Ein Drittel leichtere Betondecke

Smarter Einsatz von Beton hilft beim Klimaschutz

Das Flachdach des Bludenzer Bauhof ist 32,5 Prozent leichter als vergleichbare Betondecken. Bei der Herstellung wurden 33 Tonnen Treibhausgas gespart. Möglich machen das „Verdrängungskörper“ des Start-up-Unternehmens Concrete 3D.

Die Kassettendecke ist dank 3D-gedruckter Aussparungskörper 32,5 Prozent leichter als vergleichbare Betondecken und spart 33 Tonnen klimaschädliches Treibhausgas. Die Kassettendecke ist dank 3D-gedruckter Aussparungskörper 32,5 Prozent leichter als vergleichbare Betondecken und spart 33 Tonnen klimaschädliches Treibhausgas.
© Janosch Schallert

Die Kassettendecke ist dank 3D-gedruckter Aussparungskörper 32,5 Prozent leichter als vergleichbare Betondecken und spart 33 Tonnen klimaschädliches Treibhausgas.
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Die Elemente wurden nummeriert, auf die Baustelle geliefert, auf der Schalung positioniert, dazwischen Bewehrungsstahl verlegt und das Ganze mit Beton aufgefüllt. Concrete 3D druckte für das 717 Quadratmeter große Flachdach insgesamt 792 Verdrängungskörper aus Beton.
© Janosch Schallert
Concrete 3D druckte für das 717 Quadratmeter große Flachdach insgesamt 792 Verdrängungskörper aus Beton.
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Die Zementherstellung ist die Ursache des großen CO2-Fußabdrucks von Beton. „Das Gebot der Stunde lautet Material sparen“, betont Philipp Tomaselli. Mit dem neuen Bauhof in Bludenz-Klarenbrunn bot sich dem Geschäftsführer des Bauunternehmens Tomaselli Gabriel eine gute Chance für ein Vorzeigeprojekt.

Über das auf 3D-Betondruck spezialisierte Unternehmen Concrete 3D kam eine Verbindung zur TU Graz zustande: „3D-Druck ermöglicht den smarten Einsatz von Beton, ganz ohne Schalung“, betont Georg Hansemann, Projektassistent am Institut für Tragwerksentwurf (ITE) der TU Graz. „Mit der Technik lassen sich ganz neue Geometrien abfallfrei erzeugen, die sich bestens zum Einsparen von Beton und Stahl eignen“, betont der Wissenschaftler.

Bauherr Werit, Architekt Marcus Ender und nicht zuletzt die Stadt Bludenz als Nutzerin waren vom Vorschlag einer klimafreundlichen Kassettendecke angetan: „Als zukünftiger Mieter war uns neben der Zweckmäßigkeit vor allem die Nachhaltigkeit ein wichtiges Anliegen. Durch die innovative Bauweise werden Umwelt und Klima geschont. Der neue Werkhof ist ein Vorzeigeprojekt, das uns als e5-Stadt auch den Zielen unserer #MissionZeroBludenz näherbringt“, betont Bürgermeister Simon Tschann. Für die betonsparende Konstruktion sorgten die Dornbirner Tragwerksplaner und -planerinnen von gbd in Zusammenarbeit mit dem ITE.

 

Leichte und klimaschonende Lösung

Concrete 3D druckte 792 Verdrängungskörper aus Beton. Concrete 3D druckte 792 Verdrängungskörper aus Beton.
© Janosch Schallert

Concrete 3D druckte 792 Verdrängungskörper aus Beton.
© Janosch Schallert
Die Idee ist so einfach wie bestechend: Durch den Einbau verlorener Schalungen aus dem 3D-Drucker werden Material und Emissionen gespart. Mit einer eigens angeschafften Software berechnete gbd für das 717 Quadratmeter große Flachdach 792 Verdrängungskörper – jeder ein Unikat. Die druckte Concrete 3D mit mehr als 60 Tonnen Beton und einer insgesamt 210 Kilometer langen Druckbahn. Die bis zu 80 Kilogramm schweren Elemente wurden nummeriert, auf die Baustelle geliefert, dort mittels Totalstation auf der Schalung positioniert, dazwischen Bewehrungsstahl verlegt und das Ganze mit Beton aufgefüllt. Das Ergebnis: Eine um ein Drittel leichtere Decke, deren Herstellung 24,4 Prozent weniger Treibhausgase emittierte.

 

Weltweit größte Konstruktion dieser Art

Die Konstruktion besteht lediglich aus Beton und Stahl und kommt ohne Kunststoff aus. Die Konstruktion besteht lediglich aus Beton und Stahl und kommt ohne Kunststoff aus.
© Janosch Schallert

Die Konstruktion besteht lediglich aus Beton und Stahl und kommt ohne Kunststoff aus.
© Janosch Schallert
Das Pilotprojekt war für allen Beteiligten sehr lehrreich: „Für uns ist das eine Referenz für das Potenzial der Digitalisierung im Bauprozess und Nachhaltigkeit im Massivbau“, betont Philipp Tomaselli, Geschäftsführer von Tomaselli Gabriel Bau. Das Flachdach schließt den Entwurf von Architekt Marcus Ender ab: Es ruht auf zwei 46 Meter langen Stützbögen, die zwei Holzhallen überspannen. Ihn überzeugen die gestalterischen Möglichkeiten der Technik: „Die Form und Positionierung der Aussparungen lässt den Verlauf der Kräfte sichtbar werden.“

„Vom Positionieren der Aussparungen über das Einbringen der Bewehrung bis zum Ausbetonieren hielt die Konstruktion einige Herausforderungen für uns parat“, betont Polier Daniel Burtscher (Tomaselli Gabriel Bau). Die Erfahrungswerte von der Baustelle sind auch für die Statiker von gbd und die TU Graz zentral: „Die Decke ist die bislang weltweit größte Konstruktion dieser Art und liefert wichtige Erkenntnisse, um die Technik weiter zu verbreiten, Material zu sparen und das Klima zu schonen“, betont Georg Hansemann.

 

Großes Potenzial

Die bis zu 80 Kilogramm schweren Elemente wurden auf der Baustelle mittels Totalstation auf der Schalung positioniert, dazwischen Bewehrungsstahl verlegt und das Ganze mit Beton aufgefüllt. Die bis zu 80 Kilogramm schweren Elemente wurden auf der Baustelle mittels Totalstation auf der Schalung positioniert, dazwischen Bewehrungsstahl verlegt und das Ganze mit Beton aufgefüllt.
© Janosch Schallert

Die bis zu 80 Kilogramm schweren Elemente wurden auf der Baustelle mittels Totalstation auf der Schalung positioniert, dazwischen Bewehrungsstahl verlegt und das Ganze mit Beton aufgefüllt.
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Der Mehraufwand für Handling und Logistik wird durch die Materialeinsparung und die erweiterten statischen Möglichkeiten kompensiert. Außerdem gibt es einen weiteren Umweltaspekt: „Die Konstruktion besteht lediglich aus Beton und Stahl und kommt ohne Kunststoff aus“, so Tomaselli. Damit kann sie nach Ende der Nutzungsdauer zu 100 Prozent wiederverwertet werden. Bei den Emissionen sieht Hansemann noch Luft nach oben: „Mit dem Einsatz von CO2-reduzierten Beton könnten 39 Prozent Treibhausgase gespart werden.“ Auch beim Prozess besteht Potenzial: „Früher oder später werden wir direkt auf der Baustelle drucken“, ist Michael Gabriel von Concrete 3D überzeugt.

Concrete 3D GmbH

www.concrete3d.at

Bauhof Bludenz – klimaschonendes Betonflachdach

Bauherr: Werit Handels GmbH Österreich, Bludenz

Nutzer: Stadt Bludenz

Totalunternehmer: Tomaselli Gabriel Bau, Nüziders

Architekt: Atelier Ender, Nüziders

Konstruktion: gbd Gruppe, Dornbirn

Entwurf/Dachtragwerk, Entwicklung/Printstrategie: TU Graz, Institut für Tragwerksentwurf

Fertigung der Verdrängungskörper: Concrete 3D, Nüziders

Fläche: 717 Quadratmeter

Länge: ca. 46 Meter

Stärke: durchschnittlich ca. 0,5 Meter

Spannweite: ca. 14 Meter

Gewicht: 657 statt 973 Tonnen

Treibhausgase: 101,8 statt 134,7 Tonnen CO2eq

Verbaute Verdrängungskörper aus dem 3D-Drucker: 792

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