Verstärkung für
marode Stahlbrücken

In Beimerstetten bei Ulm wurde von Leonhard Weiss ein wegweisendes Pilotprojekt umgesetzt: Die Verstärkung einer Stahlbrücke mit orthotroper Fahrbahnplatte durch hochfesten Beton (HFB). Für das angewandte Verfahren wurde das Unternehmen für den Bauma Innovationspreis 2016 in der Kategorie „Bauverfahren“ nominiert.

39.000 Brücken sorgen auf Deutschlands Fernstraßen für schnelle Verbindungen und kurze Transportwege, viele davon seit den 70er Jahren oder noch früher. Diese Bauwerke wurden damals für eine weitaus geringere Verkehrsbelastung konstruiert. Der hohen Beanspruchung halten mindestens 6.000 Brücken in naher Zukunft nicht mehr stand – Abriss und Neubau scheinen unvermeidlich.

Ein Schritt in die Zukunft

Auf der Suche nach einer wirtschaftlicheren Lösung haben jetzt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg (MVI), die Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST), das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP Karlsruhe) sowie das Regierungspräsidium Tübingen (RP Tübingen) in Zusammenarbeit mit Leonhard Weiss und Contec International gemeinsam ein Verfahren erprobt, das auf der vorhandenen Bausubstanz aufbaut. Unterdimensionierte Stahlbrücken werden mit hochfestem Beton (HFB) statisch verstärkt und so an die gestiegene Beanspruchung angepasst. Ihre Lebensdauer wird damit signifikant verlängert.

HFB wird in den Niederlanden unter anderem zur Ertüchtigung von orthotropen Fahrbahnplatten auf Stahlbrücken genutzt. Daher bot sich der Einsatz des hochfesten Betons als mögliches Material für Stahlbrücken mit orthotroper Fahrbahnplatten an. Auf dieser Basis entwickelten Leonhard Weiss und seine Partner ein innovatives Verfahren für den Einsatz bei Stahlbrückenverstärkungen in Deutschland. Dieses wurde nun zum ersten Mal in der Praxis umgesetzt.

Die Lösung: Hochfester Beton

Für das Pilotprojekt suchte das Regierungspräsidium Karlsruhe ein entsprechendes Bauwerk, das die erforderlichen Randbedingungen für eine Erprobung und den Dauereinsatz erfüllte. Die ertüchtigungsbedürftige Stahlbrücke in Beimerstetten wies alle Voraussetzungen auf. Ihr bisheriger Aufbau bestand aus einer korrosionsgeschützten orthotropen Stahlplatte mit Stahlträgerunterzügen und einem Asphaltbelag. Sämtliche Belastungen auf die Fahrbahn wurden bisher vom Asphalt an die Platte durchgeleitet.

Deshalb galt es, eine Methode zu finden, um die Stahlplatte zu verstärken. Die Lösung ist ein hochfester Beton, der auf die Fahrbahnplatte aufgebracht wird – bei der Stahlbrücke Beimerstetten in einer Stärke von lediglich 6 cm. Zusammen mit der Contec International, die den hochfesten Beton lieferte, führte Leonhard Weiss zahlreiche Material- und Verarbeitungstests durch. Bevor die Ausführung am Bauwerk stattfand, wurden zunächst alle gewerblichen und technischen Mitarbeiter durch Contec geschult. Anschließend wurde das Verfahren in vier Arbeitsschritten umgesetzt.

Vier Arbeitsschritte zur Sanierung

Begonnen wurde mit der Entfernung des Fahrbahnbelags und der anschließenden Reinigung, Inspektion und Instandsetzung der Stahlfläche. Es folgte ein Epoxidharz-Auftrag, der im nassen Zustand mit Bauxit-Splitt abgestreut wurde. Der Splitt ermöglicht einen festen mechanischen Verbund zwischen der Stahlplatte und dem später aufgetragenen, hochfesten Beton. Danach wurden Niederhalter sowie ein dichtes Bewehrungsnetz auf exakte Höhenlage verlegt. Da hochfester Beton auch als Fahrbahn geeignet ist, wird bei der Verstärkung mit HFB eine abschließende Fahrbahndecke aus Asphalt nicht mehr benötigt. Abschluss der Maßnahme war der Auftrag einer Verschleißbeschichtung mit Abstreuung als Deckbelag der Fahrbahn. Um die fertiggestellte Baumaßnahme kontinuierlich überwachen und prüfen zu können, wurden Sensoren in die Brücke eingelassen.

Bauleiter Mario Flietner fasst das Projekt zusammen: “Die größte Herausforderung war der geringe zeitliche Vorlauf zwischen der Erprobung des Verfahrens an den Probeplatten vor Ort und dem eigentlichen Einbau des hochfesten Betons.“ Dieses Testen und Verbessern des Prozesses hat sich gelohnt: Auch ein Jahr nach der Baumaßnahme bestätigen weitere zusätzliche Messungen und mehrere Prüfungen des Karlsruher Instituts für Technologie die einwandfreie Funktionsweise der ertüchtigten Brücke.

Faserverstärkter Beton mit hoher Druckfestigkeit

Bewährt sich das neue Verfahren weiterhin im Pilotprojekt Beimerstetten, ist hier eine Lösung für zahllose orthotrope Stahlbrücken in Deutschland gefunden. Denn mit HFB wird nicht nur notdürftig repariert. Eine solche Maßnahme stärkt die gesamte Brückenkonstruktion und macht die gealterten Bauwerke wieder fit für die Zukunft. Das liegt an den besonderen Eigenschaften des Betons: Seine spezielle Rezeptur mit zugesetzten Stahl- und Kunststofffasern verleihen ihm eine sehr hohe Druckfestigkeit.

Während herkömmliche Stahlbetonverbundbauwerke aus 20 bis 25 cm dicken Betonbauteilen bestehen, reichen bei hochfestem Beton 6 cm Schichtstärke für das Verstärken des Stahlbauwerkes aus. Zugleich ist HFB ein idealer Fahrbahnbelag, denn seine hohe Stabilität verhindert effektiv und dauerhaft die Bildung von Spurrillen und anderen Verwerfungen der Fahrbahn.

Schnelles und effizientes Verfahren

Weitere Vorteile bieten die Schnelligkeit und Kosteneffizienz des Verfahrens. Denn mit einer zukunftssicheren Verstärkung der geschädigten Brücken kann ein immenser Planungs- und Kostenaufwand mit zeitraubenden Neubauphasen verhindert werden. Vor allem lässt sich die gesamte Ertüchtigung in der Regel auch bei laufendem Verkehr mit einer halbseitigen Fahrbahnsperrung durchführen. Der Verkehr kann während der Bauphase mit geringen Einschränkungen über die Brücken fließen.

Ertüchtigung statt Neubau, kürzere Bauzeiten, sehr geringe Verkehrsbeeinträchtigung, und das bei mehreren tausend Brücken: Mit dem Erfolg dieses Pilotprojekts zeichnen sich die Innovationskraft und der wirtschaftliche Vorteil ab, den Leonhard Weiss und seine Partner mit dem HFB-Verfahren erarbeitet haben.

Leonhard Weiss GmbH & Co. KG

www.leonhard-weiss.de

„Das Kennenlernen der Materialeigenschaften an der Musterplatte und die Anpassung der Einbau-Methode während der Tests haben maßgeblich zum reibungslosen Ablauf des Projektes beigetragen.“
Bauleiter Mario Flietner
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