Digitalisierung in der Bauindustrie

Einführung digitaler Prozesse im Bauunternehmen

Eine umfassende Digitalisierung der Bauindustrie – auch im Hinblick auf die BIM-Methodik – braucht gewisse Voraussetzungen. Das Hamburger Bauunternehmen Aug. Prien verfolgt daher ein gesamtheitliches Digitalisierungs-Konzept.  

Was bedeutet die Digitalisierung für die Bauindustrie? Bei den aktuellen Einladungen und Veranstaltungen zur Digitalisierung der Branche gibt es nur ein Thema – und das ist BIM. Die Digitalisierung der Bauprozesse nur auf das Thema BIM reduzieren zu wollen, ist aber zu kurz gegriffen.

Digitale Möglichkeiten

Digitalisierung umfasst den Austausch von Informationen zwischen den unterschiedlichen Beteiligten (z.B. Auftraggebern, Lieferanten, Planern oder unternehmens-internen Beteiligten) mittels unterschiedlicher IT-Programme über Unternehmensgrenzen hinaus. Hierbei stehen effiziente Prozesse, Geschwindigkeit, Transparenz und hohe Verfügbarkeit im Vordergrund. Dies alles trifft auch auf BIM zu – aber nur als eine der vielen Möglichkeiten, die Prozesse der Bauindustrie zu digitalisieren. BIM wird kommen, jedoch ist der Prozess der Einführung eher mittel- bis langfristig zu sehen.

Indes gibt es bereits heute viele digitale Möglichkeiten, die Prozesse in Unternehmen als auch mit Geschäftspartnern schneller und effizienter zu gestalten. Als Beispiel ist das Thema „Projektplattform im Internet
für den Planaustausch“ zu nennen. Diese digitale Form der Zusammenarbeit zwischen Bauunternehmen,
Planern, Nachunternehmern als auch Bauherren hat sich seit rund zehn Jahren in der Baubranche sehr gut etabliert.

Beispiele IT-gestützter Prozesse

Darüber hinaus gibt es bereits heute viele Möglichkeiten der Digitalisierung, deren Umsetzung relativ zügig zu bewältigen ist. Eine Reihe von IT-gestützten Prozessen sind bei Aug. Prien umgesetzt. Hiervon sind einige Beispiele nachfolgend aufgeführt:

Lohnstundenerfassung mobil und nachgelagerter Workflow zur Freigabe durch Bauleitung (seit 2001)

Workflow zur Rechnungsprüfung und Einsatz eines Dokumentenmanagements (seit 2002)

Einlesung der ELSE-Daten für Poliere (seit 2010)

elektronischer Rechnungseingang (PDF+XML) und automatisierte Verbuchung in der Finanzbuch-
haltung (seit 2014)

Workflows für Leistungsmeldungen (seit 2010) und Urlaubsanträge (seit 2012)

Austausch von Stahllisten in Datenformat ABS (seit 2016).

Durch IT-gestützte Tools sind so die Prozesse bei Aug. Prien deutlich effizienter und transparenter geworden. So kann beispielweise die Rechnungskontrolle jederzeit im ERP-System nachsehen, bei welchem Prüfer sich eine fällige „Skonto“-Rechnung befindet und diesen Prüfer gezielt anrufen.

Umdenken ist nötig

Woran liegt es, dass diese Möglichkeiten, die in vielen anderen Branchen schon lange im Einsatz sind, nicht genutzt werden? Zwei Erklärungsversuche könnten sein:

IT wird als reiner Kostenfaktor gesehen und wird auch vom Management so wahrgenommen

Digitalisierte Prozesse einzuführen dauert seine Zeit; es müssen vielen innerbetriebliche Hürden genommen werden, und es kostet ganz einfach Geld.

Bauingenieure investieren lieber in einen modernen Maschinenpark, in neue Bagger, Baukräne oder Lkw als in IT-Systeme. Dies allein reicht jedoch im digitalen Zeitalter nicht aus.

Mittlerweile findet beim Management ein Umdenken statt. Seit BIM in aller Munde ist und überall gepredigt wird, ist man bereit für BIM-Projekte in Software, Hardware und Personal zu investieren. Dass dies geschieht ist gut und richtig, nur sollte man bei der Digitalisierung der Baubranche nicht nur auf BIM starren, sondern
auch in andere Projekte investieren. Eine reine Fokussierung auf die IT-Investition in das Projekt BIM-Einführung, welches erst nach mehreren Jahren Früchte tragen wird, ist nicht ausreichend. Parallel sollten weitere Innovationen / Investitionen in die Digitalisierung von Geschäftsprozessen gestartet werden.

Das Excel-Phänomen

Was zum Beispiel den Alltag auf den Baustellen prägt, ist die Pflege und die Nutzung von Excel-Dateien. Das Management hat keine Ahnung davon, wie viel Zeit die unterschiedlichen Betei-ligten damit verbringen, Excel-Listen zu pflegen. Beispiele aus der Praxis:

Betoniertagebuch

Mengenverfolgung Beton

Stahllisten verwalten und bestellen

Verteilerlisten von Plänen.

Häufig kommt es vor, dass mehrere Personen die gleichen Daten in Excel erfassen – jeweils auf ihre Bedürfnisse angepasst. Dabei gibt es für viele dieser manuellen Tätigkeiten bereits gute, existierende digitale Prozesse. Die erhaltenen Daten müssen dann in Datenbanken eingelesen und den Bearbeitern mittels spezieller IT-Programme (Standard fürs Unternehmen) zur Verfügung gestellt werden. Alle am Bauprozess beteiligten Personen haben dann jederzeit Zugriff auf die „selben“ (und nicht nur die „gleichen“) Daten. Somit kann verhindert werden, dass unterschiedliche Mitarbeiter mit verschiedenen Listen und Werten arbeiten. An Hand von zwei Beispielen sollen die Vorteile der Digitalisierung und die Nutzung standardisierter Software verdeutlich werden.

Elektronischer Lieferschein Service (ELSE)

Das eine Beispiel ist die Nutzung von „ELSE“-Daten (Elektronischer Lieferschein Service der Transportbetonindustrie) und das andere die Nutzung von ABS-Dateien (Stahllisten). Der Verband der Transportbetonindustrie hat auf massives Drängen einiger großer Bauunternehmen vor inzwischen sechs Jahren eine Plattform bereitgestellt, auf der die Lieferscheindaten am Folgetag eingestellt und von den Bauunternehmen heruntergeladen werden können.

Aug. Prien nutzt seit Beginn an diese „ELSE“-Daten und hat extra für die Bedürfnisse des Unternehmens eine spezifische Software hierfür programmieren lassen. Alle am Bauvorhaben Beteiligten profitieren von der zentralen Datenhaltung, dem einheitlichen Prozess und den konsistenten Daten. Die Poliere nutzen die ELSE-Daten sehr gerne, weil sie die Vorteile für sich erkannt haben und stellen die Nutzung des Programms in keiner Weise in Frage.

Bei jedem neuen Bauvorhaben fragen die Poliere, ob sie auch wieder die ELSE-Daten erhalten? Da bedauerlicher Weise nicht alle Lieferanten die ELSE-Daten liefern, wurde das Programm so erweitert, dass auch eine manuelle Erfassung der Betonlieferscheindaten möglich ist. An Hand von Abbildung 2 ist ersichtlich, wie stark auch die Nutzung der manuellen Erfassung steigt. Auf allen größeren Bauvorhaben werden die ELSE-Daten genutzt.

Standardisierte Schnittstelle für Stahllisten-Daten

Mit dem Begriff ABS-Dateien können die Wenigsten im Bau etwas anfangen. Der Statiker erstellt mittels spezieller Programme u.a. die Bewehrungspläne und Stahllisten. Die Bewehrungspläne und Stahllisten (beides als PDF-Dateien) werden den bauausführenden Unternehmen entweder auf Projektplattformen bereitgestellt oder per Mail übermittelt. Wenn das Bauunternehmen dann beim Biegebetrieb den Stahl bestellt, übermittelt die Baufirma dem Biegebetrieb PDF-Dateien (Bewehrungsplan und Stahlliste). Beim Biegebetrieb sitzen dann mehrere Mitarbeiter, die die Stahlliste in ein IT-System erfassen. Seit über 15 Jahren gibt es eine standardisierte Schnittstelle für die Daten der Stahlliste (ABS-Datei) vom Verband der Bausoftwarehersteller (BVBS), die in allen gängigen Statik-Programmen verfügbar ist.

Hier zeigt sich eine weitere deutliche Schwäche der Baubranche – ein jeder schaut meist nur auf seine Belange und nicht darüber hinaus. Ohne jetzt im Detail auf die unterschiedlichen „Probleme“ einzugehen,
z.B. Statiker nicht immer im Auftrag der Baufirma, muss es doch im Sinne der Branche sein, dass der digitale Austausch von Daten unterstützt wird, auch wenn die eigene Baufirma nicht der Hauptnutzer ist. Aug. Prien unterstützt die Nutzung der ABS-Dateien sowohl für den Biegebetrieb als auch für das eigene
Unternehmen. Abbildung 3 verdeutlicht, wie auch Baufirmen von den Daten der ABS-Datei profitieren.

Aktualisierung der ABS-Schnittstelle

Seit 2016 beschäftigt sich Aug. Prien intensiv mit dem Thema ABS-Dateien. Die ABS-Dateien sind zum einen technisch in die Jahre gekommen und zum anderen nicht komplett vollständig. Trotz dieser bekannten Schwächen wird der digitale Prozess bei Aug. Prien in Abstimmung mit Statikern und Biegebetrieben vorangetrieben. Parallel wurden Gespräche mit dem BVBS und dem Verband der Biegebetriebe aufgenommen, um eine neue Schnittstelle zu erarbeiten. Diese Schnittstelle soll den aktuellen Standards IT-technisch genügen (XML-Format) und die vorhandenen Schwächen eliminieren. Trotzdem sollten Baufirmen nicht warten, bis die neue Schnittstelle verabschiedet und in die Statikprogramme eingebunden ist, sondern jetzt schon in den digitalen Prozess investieren.

Hürden nehmen und Erfolge kommunizieren

Digitale Prozesse im Unternehmen voranzubringen, bedarf neben den finanziellen Ressourcen auch das notwendige Augenmaß bei der Implementierung. Um alte Gewohnheiten umzustellen, müssen die Mitarbeiter sich eingebunden fühlen, einen Nutzen für sich erkennen und die Bereitschaft aufbringen, Neues zu lernen. Auf den Weg zu mehr Digitalisierung können „Hürden“ auftreten, die als Chance gesehen werden sollten und gemeistert werden müssen. Gut vorbereitete und durchgeführte Leuchtturm- bzw. Pilotprojekte helfen ungemein, die ersten Widerstände zu brechen. Die
Erfolge müssen entsprechend im Unternehmen kommuniziert und die Vorteile klar hervorgehoben werden.

Digitalisierung als Chance

Baufirmen, die zögern neue digitalisierte Wege zu beschreiten, werden mittelfristig den Anschluss ver-passen. Gewinnen werden die Unternehmen, denen es gelingt, die vielen Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, schnell umzusetzen und in den Unternehmens-prozessen nachhaltig zu verankern. In naher Zukunft wird es nicht ausreichend sein, ein hervorragend bautechnisch aufgestelltes Unternehmen zu sein. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung, um sich am Markt zu behaupten. Darüber hinaus bringt ein stringentes digitalisiertes Prozessmanagement deutliche Wettbewerbsvorteile. Die Baufirmen, die in Digitalisierung investieren, sind effizienter, transparenter und agiler – können sich schneller an Änderungen anpassen.

Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist, dass junge Mitarbeiter die Nutzung digitaler Tools zur Bewältigung ihrer Tätigkeit erwarten. Unternehmen, die auf Digitalisierung setzen, wird es daher leichter fallen, gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden. Fazit: BIM ist wichtig, richtig und hat wesentliche Einflüsse auf die Art, wie wir unsere Prozesse gestalten und Informationen austauschen.

Aug. Prien Bauunternehmung GmbH & Co. KG

www.augprien.de

Das Unternehmen: Aug. Prien

1873 in Hamburg-Harburg gegründet, ist Aug. Prien heute eines der vielseitigsten und leistungsfähigsten Bauunternehmen in Norddeutschland. Die Leistungspalette des Unternehmens deckt nahezu das gesamte Spektrum des Bauens ab: Ingenieur- und Brückenbau, Hafen- und Wasserbau, Städtischer Tiefbau, Gewerbe- und Wohnungsbau, Sanierung bis hin zu Planungsleistungen und Projektentwicklung. Mit erfahrenen Spezialisten, umfangreichem Gerätepark und moderner IT-Ausstattung bietet Aug. Prien seinen Kunden umfassenden Service bei erstklassiger Ausführung. Die gesamte Unternehmensgruppe beschäftigt derzeit 616 Mitarbeiter, davon 281 
Angestellte und 298 gewerbliche Mitarbeiter sowie 37 Auszubildende. Durch das Personal werden das hohe technische und handwerkliche Niveau sowie das Know-how im Unternehmen erhalten und weiterentwickelt.

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