Größtes im Bau befindliches Dammbauwerk in Mitteleuropa

Starke Athlet-Schalung für den Hochwasserschutz

Der Klimawandel lässt sich nicht wegdiskutieren. Damit einher gehen veränderte Niederschlagsbedingungen für ganz Europa. Die anhand der alten Klimamodelle erstellten Berechnungen für die schlimmsten in 100 Jahren denkbaren Hochwässer wurden von der Realität mittlerweile gleich mehrfach übertroffen. 2006 erfolgte der Spatenstich für das Hochwasserrückhaltebecken Wolterdingen, das im Moment das größte im Bau befindliche Dammbauwerk in Mitteleuropa ist.

Flussbegradigungen der letzten 200 Jahre sowie das Vordringen von Neubaugebieten in Überflutungsareale haben die Problematik weiter dramatisiert. Das verheerende Hochwasser von 1990 hatte das Land Baden-Württemberg zum Anlass genommen, 1992 das Integrierte Donau-Programm (ITP) ins Leben zu rufen, das Ökologie und Hochwasserschutz verknüpfen sollte. Die Hochwasser von 1993 und 1994 unterstrichen diese Bedeutung drastisch. Über 200 (vor der Finanzkrise) geplante und begonnene Projekte für Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser werden in den nächsten Jahren etwa 900 Millionen Euro erfordern.
2006 war dann der Spatenstich für das Hochwasserrückhaltebecken Wolterdingen, das im Moment das größte im Bau befindliche Dammbauwerk in Mitteleuropa ist. Wie können die Anrainer der Donau besser vor Hochwasser geschützt werden? Vor allem, indem man die kräftigsten Nebenflüsse bändigt. Die bescheiden und nicht viel größer als ein Dorfbach anmutende Breg, die bei Donaueschingen zusammen mit der Brigach die Donau bildet, hat mit 183 Quadratkilometern allerdings ein sehr großes Einzugsgebiet im Naturpark Südschwarzwald und ist daher besonders anfällig für Hochwasser. Am westlichen Ortsausgang von Wolterdingen wurde die ideale Stelle gefunden, um ein Hochwasser-Rückhaltebecken zu errichten. Quer durch das schmale Tal wird ein 110 m breiter, 460 m langer und bis zu 18 m hoher Erddamm errichtet, der das Bregtal auf vier Kilometer Länge mit 4,7 Millionen Kubikmeter Wasser auf 70 Hektar Fläche aufstauen kann. Der Hochwasserabfluss wird dadurch stark gemindert und der Hochwasserspiegel sämtlicher Gemeinden bis Riedlingen, das ca. 130 km flussabwärts liegt, gesenkt.
Das Regenrückhaltebecken ist als Trockenbecken (mit Fischtreppen) konzipiert, das die Breg nur bei Hochwasser aufstaut, welches man alle fünf bis sieben Jahre erwartet.


Das Durchlassbauwerk

Zentrum und Kernstück des Damms ist das 100 m lange Durchlassgebäude, das 2007/2008 von der Emil Steidle GmbH & Co KG (Sigmaringen) im Auftrag des Regierungspräsidiums Freiburg komplett aus Ortbeton hergestellt wurde. Der Querschnitt ist kastig und U-förmig, wobei die Außenwände an der Basis 1,75 und am Top 0,80 m dick sind; die Innenseiten sind senkrecht, die Außenseiten im Verhältnis 1:20 nach innen geneigt. Parallel zur Fließrichtung stehen im Inneren zwei weitere 1,5 m dicke Mauern. Diese führen die mächtigen Absperrriegel.

Am Ausfluss senkt sich die Bodenplatte radial um einige Meter zum so genannten Kolksee ab; gleichermaßen verbreitern sich die Ausmaße auf 35 m wie bei einem „T“. Insgesamt hat das Bauwerk eine Höhe von 19,0 m. Die Staumauer wird 16,9 m Wasserhöhe widerstehen. Decken von 0,75 bis 0,96 m Dicke schließen das Gebäude nach oben ab. Für die Baugrube und das Umleitungsgerinne mussten 20.000 m³ Erdreich ausgehoben werden, davon 7900 m³ Oberbodenabtrag. Um die komplette Baugrube herum wurden über fünf Meter tiefe Schlitzwände erstellt, die mit Bentonit gefüllt wurden. Damit wurde der Zutritt von Fluss- und Grundwasser stark eingeschränkt. Der Damm soll zukünftig auch als westliche Umgehungsstraße für Wolterdingen fungieren; ein teures Brückenbauwerk wird hierdurch eingespart.


Schalarbeiten

Bereits in der Angebotsphase wurden Arbeitsvorbereitung und Taktplanung mitberücksichtigt. Mit der Athlet von Paschal konnte ein effizientes und schlüssiges Schalkonzept erstellt werden, das Aufwand und Verschleiß minimierte sowie die Arbeitsgeschwindigkeit und die Sicherheit verbesserte. Die Aufgaben sahen vor:


n das Einschalen von zunächst 11,20 m Höhe in Taktbauweise
n dabei enthaltend eine fest montierte und samt Schalung umsetzbare Sicherheitskonsole mit ebenso fest montierten Laufbelägen, Handläufen und Leitern, die Multip sowie
n zusätzliche 8,40 m Schalhöhe als Kletterschalung;
n hierbei wurde die Last der Schalung von 4,00 m auskragenden Stützböcken aufgenommen, die – horizontal gelegt – als Kletterkonsolen fungierten
n die Windlasten der Kletterschalung wurden auf der Gegenseite über Gass-Türme, die auch als Arbeitsgerüste dienten, abgetragen
n Taktgrenzen und Fugen waren vom Planer bereits vorgegeben.

Die in 5,30 m Höhe gelegenen Decken des dreigeteilten Auslauf-Stollens sind bis 90 cm dick. Verfahrbare, projektbezogene Einheiten zu jeweils zwei Deckentischen mit jeweils 4,20 m Länge und 4,50 m Breite unterstützten die 11,60 m langen Betoniertakte.
Die als Rammschild gegen schweres Treibgut gedachte „Tauchwand“ „schwebt“ freitragend in 12,80 m Höhe vor dem Auslassbauwerk und ist selbst 4,65 m hoch und 1,30 m dick.

Dabei konnte die Athlet viele Vorteile ausspielen:


n geringe Anzahl von Spannstellen
n Frischbeton-Druckaufnahme von 92 kN/m² nach DIN 18218
n strengste Ebenheitstoleranzen nach DIN 18202, Tabelle 3, Zeile 7
n schnelles Umsetzen samt montierter Multip per Kranspiel.


Die Großflächenschalung Athlet ist eine Stahl-Rahmenschalung, welche sich hervorragend für den Einsatz im Industrie- und Ingenieurbau eignet. Sie bietet Rekordwerte bezüglich der Frischbetondruckaufnahme, der eingehaltenen Ebenheitstoleranzen und der geringen Anzahl von Spannstellen im Beton. Das durchdachte Schalungssystem erschließt darüber hinaus vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Hoch- und Tiefbau. Hohlkastenprofile aus hochfestem Stahl mit 16 cm Bauhöhe, trapez- bzw. hutförmige Querprofile, entsprechende Materialstärken und ihre konstruktive Optimierung erlauben höchste Frischbetondrücke.
Insgesamt wurden fast 1000 m² Schalung gestellt. Der frische C35/45-Beton wurde zur Nachbehandlung noch 7 Tage in der Schalung belassen. Für das Bauwerk wurden 7500 m³ Beton verbraucht und über 1000 t Stahl.
Bauleiter Dipl.-Ing. Arno Fischer: „Die 1,5 m dicken Mauern bis in 19,00 m Höhe zu bewehren, waren nicht einfach; wir hätten eigentlich ein zwischen den Schalungen stehendes Gerüst gebraucht, doch hierfür fehlte uns der Platz. Aber wir wussten uns zu helfen.“ Und, über die Zusammenarbeit mit dem Schalungslieferanten: „Von der Arbeitsvorbereitung über die Logistik, die Einweisung des Baustellenpersonals, die Nachlieferung zusätzlichen Materials ... alles wurde perfekt gelöst.“


Traggerüste

Die Deckenarbeiten für die Fahrbahnplatten in 18,60 m Höhe wurden durch das Große Aluminium-Stützensystem Gass ermöglicht. Verkompliziert wurde das Bauwerk unter anderem durch eine längs der Mitte in etwa 10 m Höhe gelegene torpedoförmige Maschinenkammer, die den Staubalken durchdringt. Bereichsweise musste in verschiedenen Etagen und um Vorsprünge herum unterstützt werden.

Es wurden auch in dieser Höhe Stützenlasten bis 85 kN (also etwa 8,5 t) pro Stiel abgeleitet. Das Große Aluminium-Stützen-System Gass von Paschal ist eine Weiterentwicklung der auf dem Markt befindlichen Aluminium-Traggerüstsysteme. Mit einer zulässigen Tragkraft von 140 kN pro Stütze ist es das tragfähigste Aluminium-System, das sogar viele Systeme aus Stahl übertrifft. Es wird durch einen Aussteifungsrahmen stabilisiert und bildet so einen Turm. Der annähernd runde Querschnitt der Stütze ist die statisch optimale Form, mit wenig Material große Kräfte aufzunehmen. Die identisch aufgebauten Kopf- und Fußplatten haben durch ihre schachbrettartig strukturierte Oberfläche eine passgenaue Verbindung. Um das Gerüst schnell und sicher auf die jeweilige erforderliche Höhe zu bringen, wird diese mit einer Spindel eingestellt. Bei unebenem Grund und unterschiedlichen Endhöhen kann man an beiden Enden der Stütze eine Spindel montieren.
Im Vergleich zu anderen Systemen müssen weniger Stützen und andere Systemteile eingesetzt werden. Dies bedeutet nicht nur Zeiteinsparungen an Montage und Demontage. Wegen der einfachen und schnellen Handhabung aufgrund des geringen Eigengewichtes sowie des leicht zu verstehenden Zusammenbaus der Teile ist Gass vergleichbaren Systemen überlegen.

Anfang 2008 wurden die Betonarbeiten beendet und die Vorarbeiten für die Dammschüttungen ausgeführt. 2009 haben die Dammbauarbeiten begonnen; das Material wird Kosten und Wege sparend in unmittelbarer Nähe aus dem Berg gebrochen und mit geschätzten 30 000 Lkw-Fahrten transportiert. 2011 soll das Becken in Betrieb gehen.
Die Kosten sind mit 22 Mio. Euro veranschlagt, davon 5 Mio. für das Durchlassbauwerk; die Donau-Anrainergemein-
den engagieren sich mit 30 %. Zum Vergleich: Allein das Verhindern der volkswirtschaftlichen Schäden durch ein einziges großes Hochwasserereignis würde die Bauwerkskosten bereits wieder gut machen!

In den Jahren 1997 bis 1999 wurde die raumordnerische Beurteilung durchgeführt, die mit dem Raumordnungsbeschluss endete. Im Jahre 2000 wurde mit der Objektplanung begonnen, die auch geotechnische Gutachten enthielt. 2003 wurde die Planfeststellung beschlossen.


Arbeitssicherheit und
Wirtschaftlichkeit

Die Wirtschaftlichkeit eines Schalsystems hängt von vielen Einflussfaktoren ab. Ob man Lohnstunden einsparen kann, hängt auch davon ab, wie das eingesetzte Schalungssystem an verschiedene Grundrisse angepasst werden kann. Hierfür wiederum sind die jeweiligen Ausmaße der Schalelemente und die Anzahl der Zubehörteile mit entscheidend.

Noch zu wenig Bedeutung wird in der Regel den Arbeitsplätzen an der Schalung beigemessen. Es sind zwar einzelne Lauf- oder Gerüstkonsolen lieferbar, doch diese müssen meist noch mit bauseits zu stellenden Belägen vervollständigt werden. Dazu ist aber relativ viel Zeit erforderlich und auch das Ergebnis entspricht nicht immer den bestehenden Vorschriften und Richtlinien bzgl. der Arbeitssicherheit.

Kombiniert man jedoch die Schalsysteme von Paschal mit der Multip,
der multifunktionalen Arbeitsplattform, dann liefert dieses Komplettsystem aus Schalung und Gerüst noch bessere Schalzeiten, verbunden mit der notwendigen Arbeitssicherheit. Diese ist gerade bei 20 m hohen Schalungen besonders wichtig.
Die Basis dieses Komplettsystems sind fertige Beläge aus Stahl mit einem integrierten Seitenschutz, passend zu den Breiten der großflächigen Schalelemente. Diese bleiben nach einer einmaligen Vormontage stets mit dem Schalelement verbunden und können zusammen mit diesem per Kranspiel umgesetzt oder per Lkw transportiert werden.
Somit entfällt die sich ständig wiederholende Montage und Demontage von Einzelkonsolen und losen Belägen. Der größte Vorteil besteht darin, dass alle Arbeiten an der Schalung sicher ausgeführt werden können. Das Montieren oder Demontieren der Krananhängungen, das Setzen und Lösen von Spannankern und Verbindungsmitteln oder das Befestigen einer zusätzlichen Gurtung erfolgt von sicheren Arbeitsplätzen aus schneller, und dadurch werden die Schalzeiten weiter minimiert.n

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