Globalpauschalpreis und
Nachtragsvergütung

Kommentare zur aktuellen Rechtsprechung für die Bauwirtschaft

Gibt es einen Globalpauschalpreis ohne wenn und aber? Wann gilt die Mängelrüge als Mängelbeseitigungsverlangen? Verzichtet der Auftraggeber durch eine (fast) vollständige Schlusszahlung auf die förmliche Abnahme? Diesen wichtigen Fragen geht unser Autor Rechtsanwalt Michael Werner vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie anhand dreier aktueller Oberlandesgerichtsurteile nach.

Das OLG Koblenz hat mit Urteil vom 31. März 2010 – 1 U 415/08 – (www.ibr-
online.de) Folgendes entschieden:


1. Eine Schlüsselfertigkeitsabrede ist nicht geeignet, bei Vorliegen einer detaillierten Leistungsbeschreibung den Abgeltungsumfang der vereinbarten Pauschalsumme zu erweitern. Insoweit gehen die Detailregelungen einer globalen Regelung vor.

2. Eine Vereinbarung, wonach der Pauschalpreis auch den über die detaillierte Leistungsbeschreibung hinausgehenden Leistungsumfang abgelten soll, ist möglich. Wegen ihrer Ungewöhnlichkeit sind an solche Vereinbarungen allerdings strenge Anforderungen zu stellen.

3. Bei Ausschreibung einer schlüsselfertigen Leistung ist der Auftragnehmer im Angebotsstadium nicht gehalten, auf Planungsfehler oder Fehler im Leistungsverzeichnis hinzuweisen, weil ein Bieter die Prüfung der Ausschreibungsunterlagen nur unter kalkulatorischen Aspekten vornimmt. Die Prüfungs- und Hinweispflicht gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B gilt erst nach Vertragsschluss.

4. Bei offenkundigen Mängeln und Lücken der Leistungsbeschreibung gibt es allerdings keine über den Pauschalpreis hinausgehende Vergütungspflicht für zusätzlich erbrachte Leistungen, soweit diese Leistungen offensichtlich und für den Bieter im Rahmen der Kalkulation erkennbar erforderlich zur Erstellung des Bauwerks waren


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) beauftragte ein Bauunternehmen (AN) mit der Errichtung eines Universitätsgebäudes. Im Bauvertrag wurde festgehalten, dass der AN zu einer schlüsselfertigen Leistung mit „Globalpauschalpreisabrede“ verpflichtet war. Darüber enthielt der Vertrag eine detaillierte Leistungsbeschreibung, für die Fassade sogar eine detaillierte Ausführungsplanung, die über eine bloße gestalterische Festlegung hinausging. Diese konnte jedoch aus statischen Gründen nicht umgesetzt werden, so dass – auf Anordnung des AG - eine gänzlich andere Fassadenkonstruktion verwirklicht wurde. Auf die daraufhin geltend gemachten Nachträge in Höhe von 3,5 Mio. Euro verwies der AG auf den Globalpauschalpreis und lehnte eine darüber hinaus gehende Vergütung ab. Nach seiner Ansicht hätte der AN im Übrigen durch „einfache statische Überschlagsberechnung“ erkennen müssen, dass die geplante Konstruktion nicht realisierbar gewesen sei.

Das OLG verurteilte den AG zur Zahlung (eines Großteils) der geltend gemachten Nachtragsforderungen. Zwar hätten die Parteien unstreitig einen Pauschalpreis vereinbart, bei dem die gesamte Bauleistung mit einer pauschalen Geldleistung zu vergüten sei, um grundsätzlich alle – zur Herstellung der vereinbarten Leistung erforderlichen – Einzelleistungen abzugelten. Der AN übernehme dabei auch bewusst das Risiko von Mehrleistungen, so dass grundsätzlich von der Unabänderlichkeit des
einmal vereinbarten Pauschalpreises auszugehen sei. Im vorliegenden Falle sei aber entscheidend, dass es sich hier – entgegen der Bezeichnung im Bauvertrag – tatsächlich nicht um einen „Globalpauschalvertrag“, sondern um einen „Detailpauschalvertrag“ gehandelt habe. Ein solcher Vertrag sei dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien den Umfang der geschuldeten Leistungen im Rahmen der Leistungsbeschreibung näher festgelegt und damit gerade nicht pauschaliert hätten. Es könne eben nur der Preis und nicht die Leistung pauschaliert werden. Daraus folge, dass der AN im Rahmen des vereinbarten Pauschalpreises alle Leistungen schulde, die in der Leistungsbeschreibung genannt würden. Später geforderte, über die Leistungsbeschreibung hinausgehende Zusatzleistungen und Leistungen in einer höheren Qualität würden nicht vom vereinbarten Pauschalpreis erfasst und könnten vom AG nur gegen zusätzliche Vergütung gefordert werden.

 

Anmerkung

Die Entscheidung des OLG nimmt merklich Bezug auf die sog. „Bistro-Entscheidung“ des BGH vom 13. 3. 2008 (VII ZR 194/06). Darin hatte der BGH den Leistungsumfang „Funktionale Leistungsbeschreibung“ restriktiv an eine bei Angebotsabgabe vorhandene Bauwerksplanung geknüpft und im Übrigen die Bedeutung von sog. Komplettheitsklauseln deutlich relativiert.


Aufforderung zur Mängelbeseitigung bei bloßem „Durchreichen“ von Mängelrügen?


Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 21. April 2009 – 10 U 9/09 -(www.ibr-online.de), das wegen Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH vom 8. April 2010 rechtskräftig geworden ist, Folgendes entschieden:


Die Weiterleitung von Mängelrügen des Bauherrn durch den Generalunternehmer an den Nachunternehmer stellt kein schriftliches Mängelbeseitigungsverlangen im Sinne des § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B dar, wenn damit die Einladung zu einem Ortstermin zur Abklärung der Verantwortlichkeiten verbunden ist.


Der Bauherr rügte gegenüber dem Generalunternehmer (GU) die Undichtigkeit eines Daches, verbunden mit der Aufforderung zur Vereinbarung eines Ortstermins. Der GU leitete diese Mängelrüge an seinen Nachunternehmer (NU) weiter, ohne allerdings eine explizite Aufforderung zur Mängelbeseitigung auszusprechen; vielmehr lud er den NU lediglich zu dem Ortstermin ein, um die Ursache für die Mängel und die Zuständigkeit für deren Beseitigung zu klären. Bei dem Ortstermin wurde einwandfrei „festgestellt“, dass der NU für die Mängel verantwortlich war. Daraufhin setzte der GU eine Frist und forderte den NU auf, innerhalb der Frist seine Bereitschaft zur Mängelbeseitigung zu erklären. Da dieser nicht reagierte, griff der GU zur Ersatzvornahme und rechnete mit den Kosten gegen den Werklohnanspruch des NU auf. Letzterer erhob Klage.

Das OLG gab dem NU Recht, denn es liege keine Mängelbeseitigungsaufforderung unter Fristsetzung nach § 13 Nr. 5 VOB/B vor. Die Weiterleitung der Mängelrüge des Bauherrn gegenüber dem GU an den NU genüge nicht, da der GU diese Weiterleitung nicht mit einer Mängelbeseitigungsaufforderung nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB verbunden und auch keine Frist dafür gesetzt habe. Diese sei nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B grundsätzlich auf die Beendigung der Mängelbeseitigung zu beziehen. Der GU könne sich auch nicht auf die Fristsetzung des Bauherrn berufen, da diese nicht gegenüber dem NU wirke. Zwar habe der GU nach dem Ortstermin den NU zu einer Erklärung über die Bereitschaft zur Mängelbeseitigung aufgefordert, nicht aber zur Beseitigung als solcher; dies genüge nicht. Ebenso wenig könne sich der GU darauf berufen, dass der NU die Mängelbeseitigung verweigert habe, da Letzterer hier schlicht gar nichts getan habe.

 

Anmerkung

Wichtig an der Entscheidung ist die Klarstellung, dass die am Bau weit verbreitete bloße Beifügung entsprechender Schreiben des Bauherrn grundsätzlich nicht ausreicht. Vielmehr sollte der GU immer selbst gegenüber dem NU zur Mängelbeseitigung auffordern und Fristen setzen, auch wenn entsprechende Schreiben des Bauherrn beigefügt sind. Des Weiteren sollte die Fristsetzung sich immer auf die Beendigung der Arbeiten beziehen. Ist diese Frist zu kurz, setzt sie eine angemessene Frist in Gang. In dringenden Fällen kann eine weitere (kürzere Frist) zur Erklärung der Mängelbeseitigungsbereitschaft und schließlich eine dritte Frist zum Beginn der Mängelbeseitigung hinzugefügt werden.

 

Verzicht auf förmliche Abnahme durch (fast) vollständige Schlusszahlung?


Das OLG Stuttgart hat mit o. g. Urteil vom 21. 04. 2009 – 10 U 9/09 – auch Folgendes entscheiden:


Stellt der Auftragnehmer seine Schlussrechnung ohne Verlangen der vereinbarten förmlichen Abnahme und zahlt der Auftraggeber den restlichen Werklohn bis auf einen nicht näher begründeten geringfügigen Betrag, kann das Verhalten der Parteien als übereinstimmender Verzicht auf eine förmliche Abnahme und als Abnahmeerklärung des Auftraggebers ausgelegt werden.


Der Auftragnehmer (AN) stellt seine Schlussrechnung nach Beendigung der Arbeiten, ohne den vertraglich vereinbarten Gewährleistungseinbehalt von 5 % durch Bürgschaft abzulösen. Auf die im VOB-Vertrag vereinbarte förmliche Abnahme kam er nicht zurück. Der AG zahlte den Schlussrechnungsbetrag - bis auf einen Abzug von 3,9 % - ohne sich zur fehlenden Abnahme überhaupt zu äußern. Ein Jahr später traten erhebliche Mängel auf. Im Prozess konnte nicht geklärt werden, ob diese im Zeitpunkt der Zahlung bereits vorhanden waren oder erst später durch einen Nachfolgeunternehmer verursacht wurden. Der AN erhob die Einrede der Verjährung, weil in der Zahlung ein Verzicht auf die förmliche Abnahme und eine Abnahmeerklärung zu sehen sei. Der AG wandte ein, dass einem solchen Erklärungsgehalt der vorgenommene Einbehalt entgegenstehe und ein Verzicht auf die förmliche Abnahme nach Rechtsprechung des BGH erst nach einem Zeitablauf von mindestens drei Monaten anzunehmen sei. Das OLG gibt hier dem AN Recht. Entscheidend sei, dass der AN das Verhalten des AG so verstehen durfte, der AG habe die geschuldete Leistung vollständig erbracht. Mangels näherer Begründung konnte der AN den Einbehalt von 3,9 % nur als Sicherheitseinbehalt oder als Einbehalt für wesentliche Mängel verstehen, so dass aus Sicht des AN jedenfalls die geschuldete Zahlung geleistet wurde. Damit habe der AG folglich zu erkennen gegeben, dass er die Voraussetzung für eine Schlusszahlung, insbesondere die Fälligkeit der Forderung, als gegeben erachte, so dass das Verhalten des AG nur als Verzicht auf die förmliche Abnahme und konkludente Abnahme zu verstehen gewesen sei. Dem Einwand des AG, es sei dem BGH zufolge grundsätzlich ein Zeitablauf von mehreren Monaten nötig, entgegnete das OLG, dies sei keine zwingende Voraussetzung, sondern nur im konkreten Sachverhalt erforderlich gewesen, der damals vom BGH entschieden wurde.

 

Anmerkung

Wenn AG und AN im Bauvertrag vereinbaren, dass eine förmliche Abnahme durchzuführen ist, treten die mit einer Abnahme verbundenen Rechtsfolgen grundsätzlich erst dann ein, wenn die Arbeiten tatsächlich förmlich abgenommen wurden. Den Parteien steht es jederzeit frei, einvernehmlich von einer vertraglichen Vereinbarung Abstand zu nehmen und eine neue Vereinbarung zu treffen. Diese neue Vereinbarung kann die ursprüngliche ergänzen, ersetzen oder aufheben. Wird eine förmliche Abnahme vereinbart, so hindert es die Parteien nicht, später übereinstimmend auf die förmliche Abnahme zu verzichten. Es sind aber auch Konstellationen möglich, die so ausgelegt werden können, dass die Parteien durch schlüssiges Verhalten auf eine förmliche Abnahme verzichten und eine konkludente Abnahme – mit den entsprechenden Rechtsfolgen – durch den AG anzunehmen ist. Ein solcher Sachverhalt lag im hier entschiedenen Falle vor.

Mängelrügen einfach durchreichen?

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