Arbeitsgemeinschaften –
eine Chance für den Mittelstand!?

Mehr als 50 Bauunternehmer aus ganz Deutschland kamen Ende Mai auf dem Treffpunkt ARGE in München zusammen, um die Chancen, die sich durch Arbeitsgemeinschaften bieten, zu erörtern. Die zweitägige Veranstaltung, zu der BRZ Deutschland gemeinsam mit BWI-Bau und Reuschel & Co. geladen hatte, bot zudem die ideale Plattform, um sich wiederzusehen, auszutauschen, Synergien zu finden und Netzwerke zu knüpfen. Die Fachtagung behandelte die richtige Form von ARGEN, deren Chancen und Risiken sowie rechtliche und betriebswirtschaftliche Aspekte. Am Vorabend fand das Wirtschaftsforum ARGE von Reuschel & Co. Privatbankiers statt.

Schlechte Zeiten sind gut für gute Unternehmer

Mit diesem gewagten Versprechen eröffnete Dr. Dr. Cay von Fournier das Wirtschaftsforum ARGE. Der Inhaber des Schmidt
Collegs ist überzeugt, dass exzellente Unternehmen in der Lage sind, Krisen zu meisten und gestärkt daraus hervorzugehen. Die Vergangenheit habe das immer wieder gezeigt. Solche Unternehmen zeichnen sich aus durch Kreativität und Ideenreichtum, durch Organisation und Motivation, durch klare Ziele und außergewöhnliche Strategien. Für ihn ist es deshalb keine Frage, ob man sich verändern muss, sondern vielmehr, ob man dabei schnell genug ist. Anhand zahlreicher Beispiele zeigte er, wie sich Unternehmen durch Kreativität von anderen abheben und so begeisterte Kunden gewinnen. Aber nicht nur begeisterte Kunden müssen das Ziel sein, sondern auch begeisterte Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren. Dazu müsse man nicht nur körperliches, sondern auch geistiges und seelisches Wohlbefinden schaffen – mit einer Vision, Verantwortung, Kommunikation und Vorbildfunktion. Über die derzeitige Krise zu jammern und den Kopf in den Sand zu stecken, helfe nicht weiter. Vielmehr seien Unternehmer gefordert, nach geeigneten Strategien zu suchen, um Gewinner der veränderten Marktbedingungen zu werden.

Auf der ARGE-Fachtagung zeigten Prof. Dr. Jacob und Dr. Winter – beide von der TU Bergakademie Freiberg – auf, welche Chancen die Bildung von ARGEN bietet. Viele Unternehmen scheuen zwar die Bürokratie, hätten Angst vor Fehlinvestitionen oder Bedenken ihre Unabhängigkeit zu verlieren – die kooperationsfördernden Faktoren seien aber nicht zu übersehen: Größenbedingte Nachteile lassen sich ausgleichen, die eigene Wettbewerbssituation verbessert sich, das Risiko kann aufgeteilt werden und der eigene Wissensstand steigt. „Kooperation statt Konkurrenz“ sei die Devise. Und auch die Auftraggeber erkennen die Vorteile, die sich für sie durch die Vergabe an eine Arbeitsgemeinschaft ergeben: Sie beauftragen nur einen einzigen Vertragspartner – die ARGE. Das führt zu geringeren Schnittstellenrisiken, insbesondere bei Gewährleistungs- und Haftungsfragen, verringert den Verwaltungs- und Koordinationsaufwand und bietet durch die gesamtschuldnerische Haftung eine zusätzliche Sicherheit. „Es profitieren also beide Vertragspartner“, so Prof. Dr. Jacob.

Arbeitsgemeinschaften zwischen Planer und Bauunternehmer

Eine ganz neue Form einer Arbeitsgemeinschaft ist die Dach-ARGE Planung und Bau, die Dr. Winter vorstellte. Diese ist ein Novum in der ARGE-Landschaft, in der es bisher nur Arbeitsgemeinschaften unter Gleichen (Planer-Planer / Bauunternehmer-Bauunternehmer) gibt. Die Dach-ARGE Planung und Bau soll hingegen Planer und Bauunternehmer partnerschaftlich zusammenbringen, um so ganz wie ein Generalübernehmer die Bauausführung samt Planung anzubieten und zu realisieren. Diese innovative Form der interdisziplinären Zusammenarbeit von Planern und Bauunternehmern biete gerade für kleine und mittelgroße Unternehmen die Chancen, Wettbewerbsnachteile gegenüber Großunternehmen zu überwinden sowie ein wertvolles Leistungs-Differenzierungsmerkmal gegenüber dem reinen Preiswettbewerb zu schaffen.

Ferner informierte Dr. Winter über die Besonderheiten dieser ARGE, wie z. B. Geschäftsführung, Berufshaftpflichtversicherung und Urheberrecht, und verwies diesbezüglich auf die neu entwickelten Musterverträge „Bietergemeinschaftsvertrag für eine Dach-Arbeitsgemeinschaft Planung und Bau“ sowie „Dach-Arbeitsgemeinschaftsvertrag für Planung und Bau“, welche diese und weitere Besonderheiten, in den jeweiligen Phasen der Vorbereitung, Bietergemeinschaft, Planung, Ausführung und Gewährleistung berücksichtigen.

Abwicklung von ARGEN im Tagesgeschäft

Auch Rainer Koßmann beantwortet die Frage, ob Arbeitsgemeinschaften eine Chance für den Mittelstand sind, mit einem deutlichen „Ja“. Für den Geschäftsführer der Echterhoff Bau Gruppe liegen die Vorteile klar auf der Hand – für ihn führt an dieser Form der Kooperation schon lange kein Weg mehr vorbei. Und das hat zahlreiche Gründe.

Das Unternehmen aus Osnabrück hat sich neben dem Spezialtiefbau auf den Ingenieurbau spezialisiert. Brücken, Tröge, Kläranlagen, Schleusen und Pumpwerke machen etwa 55% der Arbeiten aus. Weitere 40% entfallen auf schweren Kanalbau, Rohrvortrieb, Stollenbau oder Rammarbeiten. Entsprechend dem Leistungsspektrum sind es in erster Linie öffentliche Auftraggeber bzw. solche, die zur Anwendung der VOB/A verpflichtet sind, für die die Bauleistung erbracht wird.

„Bei dem, was wir bauen, kommen wir um Arbeitsgemeinschaften gar nicht herum“, erklärte Rainer Koßmann in seinem Praxisvortrag und begründete „denn bei sehr vielen Objektarten enthält die Ausschreibung für Echterhoff fremde Gewerke in erheblicher Größenordnung.“ Ein gutes Beispiel dafür ist der Brückenbau. Brücken werden meistens „unter rollendem Rad“ gebaut. In solchen Fällen, reicht der Betonbau alleine nicht aus. Man benötigt zusätzlich den Straßenbau, starke Erdbauer oder Stahlbauer. Alles Gewerke, die Echterhoff selber nicht bedient. Ohne starke Partner könnte man entsprechende Bauaufträge gar nicht realisieren.

Prinzipiell wäre zwar auch das Einschalten von Nachunternehmern möglich - dies hat aber den großen Nachteil, dass man alleine für das Ertragsrisiko haftet. Bei einer Arbeitsgemeinschaft hingegen gilt die gesamtschuldnerische Haftung. Das bedeutet, dass jeder einzelne Partner gegenüber dem Auftraggeber für den gesamten Auftrag haftet. Für Echterhoff bietet dies zusätzliche Sicherheit, besonders dann, wenn fremde Gewerke mit von der Partie sind – denn schließlich werden auch sie mit in die Verantwortung genommen. Aus diesem Grund gilt auch der Unternehmensgrundsatz, dass bei Losgrößen mit einem Umsatz von über 8 Mio. Euro prinzipiell ein ARGE-Partner gesucht wird – selbst dann, wenn Echterhoff die Gewerke selber bedienen könnte. In einer ARGE steigen die Chancen, bei einer Ausschreibung vorne zu liegen. Hat man doch dadurch, dass man mit dem Wettbewerber zusammengeht, schon einen Konkurrenten weniger, gegen den man sich durchsetzen muss. Natürlich können ARGEN auch „Zweckehen“ sein, die beispielsweise dann eingegangen werden, wenn der Auftraggeber ganz spezielle Anforderungen stellt, z. B. Referenzen verlangt, die man selber nicht vorweisen kann. Auch die Kooperation mit einem regionalen „Platzhirsch“ kann eine Strategie sein - gerade für ein überregional agierendes Bauunternehmen - ,an interessante Aufträge zu kommen, die dem Einzelunternehmen unzugänglich bleiben.

Spezielle Anforderungen an die Buchhaltung und das Controlling

Die Echterhoff Bau Gruppe engagiert sich momentan in etwa 100 Arbeitsgemeinschaften, bei der Hälfte davon hat das Unternehmen die kaufmännische Geschäftsführung übernommen.

Insbesondere das Rechnungswesen unterscheidet sich durch die übliche ARGE-Gesellschaftsform als GbR dadurch, dass es keiner handelsrechtlichen Verpflichtung zur Buchführung und nicht den gesetzlichen Vorschriften jährlicher Bilanzierung unterliegt. Vorrangig bestimmen die Anforderungen der Gesellschafter an die Inhalte und die Darstellung von Informationen und Abschlüssen sowie betriebswirtschaftliche Erfordernisse das Wesen und die Elemente der ARGE-Buchhaltung. Die Aufgaben zum Rechnungs- und Berichtswesen von ARGEN sind umfangreich: Organisation der Buchführung, Abstimmung und Abrechnung mit den Gesellschaftern, Behandlung von Zwischen-/Abschlüssen bis hin zur Auseinandersetzungsbilanz.

Ohne ausgefeilte IT-Unterstützung, wäre die Aufgabe nicht zu stemmen. Konventionelle Anwendungen der Finanz- und Betriebsbuchhaltung ermöglichen es i. d. R. zwar die ARGE als anteiliges Projekt im Rechnungswesen der Gesellschafter darzustellen; die eigentliche ARGE-Abrechnung mit allen Besonderheiten bedarf allerdings einer spezielleren und umfassenderen Funktionalität und Abbildung. Echterhoff nutzt deswegen die ARGE-Buchhaltung von BRZ, die genau den typischen Abläufen, Abrechnungen und Abschlüssen einer ARGE entspricht.

ARGE-Buchhaltung als wichtigstes Controlling-Instrument

Christian Jurasin, Leiter Consulting bei BRZ, demonstrierte, wie die BRZ ARGE-Buchhaltung zu einer vereinfachten und schnelleren Abwicklung des Rechnungswesens beitragen kann.

Durch die Integration einer Anlagenbuchhaltung erfolgt die Ermittlung und Verbuchung der Abschreibung für ARGE-eigene Anlagegüter automatisch. Bei der Erfassung der Nachunternehmer-Rechnungen erfolgen die Addition der Beträge und ein Vergleich mit dem Leistungsstand sowie der Auftragssumme des Nachunternehmers ebenfalls ohne erneutes manuelles Eingreifen. Das spart enorm viel Zeit und macht die ARGE-Buchhaltung zum wichtigsten Controlling-Instrument zur unmittelbaren Steuerung aller ARGE-Partner. Regelmäßige Ergebnisübersichten lassen sich ebenso schnell, übersichtlich und anwenderfreundlich erstellen wie der ARGE-Abschluss. Die Reports können monatlich, quartalsweise oder für frei wählbare Perioden ausgedruckt werden. Jeder so erstellte ARGE-Abschluss beinhaltet den vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie empfohlenen Formularsatz mit Übersichten zur Auftrags- und Ergebnisentwicklung, zum Stand der Partnerkonten, zur Vermögens- und Erfolgsübersicht einschließlich Kontennachweis sowie Bewertung von Bauhilfsstoffen.

Muster-Verträge sorgen für Rechtssicherheit

Rechtsanwalt Peter Burchardt ging insbesondere auf die rechtlichen Fragestellungen zur Abfolge von Bewerber-, Bieter- und Arbeitsgemeinschaft ein. Wo die vielen rechtlichen Stolpersteine für ARGEN bzw. Dach-ARGEN liegen, untermalte er anhand einiger richterlicher Urteile. Er empfahl den Teilnehmern daher, ausschließlich mit Musterverträgen zu arbeiten, die der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie herausgibt. Von hauseigenen Verträgen riet er dringend ab. Um Rechtssicherheit zu haben, solle man den Original-Vertrag verwenden und Änderungen so kennzeichnen, dass diese auf den ersten Blick erkennbar seien.

Sorgloser Umgang in Bietergemeinschaften

Auch ein Bietergemeinschaftsvertrag sollte unbedingt abgeschlossen werden. Laut Burchardt werde in Bietergemeinschaften häufig viel zu sorglos operiert, was dazu führe, dass gerade in der Bietergemeinschafts-Phase die meisten Fehler passieren.

Es dürfe nicht sein, dass einer der Partner die Verhandlungen übernimmt, ohne sich abzusichern, ob die Partner auch mit dem Vereinbarten einverstanden sind.

Besonders der Umfang der Musterverträge und die Frage, ob es für den Mittelstand nicht schlankere Versionen davon geben solle, wurde unter den Teilnehmern der Fachtagung ausführlich diskutiert.

Burchardt, der maßgeblich an der Ausgestaltung der Musterverträge beteiligt war, wies darauf hin, dass die Verträge vor allem deshalb so umfangreich seien, weil darin die vielen Sonderwünsche der Unternehmer – v.a. aus kaufmännischer Sicht – eingearbeitet wurden. Aus der interessierten Teilnehmerschaft wurde dennoch angeregt, die Musterverträge hinsichtlich ihres Umfangs zu überarbeiten.

Banken als Partner für eine sichere und effiziente Abwicklung von Argen

ARGEN sind nicht nur für Außenstehende wie beispielsweise Wirtschaftsprüfer schwer verständlich, auch bei vielen Banken bedürfen sie einer permanenten Erklärung. Berthold Negele von Reuschel & Co. Privatbankiers erläuterte, welchen Beitrag sein Bankhaus für die Betreuung und Beratung rund um das ARGE-Geschäft leistet und worauf es bei Bürgschaften und Maßnahmen zur Zahlungssicherung ankommt. Die Privatbank ist bereits seit 50 Jahren im ARGE-Geschäft und betreut derzeit rund 500 ARGEN. Laut Negele machen wirtschaftlich schwierige Zeiten wie diese deutlich, dass das Haftungsrisiko eine immer größere Rolle spiele. Neben den Chancen, die sich durch ARGEN ergeben, bedeuten sie nach wie vor ein gewisses Risiko.

ARGEN sind zunehmend gefragt, um den Markterfordernissen zu entsprechen. Sie bieten dem Mittelstand die Chance zur Akquisition und Gewinn bringenden Auftragsabwicklung. Kooperation statt Konkurrenz ermöglicht es, sich weitere Geschäftsfelder zu erschließen, sich an größeren Bauprojekten zu beteiligen und dabei das Wissen zu erweitern. Dabei dürfen aber auch die Risiken, die sich durch die gesamtschuldnerische Haftung ergeben, nicht vernachlässigt werden. n

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