Die Rechte des Auftragnehmers

Kommentare zur aktuellen Rechtsprechung für die Bauwirtschaft

Der BGH hat erstmalig zum neuen § 648a (Stichwort Forderungssicherungsgesetz) ein Urteil gefällt. Dies behandelt unser Autor Rechtsanwalt Michael Werner vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie im ersten Teil dieses Artikels. Im zweiten Teil geht er auf ein Urteil des OLG Nürnberg zu 8facher Überhöhung des Einheitspreises in einem Angebot ein.

Erste Entscheidung des BGH zum neuen § 648a BGB!

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 27. Mai 2010 – VII ZR 165/09 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:

1. Ebenso wie für die Vorgängerfassung gilt auch für den seit 1. Januar 2009 geltenden § 648a BGB, dass er ausschließlich das Recht des Auftragnehmers betrifft, nachträglich nach Abschluss des Bauvertrags eine Sicherheit verlangen zu können. Auch der Regelungsgegenstand des § 648a BGB (neue Fassung) umfasst nicht die Frage der Vereinbarung von Sicherheiten im Bauvertrag.

2. Die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Einfamilienfertighausanbieters in Verträgen mit privaten Bauherren – „Der Bauherr ist verpflichtet, spätestens acht Wochen vor dem vorgesehenen Baubeginn dem Unternehmen eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürg-
schaft eines in Deutschland zugelassenen Kreditinstituts in Höhe der nach dem vorliegenden Vertrag geschuldeten Gesamtvergütung (unter Berücksichtigung von aus Sonderwünschen resultierenden Mehr- oder Minderkosten) zur Absicherung aller sich aus dem vorliegenden Vertrag ergebenden Zahlungsverpflichtungen des
Bauherrn vorzulegen.“ – ist nicht gemäß § 307 BGB unwirksam.

Ein Verbraucherschutzverband hatte im eigenen Namen ein Unterlassungsklageverfahren gegen den Beklagten, einen Fertighausanbieter angestrengt. Die Parteien stritten um die Wirksamkeit von AGB, die der Beklagte gegenüber privaten Bauherren verwandte. Nach Auffassung der Klägerin würden u. a. die im Leitsatz zitierten AGB gegen § 307 BGB verstoßen und seien deshalb unwirksam. Die dort geregelte Verpflichtung zur Erbringung einer Zahlungsbürgschaft stelle eine unangemessene Benachteiligung für Verbraucher dar, weil die Beklagte als Auftragnehmer und Verwender der AGB nicht die Avalprovision für die zu leistende Bankbürgschaft übernehme und sich zusätzlich zu dieser Bürgschaft die Möglichkeit einer Bauhandwerksicherungshypothek offenhalte, obwohl diese Rechte nach § 648a Abs. 4 BGB nur alternativ geltend gemacht werden könnten. Das vorinstanzliche Landgericht hatte der Klage stattgegeben, das OLG die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgte die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der BGH weist die Revision der Klägerin zurück. Er überträgt dabei seine zum § 648a BGB a.F. (bis 31.12.2008) entwickelte Rechtsprechung auf § 648a BGB n.F. (ab 1.1.2009). Demnach betreffe § 648a BGB n.F. ausschließlich das Recht des Auftragnehmers (AN), nachträglich nach Abschluss des Bauvertrags eine Sicherheit verlangen zu können. Zwar habe der BGH seine Auffassung zu § 648a BGB a.F. damit begründet, dass sich die Vorschrift in wesentlichen Punkten von der rechtlichen Funktion, die eine von vornherein getroffene Sicherungsvereinbarung habe, unterscheide. Nur Letztere verschaffe dem AN einen auf übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien beruhenden durchsetzbaren Anspruch auf Stellung der Sicherheit in vereinbarter Höhe. Dagegen gebe § 648a BGB a.F. dem AN lediglich das Recht, die Leistung zu verweigern und den Vertrag zu kündigen, nicht dagegen die Sicherheit einzuklagen. Dies sei in der Neufassung der Vorschrift anders. Nun handele es sich nach dem mit der Absicht des Gesetzgebers übereinstimmenden Wortlaut um einen einklagbaren Anspruch auf Stellung einer Sicherheit mit dem Wahlrecht des AN, stattdessen nach Fristsetzung die Leistung zu verweigern oder den Vertrag zu kündigen.

Gleichwohl hätten sich dadurch der Anwendungsbereich und der Regelungsgehalt der Vorschrift nicht dahin erweitert, dass nunmehr auch die Fälle der vertraglich bei Abschluss des Bauvertrags vereinbarten Sicherheiten geregelt worden seien. Zum einen erfasse nach wie vor der Wortlaut der Norm nur ein nachträgliches Sicherheitsverlangen des AN nach Abschluss des Bauvertrags. Zum anderen habe das Forderungssicherungsgesetz, das § 648a BGB geändert habe, den alleinigen Zweck gehabt, die Bauhandwerkersicherung effektiver auszugestalten und die Rechte des AN zu stärken. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis der Rechtsprechung des BGH innerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschrift die Rechtsstellung des AN gestärkt. Hätte der Gesetzgeber damit zugleich den Anwendungsbereich ausdehnen wollen, so wäre wegen des allseits zwingenden Charakters der Vorschrift die Möglichkeit des AN beschnitten worden, Sicherheiten bereits im Bauvertrag zu vereinbaren. Dies sei aber erkennbar nicht der Zweck von § 648a BGB n.F. gewesen.

Im vorliegenden Fall erachtet der BGH die Klausel für wirksam. Eine Abweichung von einem gesetzlichen Leitbild i.S. von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liege nicht vor. Auch lasse sich nicht feststellen, dass die Klausel unangemessen sei. Eine unangemessene Benachteiligung i.S. von § 307 sei dann gegeben, wenn der AGB-Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versuche, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Hierzu bedürfe es der umfassenden Würdigung der Interessen beider Parteien. Die Unangemessenheit sei zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch zumindest gleichwertige Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt sei.

Eine Benachteiligung des Vertragspartners des Fertighausanbieters liege hier darin, dass er mit den Kosten der Bürgschaft in Form der Avalprovision des Kreditinstituts belastet werde. Dagegen stelle es keine zusätzliche Belastung dar, dass der Besteller neben der Bürgschaft auch noch dem Verlangen des AN auf Einräumung einer Sicherungshypothek an dem in seinem Eigentum stehenden Baugrundstück gemäß § 648 BGB ausgesetzt sei. Dieser Anspruch bestehe auch ohne die in Rede stehende Klausel. Dieser Benachteiligung des Bestellers stehe das berechtigte Interesse des AN auf Einräumung einer über § 648 hinausgehenden Sicherheit gegenüber. Das ergebe sich aus der Vorleistungspflicht des AN. Besondere Umstände aus der Person des Bestellers, der hier eine natürliche Person sei, führten nicht dazu, dass dieses Sicherungsbedürfnis verneint werden könne. Schließlich sei das einzig vorhandene gesetzliche Sicherungsinstrument des § 648 BGB nur unzureichend geeignet, das Sicherungsbedürfnis des AN zu erfüllen. Denn regelmäßig werde ein Baugrundstück bereits bei Baubeginn bis an die Grenze der Beleihungsfähigkeit belastet sein.

 

Anmerkung

Mit dem o. g. Urteil geht der BGH zum ersten Mal auf den neuen § 648a BGB ein, der durch das sog. Forderungssicherungsgesetz zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist. Das Urteil eröffnet Auftragnehmern in Bauverträgen mit natürlichen Personen weitreichende Möglichkeiten der rechtsbeständigen Vertragsgestaltung auch in AGB. Sofern sie mit solcher Vorstellung im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht durchdringen, haben sie nun die Möglichkeit, kraft zwingenden Rechts gemäß § 648a BGB nach Vertragsschluss eine Sicherheit zu verlangen – allerdings grundsätzlich auf eigene Kosten des Auftragnehmers (siehe § 648a Abs. 3 Satz 1).

 

Ist die 8fache Überhöhung des Einheitspreises in einem Angebot sittenwidrig?

Das OLG Nürnberg hat mit Urteil vom 8. März 2010 – 2 U 1709/09 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:

1. Ist der nach § 2 Nr. 3 VOB/B zu vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen um das 8-fache überhöht, weil der Auftragnehmer in der betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses einen ähnlich überhöhten Einheitspreis für die ausgeschriebene Menge angeboten hat, kann bereits eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers bestehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Mengenangabe im Leistungsverzeichnis offenkundig fehlerhaft (hier um den Faktor 100 zu niedrig) angegeben ist.

2. Die Prüfung der Sittenwidrigkeit des Einheitspreises ist allein auf die jeweilige Einzelposition anzuwenden. An der Sittenwidrigkeit kann es allerdings fehlen, wenn die Auswirkung auf den Gesamtpreis nur unerheblich ist. Bei einer Erhöhung des Gesamtpreises um 13 Prozent kann von einer Unerheblichkeit nicht mehr gesprochen werden.

3. Die Vermutung der Sittenwidrigkeit kann nicht durch einen Vortrag ausgeräumt werden, dass der Kalkulator der Position beim Ausfüllen des Leistungsverzeichnisses als wirtschaftlich unbedeutend keine größere Aufmerksamkeit gewidmet habe.

Im Rahmen eines GU-Bauvertrags waren Gerüstarbeiten auf Einheitspreisbasis ausgeschrieben worden. Für die „Gerüsterstellung“ war eine Menge von 1.365 m² angegeben worden. Für die „Gerüstvorhaltung“ waren lediglich 546 m² pro Woche genannt, wobei im Übrigen eine durchschnittliche Vorhaltedauer von 40 Wochen im Vertrag ausdrücklich genannt war. Der GU setzte als Einheitspreis für „Gerüstvorhaltung“ 2,50 Euro/m² ein. Das Gericht ging von einem angemessenen, ortsüblichen Preis von maximal 0,30 Euro/m² aus, so dass der angebotene Einheitspreis den ortsüblichen um das ca. Achtfache überstieg. Zur Abrechnung kamen konkret nicht 546 m², sondern – wie bei der Gerüsterstellung – 1.365 m², und zwar nicht für eine Woche, sondern für (mindestens) 40 Wochen. Dadurch hatte sich der Positionspreis von 1.365 Euro auf 135.840 Euro erhöht.

Das OLG erklärte hier den Einheitspreis hinsichtlich der Mehrmengen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 18.12.2008) für sittenwidrig und damit unwirksam. Das OLG stellte dabei nicht allein auf die rechnerische Überhöhung des Einheitspreises (um den Faktor 8) ab, sondern auch auf die Umstände der Angebotserstellung. Im vorliegenden Fall habe der Kalkulator nicht nur Kenntnis von der Überhöhung des Einheitspreises gehabt, sondern auch auf den ersten Blick erkannt, dass die Mengen für „Gerüsterstellung“ und „Gerüstvorhaltung“ hätten identisch sein müssen. Für die ohnehin zu geringe Menge sei der Vorhaltungspreis im Übrigen nur pro Woche im LV abgefragt, während von einer Dauer von mindestens 40 Wochen auszugehen gewesen wäre. Der Kalkulator hätte also wissen müssen, dass die im LV angegebene Menge um den Faktor 100 zu niedrig gewesen sei. Wenn in einer solchen Situation ein um das Achtfache überhöhter Einheitspreis angeboten werde, liege die Vermutung der Sittenwidrigkeit nahe. Die in der gesamten Baubranche für erhebliche Aufregung sorgende sog. Spekulationsrechtsprechung des BGH (Urteil vom 18.12.2008 – siehe Baumarkt und Wettbewerb, Heft 3/2009, S. 12) ist nun auch in der Baupraxis angekommen.

Anmerkung

Wie das o. g. Urteil zeigt, greift die Vermutung der Sittenwidrigkeit nicht erst bei einer sog. „exorbitanten“ – im damaligen BGH-Fall: einer 854-fachen – Überhöhung des Einheitspreises, sondern bereits bei einer 8-fachen Überhöhung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn aufgrund des LVs klar erkennbar ist, dass es zu erheblichen Mengenmehrungen kommen muss.

RA Michael Werner,

Berlin,

E-Mail: ha.wirtschaft@bauindustrie.de

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