U-BAHNHOF FEHRBELLINER PLATZ

Die letzte Metro

Ein hohes Maß an Präzision erfordert die Grundinstandsetzung der Decke der historischen U-Bahnstation Fehrbelliner Platz in Berlin. Aufgetreten waren Rissbildungen und Abplatzungen. Die stark profilierte Decke musste – da der Bahnhof unter Denkmalschutz steht - hinsichtlich ihrer Abmessungen exakt wie im Originalbestand ausgeführt werden. Die Sanierung erfolgt mit Spritzbeton. Die Arbeiten können nur nachts während der Betriebspause der U-Bahn ausgeführt werden.

Einst als Erschließungsbahn gebaut, ist die heutige U-Bahnlinie U 3 eine der ältesten Linien im Berliner Untergrund. Sie sollte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Besiedlung der Gemeinde Wilmersdorf unterstützen. Die in der Regel in der Innenstadt arbeitenden Bewohner benötigten eine schnelle und zuverlässige Verkehrsverbindung ins Zentrum. Gleichzeitig konnte so die Attraktivität des Berliner Vorortes gesteigert werden. Schon damals wetteiferten die umliegenden Gemeinden der Großstadt um wohlhabende Bürger.

Bis heute haben sich entlang der 12 km langen Strecke einige historische Bahnhöfe erhalten und zeugen in ihrer Gesamtgestaltung vom repräsentativem Anspruch Wilmersdorfs. Mittlerweile jedoch sind sie in die Jahre gekommen. Umfangreiche Beton-Sanierungsarbeiten werden derzeit am U-Bahnhof Fehrbelliner Platz ausgeführt. Wenn die Stadt sich schlafen legt und die letzte Bahn abgefahren ist, übernehmen hier für wenige Stunden fünf Kolonnen der Firma Bodo Pilgrimowski Betonsanierung aus Neuseddin, einem Mitglied der Güteschutzgemeinschaft Betoninstandsetzung Berlin und Brandenburg, das Kommando.

Obwohl er zwischen 1968 und 1972 grundlegend umgebaut wurde – damals entstand eine Verbindung zur Linie U 7 – atmet der 1913 eröffnete Bahnhof, der nach einem Entwurf des Architekten Wilhelm Leitgebel realisiert wurde, auch heute noch den Geist der spätwilhelminischen Zeit. Die Bodenfliesen sowie das schmiedeeiserne Gittertor am Eingang sind ebenso im Originalzustand erhalten, wie die gelbgrünen, oben mit einem dunkelbraunen Keramik-Fries abgesetzten Fliesen auf den Wänden der Bahnsteighalle. Mosaiken in einem dem Stil der Zeit entsprechenden Majolika-Rahmen informieren den Reisenden über den Namen des aktuellen Halts. Dazwischen Bilder mit alten Stadtansichten. Ebenfalls im Originalzustand erhalten sind die mit braunen Keramikfliesen bekleideten achteckigen Mittelstützen. Neu sind dagegen die Beleuchtungskörper in der Decke.

Bei Sonderuntersuchungen der Bausubstanz des historischen Bahnhofs wurden erhebliche Schäden im Deckenbereich festgestellt. An einigen Stellen waren bereits Rissbildungen und Betonablösungen aufgetreten. Es gab Hinwiese auf Hohlräume, die eine Schollenbildung vermuten ließen. Bereits in der Vergangenheit wurden mehrfach größere Betonabplatzungen und Risse an der Decke beseitigt.

Um die Tragfähigkeit und die uneingeschränkte Nutzung des Bahnhofs weiterhin zu gewährleisten, wurde daher eine Grundinstandsetzung der Bahnhofsdecke geplant. Sie sieht vor, die gesamte Decke des unter Denkmalsschutz stehenden Bahnsteigs soweit statisch vertretbar abzustemmen und nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten entsprechend dem vorhandenen Bild wieder aufzubauen. Für die Bauzeit wurde insgesamt ein Zeitraum von zwei Jahren veranschlagt.

 

Situation vor Ort

Die lange Bauzeit begründet sich aus den Gegebenheiten vor Ort: Bei der Decke des U-Bahnhofes Fehrbelliner Platz handelt es sich um eine stark profilierte Trägerbetondecke mit Kalkzementputz. An den Außenrändern befinden sich dreifach abgestufte Randunterzüge mit einer Gesamtbreite von etwa 90 cm. Die Mittelstützenachse prägt ein sechsfach abgestufter Mittelunterzug mit etwa 1,70 m Gesamtbreite. In den Stützenachsen sind quer zur Bahnachse konvex/konkave Deckenspiegelfelder (ca. 2,20 x 5,15 –5,80 m) mit konvex und konkav ausgebildeten Untersichten angeordnet. Zwischen den Stützenachsen befinden sich etwa 0,90 x 1,10 m große Kassettenfelder, die mit Haupt- und Nebenunterzügen eingerahmt sind. 

Da der Bahnhof in einer Krümmung liegt, weisen sowohl die konvex/konkaven Deckenspiegelfelder als auch die einzelnen Kassettenfelder unterschiedliche Abmessungen auf. Sie müssen exakt wie im Originalbestand ausgeführt werden. Das ist speziell wegen der Einbauleuchten, die nach der Renovierung wieder in die Kassettenfelder eingesetzt werden sollen, wichtig, erfordert jedoch bei der vorgesehenen Ausführung mit Spritzbeton umfangreiche Schalungen. Die Maße der jeweiligen Kassetten sowie der anliegenden Mittel-, Haupt- und Nebenträger wurden vor Beginn der Deckenarbeiten in Lage und Höhe exakt aufgemessen und dokumentiert.

Außerdem müssen jede Nacht vor Arbeitsbeginn umfangreiche Vorkehrungen getroffen werden, um sicherzustellen, dass die unersetzlichen, historischen Fliesen im Bahnhof nicht beschädigt werden. Während der Sandstrahlarbeiten und Spritzbetonarbeiten wird eine Entstaubungsanlage eingesetzt, die eine Staubentwicklung außerhalb der jeweiligen Arbeitsbereiche und vor allem eine Verschmutzung des Bahnhofs verhindert. Sie muss täglich nach Arbeitsschluss wieder demontiert werden. Das gleiche gilt auch für die Schutzabdeckungen der elektrischen Einrichtungen auf dem Bahnsteig.

Hinzu kommt, dass pro Nacht für die Maßnahme lediglich ein Zeitraum von knapp zweieinhalb Stunden zur Verfügung steht. Die Bauarbeiten auf dem Bahnhof können nur während der nächtlichen Betriebspause nach Abschaltung des Fahrstroms zwischen ca. ein Uhr und 3.30 Uhr durchgeführt werden. „Spätestens um 3.25 Uhr,“ so Firmenchef Bodo Pilgrimowski, „müssen wir aus dem Gleis raus sein. Und das muss dann nicht nur geräumt, sondern auch sauber sein.“

Erschwerend kommt hinzu, dass das Gleis in manchen Nächten gar nicht freigegeben wird, weil Züge durchfahren. Das sind dann zusätzliche, zum Teil auch unangekündigte Ausfälle. Aber, lobt Pilgrimowski: „Die Mitarbeiter arbeiten hier im Laufschritt, um die knappe Zeit so gut zu nutzen wie es irgend geht.“ Andererseits gewinnt er der Situation auch positive Seiten ab: „Wetterbedingte Ausfallquoten haben wir hier nicht zu beklagen. Hier unten müssen wir nie mit Regen rechnen und auch Minustemperaturen kommen nicht vor.“

 

Exakte Planung

Um die zur Verfügung stehende Zeit optimal zu nutzen, werden die vor- und nachbereitenden Arbeiten außerhalb der Bahn-Betriebspausen ausgeführt. Dazu wurde auf der Geländeoberfläche ein leistungsfähiger Gerätepark mit schallgeschützter Einhausung installiert, der auch nachts in den lärmgeschützten Zeiträumen betrieben werden kann.

Insgesamt fünf Kolonnen hat Bodo Pilgrimowski im Einsatz. Sie arbeiten sich von hinten nach vorne durch. Aus Sicherheitsgründen und um sicherzustellen, dass der Bahnsteigbereich immer über eine ausreichende Beleuchtung verfügt, wird erst die eine und später dann die gegenüberliegende Seite saniert. Die erste Kolonne stemmt den Beton ab, die zweite Kolonne führt die Sandstrahlarbeiten an den Trägern durch, die dritte Kolonne bringt die Bewehrungen an, anschließend werden die Spritzbetonarbeiten ausgeführt. Die abschließende Fertigstellung erfolgt durch die Malerkolonne.

 

Abbrucharbeiten

Zur Untergrundvorbereitung werden zunächst alle lockeren und beschädigten Teile der alten Betondecke unterhalb der Trägerlage abgestemmt. Die Decke ist weitgehend unbewehrt. Lediglich die Decken- und Unterzugsträger sind am Unterflansch mit Putzdrahtgewebe ummantelt, das jedoch teilweise korrodiert war.

Zur Vermeidung von Beschädigungen der historischen Fliesenfriese werden der Deckenbeton mit zwangsgeführten Geräten an der Fliesenkante an den Randunterzügen sowie an den Mittelstützen eingeschnitten. Die Schnitttiefe beträgt 3 cm im Putz und etwa 7 cm im Beton. Zuvor wird die Lage der Deckenträger exakt sondiert, um eine Beschädigung auszuschließen. Der Abbruch erfolgt im Bereich der Fliesen mit Kleingeräten bzw. durch Handstemmarbeiten.

Die im Rahmen der Abbrucharbeiten freigelegten Deckenträger und der Mittelunterzug werden gestrahlt. Die Strahloberfläche entspricht nach dem Strahlen dem Norm- Reinheitsgrad Sa 2 1/ 2 nach DIN EN ISO 12 944. Auf die gestrahlten Stahlprofilflächen wird anschließend mehrschichtig ein Korrosionsschutzsystem nach ZTV KOR Stahlbau aufgetragen. In Bereichen mit späterem Kontakt zum Beton wird der Korrosionsschutz nach Applikation der letzten Schicht abgesandet, um einen Haftverbund zu gewährleisten. Zur Erreichung eines tragfähigen, rauhen Untergrundes werden auch sämtliche Betonausbruchflächen flächig gestrahlt.

 

Spritzbetonarbeiten

Die Herstellung der historischen Deckenuntersicht erfolgt mit Sakret Spritzmörtel SM 4 P HS C25/30. Sakret Spritzmörtel SM 4 P HS ist ein hydraulisch erhärtender, zementärer Werktrockenmörtel mit hohem Sulfatwiderstand gemäß DIN EN 14487 / DIN 18551, DIN EN 206 / DIN 1045. Er wird für Wand und Decke innen und außen angewendet und ist für folgende Anwendungen geeignet:

- Bereitstellungsgemisch für die Herstellung von Spritzmörtel für Betoninstandsetzungsmaßnahmen

- Zur Verstärkung von Beton, Stahlbeton, zur Hangsicherung, Tunnel- / Bergbau und Baugrubensicherung

- Für die pneumatische Förderung im Trockenspritzverfahren

Er ist in Schichtdicken von 15 - 30 mm einlagig verarbeitbar.

Da die Bestandsabmessungen wieder herzustellen sind, erfordern die Arbeiten vom ausführenden Unternehmen Bodo Pilgrimowski Betonsanierung ein Höchstmaß an Präzision. Vor Beginn der Arbeiten werden die Deckenträgerunterflansche an der Unterseite mit U-förmigen Bügeln (d= 10 mm, e=10 cm) eingefasst, die Bügelenden mit chemischen Dübeln im Bestandsbeton verankert. Nach dem gleichen Verfahren wird auch der Mittelunterzug profiliert und eingefasst. Der Deckenspiegel erhält eine Edelstahlmatte als Bewehrung. In Bereichen mit geringer Betonüberdeckung wird zusätzlich eine Bewehrung aus Edelstahl 50/50/3 mm eingebaut. Normalerweise beträgt die Schichtdicke 4 cm, wegen der insgesamt niedrigen Deckenhöhe kann teilweise aber nur eine Dicke von 2 cm realisiert werden.

Anschließend erfolgt der Spritzbetonauftrag nach DIN 18551 mit einer Körnung von 8 mm. Eingesetzt wird Beton der Güteklasse C 25/30. Dabei wird zunächst die Bewehrung eingespritzt. Schließlich erfolgt ein Auftrag der Deckschicht bis zur Höhe der Schalung mit einem Spritzmörtel der Güteklasse C25/30 in 4 mm Körnung. Die Abmessungen der Schalungen entsprechen den vor Baubeginn erhobenen Vermessungsdaten. So ist sichergestellt, dass die neue Deckenkonstruktion in der Höhe des alten Bestandes bleibt. Die fertige Spritzbetonfläche wird abschließend mit einer hellen Dispersionsfarbe beschichtet.

 

Fazit

Die Grundinstandsetzung der Decke im historischen U-Bahnhof Fehrbelliner Platz in Berlin erfordert vom ausführenden Unternehmen eine genaue Planung im Vorfeld und eine hohe Präzision bei der Ausführung. Die Arbeiten werden mit Spritzbeton ausgeführt. Optisch und in ihren Abmessungen entspricht die Deckenansicht nach der Fertigstellung der Originalansicht. Selbstverständlich wird die Leistung des Unternehmens durch  einen Beauftragten der Prüf- und Überwachungsstelle der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauteilen überprüft, wie es der Bauherr, die Berliner Verkehrsbetriebe, bei all seinen Betoninstandsetzungsvorhaben fordert.


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