Mehrfachbeteiligung
an Ausschreibungen

Vergaberechtliche Bewertung

Unternehmen haben oftmals ein Interesse sich in unterschiedlicher Form an einer Ausschreibung zu beteiligen. Entweder werden sie von verschiedenen Bietern als Nachunternehmer benannt oder sie schließen sich zu einer Bietergemeinschaft zusammen aber geben noch ein eigenes Angebot ab. Es stellt sich die Frage, wie diese Mehrfachbeteiligung an Ausschreibungen vergaberechtliche zu bewerten sind.

Rechtliche Einordnung

Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit c) VOB/A sind Angebote solcher Bieter von öffentlichen Vergabeverfahren auszuschließen, die in Bezug auf die Ausschreibung eine wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben. Hierunter fällt selbstverständlich die Absprache der Angebote oder der Preise mehrerer Bieter. Ein Ausschluss solcher Angebote folgt in der Regel nicht, da bereits der Nachweis einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung von der Vergabestelle im Einzelfall nicht nachzuweisen ist.

Die Rechtsprechung gibt jedoch Anlass darüber nachzudenken, in wieweit ein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb zu einem Ausschluss vom Verfahren führen kann. Laut § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit c) VOB/A sind nach herrschender Rechtsprechung auch solche Verhaltensweisen vergaberechtlich nicht statthaft, die gegen den im Vergabeverfahren erforderlichen Geheimwettbewerb zwischen den beteiligten Bietern verstoßen (so zum Beispiel OLG Dresden vom 28.03.2006, OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 27.07.2006). Das Prinzip des geheimen Wettbewerbs ist Ausdruck des Wettbewerbsgebotes und es wird nur gewahrt, wenn die eingereichten Angebote in Unkenntnis der mitbewerbenden Angebote erstellt worden sind. Fehlt es daran, ist der betroffene Bieter zwingend nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit c) VOB/A vom Vergabeverfahren auszuschließen. Im Folgenden soll geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen die Mehrfachbeteiligung an einer Ausschreibung ein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb darstellt.

 

Unzulässige Beispiele

Die Beteiligung an einem Vergabeverfahren sowohl als Einzelbieter, als auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft hat den zwingenden Ausschluss des Angebots zur Folge. Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 13.09.2004 festgestellt, dass eine solche Konstellation „nach dem gewöhnlichen Verlauf darauf schließen“ lasse, „dass der Geheimwettbewerb zwischen beiden Bietern nicht gewahrt ist“. Es ist davon auszugehen, dass das Einzelangebot des Bieters in Kenntnis erheblicher Teile der Inhalte des Angebots der Bietergemeinschaft entstanden ist.

Gibt ein Unternehmen nur zu solchen Teilleistungen oder Losen einer Ausschreibung ein eigenes Angebot ab, welche im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Bietergemeinschaft ebenfalls ausschließlich zufallen, liegt ein Sonderfall vor, da der Bieter dadurch allenfalls Kenntnisse nutzen kann, die er ohnehin hatte. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.05.2003)

Nach einer Entscheidung des OLG Jena vom 19.04.2004 sind Angebote auszuschließen, in denen die gegebenen zwei Angebote von derselben Person unterzeichnet worden waren. In diesem Fall waren die Angebote bereits in ihrer Aufmachung und Gliederung ähnlich, so dass der Vergabesenat davon ausging, dass wechselseitige Kenntnisse des Angebots vorlagen. Mit ähnlicher Begründung hat die Vergabekammer Hamburg mit Beschluss vom 17.08.2005 den Ausschluss zweier konzernzugehörigen Unternehmen bestätigt. Die ausgeschlossenen Angebote enthielten wortgleiche Passagen. Darüber hinaus hatten beide Unternehmen konzernweit einheitliche Kalkulationsanweisungen zu beachten und unstreitig bei der Bearbeitung und Kalkulation ihrer jeweiligen Angebote kooperiert. Ebenfalls mit ähnlicher Begründung hat die Vergabekammer Düsseldorf mit Beschluss vom 02.11.2004 entschieden, dass dort drei Bieter ausgeschlossen wurden, deren Referenzanteil auf die Mitgliedschaft einer besonderen Arbeitsgemeinschaft verwies. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft waren die drei Bieter. So kam, dass in den Angeboten teilweise identische Faxnummern angegeben wurden und die Ausschreibungsunterlagen wenige Minuten versetzt abgerufen wurden. Die Vergabekammer ist davon ausgegangen, dass ein Wettbewerb vorgetäuscht wurde, der tatsächlich nicht stattfinden sollte.

Etwas anders lag der Sachverhalt bei der von der Vergabekammer Arnsberg vom 02.02.2006 entschiedenen Entscheidung. Hier hatten zwei Unternehmen zwar formell separate Angebot abgegeben und das jeweils andere Unternehmen als Nachunternehmer benannt. Faktisch handelt es sich aber um ein gemeinschaftliches Angebot beider Bieter, da die jeweiligen Leistungen nur des einen Unternehmens überhaupt nur im Zusammenhang mit dem anderen Unternehmen zu erbringen waren. Beide Unternehmen hatten letztlich eine untrennbare gemeinschaftliche Erbringung der Gesamtleistung angeboten.

Ebenfalls zum Ausschluss führten die Angebote zweier Bieter, die zwar formell separate Angebote abgegeben hatten, die aber durch einen letter of intent verbunden waren. VK Rheinland Pfalz, Beschluss vom 27.05.2005.

Nicht zum Ausschluss führen konzernverbundene Unternehmen. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um rechtlich selbständige Unternehmen handelt und keine Hinweise vorliegen, die auf wettbewerbswidrige Verhaltensweise schließen lassen.

 

Zulässige Beispiele

Bewerbungen konzernverbundener Unternehmen führten dann zum Ausschluss, wenn wie im Fall der Vergabekammer Hamburg vom 17.08.2005 eine nachgewiesene Kooperation bei der Erstellung der Angebote nachgewiesen wurde. Oder wenn zeitnah zum Ausschreibungsverfahren eine Gründung der einzelnen Gesellschaft stattfindet. Zulässig sind identischer Gesellschafterkreis oder eine identische Geschäftsleistung der Bieter.

Die Beteiligung als Bieter und als Nachunternehmer am Ausschreibungsverfahren führt grundsätzlich nicht zum Ausschluss des Angebotes. Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 13.04.2006 erklärt, dass der Erhalt oder die Abgabe eines Nachunternehmerangebotes nicht zwingend eine Kenntnis des vom Bieter abgegebenen Angebotes oder dessen Grundlagen beinhaltet, weil erst bei der Abgabe des letztlichen Angebotes alle Kalkulationsspielräume bezüglich Kosten und Gewinn ausgeschöpft würden.

Das OLG Düsseldorf betont allerdings, dass ein Ausschluss dann gerechtfertigt sein kann, wenn zum Umstand der Nachunternehmerbenennung weitere Tatsachen hinzutreten, die nach Art und Umfang des Nachunternehmereinsatzes oder mit Rücksicht auf die Begleitumstände eine Kenntnis des Angebotes seines Konkurrenten annehmen lassen. Nach einer Entscheidung der Vergabekammer Hamburg vom 23.05. 2008 führt auch die „Überkreuz-Beteiligung“ nicht zu einem Ausschluss der Bieter.

Grundlage der Entscheidung waren zwei Bieter, die sich wechselseitig für unterschiedliche Leistungen als potentielle Nachunternehmer benannt hatten. Seien auf Grund der Kenntnis der Nachunternehmerpreise gewisse Rückschlüsse oder Schätzungen bezüglich der Angebotskreise des Konkurrenten gegenüber der Vergabestelle denkbar, begründe dies allerdings keinen Wettbewerbsverstoß, weil die Möglichkeit einer Schätzung hinter der erforderlichen positiven Kenntnis vom Konkurrenzangebot beziehungsweise der nötigen Grundlagen zurückbleibe.

Das OLG Düsseldorf hat mit der Entscheidung vom 09.04.2008 festgestellt, dass die Überkreuz-Beteiligung vergaberechtlich zulässig sei, wenn beiden Bietern ein dem jeweils anderen Bieter unbekannt bleibender Gestaltungsspielraum bleibe.

Die Überkreuz-Beteiligung kann vergaberechtlich zulässig sein ...

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