten und laufend noch oben angepassten Zielen, sondern angespornt von eigener innerer Leistungsbereitschaft auch ganz selbstverständlich darüber nachdenken, wie sie das, was sie tun, besser, effizienter, zukunftsweisender und möglicherweise sogar vollkommen anders tun könnten.

 

… machen den Erfolg!

Dass das keine Illusion ist, stellen zahlreiche Familientriebe Tag für Tag unter Beweis. Sie demonstrieren: Nicht Benchmarking, die atemlose, ständig Veränderungen anstoßende Orientierung an anderen, bewirkt mehr eigene Exzellenz. Exzellenz ist das Ergebnis des aus der Breite einer engagierten, sich im Betrieb wohl und beheimatet fühlenden Mitarbeiterschaft heraus kommende Bewusstsein eigener nachhaltiger Leistungsfähigkeit. Auf der Basis ganz selbstverständlichen und auch ganz selbstverständlich anerkannten persönlichen Mitdenkens und den sich dadurch aus dem Laufenden heraus ergebenden kleineren oder größeren Veränderungs-, Verbesserungs- und Innovationsschritten. Lesenswert dazu Inga Michler: Wirtschaftswunder 2010 – Deutschlands Familienunternehmer erobern die Weltmärkte oder Bianca Braun: Erfolgreich jenseits der Börse – Was führende Familienunternehmen auszeichnet.

Wie wirkmächtig und durch nichts zu ersetzen diese mentale Verfassung ist, erläuterten unlängst Unternehmer im Zweiten Deutschen Fernsehen in einem Beitrag der Sendereihe Frontal 21. (5.10., 21 Uhr) In erkennbar reflektierter Abkehr vom Mainstreamdenken, das die Belegschaft als Kostenfaktor sieht, sehen sie in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den betrieblichen Dreh- und Angelpunkt allen Erfolgs. Und das Bemühen um die Belegschaft in guten und weniger guten Tagen, so einer der Porträtierten, bringe einen hohen Payback.


Dipl.-Betriebswirt Hartmut Volk,

Freier Wirtschaftspublizist,

Redaktionsbüro Wirtschaft&Wissenschaft, Bad Harzburg,

E-Mail: hartmut.volk@t-online.de

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