Schalhaut sorgt für sichere Fluchtwege

CAD-Schalungskonstruktion für maßgenaue Formen

Gekrümmte Wände mit unterschiedlichen Radien, ein über vier Etagen reichendes Atrium sowie 1,4 Kilometer Fluchtbalkone kennzeichnen den Gymnasium-Neubau in der Gemeinde Kirchheim bei München.

Der Schulneubau macht Fortschritte. Der Schulneubau macht Fortschritte.
© Westag AG

Der Schulneubau macht Fortschritte.
© Westag AG
Für die Planung der Leistungsphasen 2-8 zeichnete das Berliner Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner verantwortlich. Den Rohbau des Schulgebäudes erstellte die Porr GmbH & Co. KGaA, Hochbau Süd, München. Bauherr ist der Zweckverband Staatliche weiterführende Schulen im Osten des Landkreises München.

Gegründet sind die nicht-unterkellerten Bereiche des Zweckbaus auf Streifen- und Einzelfundamenten, sowie einer elastisch gebetteten Bodenplatte. Die abgesenkte Technikzentrale ist eine Flachgründung aus WU-Beton. Das quadratische Gebäude misst 70,50 m x 70,50 m, seine Bruttogrundfläche beträgt ca. 21.000 m². 13.600 m³ Transportbeton und 1.900 t Betonstahl waren erforderlich.

Schulgebäude als Pfosten-Riegel Konstruktion

Peter Ludwig, Polier der Porr GmbH & Co. KGaA: „Als Pfosten-Riegel-Konstruktion wurde die Fassade ausgeführt, mit hinterlüfteten Faserzementelementen vor den Betonwänden. Alle tragenden bzw. aussteifenden Innenwände sowie die Geschossdecken sind in Stahlbeton ausgebildet, die Treppenhauswände in Sichtbeton SB2.“

Im Erdgeschoss befinden sich Foyer, Aula mit Bühne, Cafeteria, Musik- und Kunsträume sowie ein Teil des zweigeschossigen Lehrerzimmers. Im Zwischengeschoss (zwischen EG und 1. OG) liegen die Verwaltungsräume und der weitere Teil des Lehrerzimmers sowie die Zentrallager.

Das erste Obergeschoss wird die Lehrgebiete Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik als einen zusammenhängenden und eigenständigen Bereich sowie die Bibliothek beherbergen. Darüber befinden sich auf drei Ebenen die flexibel zu Clustern zusammenschaltbaren Klassenräume. Die Kubatur des Gymnasiums erforderte sichere Fluchtwege für mehr als 1.400 Menschen, die das Gebäude später nutzen werden. Fluchtbalkone sollen dies auf allen Etagen sicherstellen.

Für die 320 Laubengangelemente (durchschnittliche Länge 4,40 m zu ca. 4 t, Betongüte C30/37) erstellte die Sager Fertigteile GmbH ca. 30 Schalungen. Vorgelagerte CAD-Schalungskonstruktion, präziser CNC-Zuschnitt in Verbindung mit erfahrenen Fachkräften in der Schalungsmontage waren die optimale Voraussetzung für maßgenaue Formen. Toleranzen im Fertigteilquerschnitt waren zu vermeiden. Auch in der Fertigteilproduktion war Präzision beim Umbau der Formen gefragt. Durch die hohe Positionsvielfalt (320 Fertigteile – 66 unterschiedliche Positionen) war der Aufwand entsprechend groß. Das akribische Qualitätsmanagement in der Fertigteilproduktion sicherte den geforderten Standard zuverlässig.

Je nach Baufortschritt lieferte man sie just in time zur bayerischen Baustelle. Die Fluchtbalkone mit thermischer Trennung zum Gebäude wurden oberflächenfertig mit Gefälle zu den Entwässerungsrinnen an der Außenkante ausgeführt.

Die Oberfläche der Fluchtbalkone muss rutschhemmend sein. Die Oberfläche der Fluchtbalkone muss rutschhemmend sein.
© Westag AG

Die Oberfläche der Fluchtbalkone muss rutschhemmend sein.
© Westag AG

Spezielle Schalhaut war erforderlich

Damit die Oberfläche der Fluchtbalkone rutschhemmend und im Falle eines Falles sicher zu betreten ist, bedurfte es einer speziellen Schalhaut, mit der sich eine solche angeraute Oberfläche erzielen lässt. Durch die Architekten wurde die Anforderung an Rutschhemmung auf der Lauffläche der Fertigteile vorgegeben, welche gemäß Leistungsverzeichnis mit einer Betosieb-Platte erreicht werden sollte. 

Michael Hörmann, Fachberater der Westag AG, beriet das Unternehmen Sager Fertigteile und erklärt: „Die Anforderungen an rutschhemmende Platten sind hoch. Unsere Produkte Structal, Mobilplex und Betosieb wurden von einem externen Versuchsinstitut gemäß DIN 51130 ausgiebig geprüft. Weil sie die Anforderungen in der Rutschfestigkeitsklasse R11 bis R13 erfüllen, erhielten sie das Prüfzertifikat. Für das Gymnasiumprojekt war unsere Structal R11 die richtige Wahl.“

Das Datenblatt beschreibt die Schalungsplatte Structal R11 als Spezialholzwerkstoffträger mit einseitig rutschhemmender Oberfläche, Melaminbeschichtung sowie 450g/m² Filmbeschichtung und glatter Rückseite. Die Maße der Platte betragen 5.150x1.950x21 mm.

Thomas Sager, Geschäftsführer Sager Fertigteile GmbH: „Die Herausforderung dieses Auftrags lag beim Schalungsbau in der minimalen Toleranz, der Positionsvielfalt und dem beschädigungsfreien Einbau der Strukturplatten. Aber auch beim nächsten Arbeitsschritt, dem Betonieren, war hochpräzise Arbeit gefragt. Wegen der Vorgaben der Projekt-Ausschreibung kam für uns deshalb nur eine entsprechend geprüfte und langlebige Schalhaut infrage.“  Optik und Struktur der Fluchtbalkone. Optik und Struktur der Fluchtbalkone.
© Westag AG

Optik und Struktur der Fluchtbalkone.
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Westag-Structal bis zu 16-mal im Einsatz

Wie Thomas Sager ergänzte, zeigte die Schalhaut wenig Verschleiß und die mit Structal gebauten Formen konnten bis zu 16-mal verwendet werden. Neben den Balkonelementen produzierte das Beton-Fertigteilunternehmen für den Schulneubau 67 Fertigteiltreppen, wobei diese unter Verwendung der Westag-Schalhaut Phenox geschalt und erstellt wurden.

Tieflader transportierten die Fluchtbalkone just in time auf die Baustelle, wo sie etagenweise per Kran auf ein längs des Schulgebäudes installiertes Gerüst gehoben wurden. Nachdem die Eisenflechter die Betonstahlarmierung der jeweiligen Geschossdecken vorbereitet und die Anschlüsse zu den außenliegenden Balkonabschnitten hergestellt hatten, erfolgte die Deckenbetonage, mit der die Isokörbe sodann mit der jeweiligen Geschossdecke verbunden wurden. Die Anordnung der Balkone richtete sich nach dem Stützenraster des Gebäudes. Bei einem Baustellenrundgang zeigte sich Polier Peter Ludwig zufrieden mit der Qualität, Oberflächenstruktur und Optik der Fluchtbalkone.

Ein markantes Highlight der Schule ist das Atrium. Laut Ausschreibung erhält es ein auf einem Stahlträgerrost installiertes Glasdach, das für Wartungs- und Instandhaltungszwecke betreten werden kann.

Altes Gymnasium hatte Kapazitätsprobleme

Michèle Schlautmann, Geschäftsführerin Zweckverband Staatliche weiterführende Schulen im Osten des Landkreises München, freut sich auf die Fertigstellung des Neubaus: „Mit 1.280 Schülerinnen und Schülern sowie 120 Lehrkräften war das vor 40 Jahren eröffnete Bestandsgymnasium deutlich an seine Kapazitätsgrenzen gekommen. Bis zum Herbst 2023 soll laut Plan der Erweiterungsneubau fertig sein und Platz für 50 Klassen, Fachräume, Lerninseln, Vierfachsporthalle, Außensportanlagen, Mensa und Ganztagesbetreuung bieten. An den rund 93 Mio. Euro Gesamtkosten zuzüglich eines Puffers für Baupreissteigerungen in Höhe von 4,8 Mio. Euro beteiligt sich der Landkreis München mit etwa 51,6 Mio. Euro und der Freistaat Bayern über die FAG Förderung mit 4,4 Mio. Euro. Den Rest tragen die Mitgliedsgemeinden des Zweckverbandes: Kirchheim, Aschheim und Feldkirchen.“

www.westag.de

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